DR Kongo: Hilfe in apokalyptischer Situation

Kommentar von Marcus Bachmann
29.01.2025
Die Lage in der Demokratischen Republik Kongo eskaliert. Marcus Bachmann ist dort Einsatzleiter in der Stadt Bukavu in Süd-Kivu. Er berichtet, wie er und sein Team so gut wie möglich weiterhin Hilfe leisten und was es jetzt am dringendsten braucht.

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo herrscht seit Jahrzehnten Krieg. In den vergangenen zwei Wochen haben sich Frontlinien, die über lange Zeit relativ stabil waren, rasch verschoben. Wir haben erlebt, wie unser Projekt in Minova im Norden von Süd-Kivu innerhalb von drei Tagen überrannt wurde. Die Rebellen haben die Kontrolle über die Stadt und über das Krankenhaus übernommen – ebenso über ein weiteres Krankenhaus in den Bergen, das für die Versorgung der Bevölkerung in dieser schwer zugänglichen Region lebenswichtig ist. 

In der Folge hat sich der Konflikt rasch in Richtung Goma bewegt. Der Belagerungsring um die Stadt ist geschlossen. Rund um die Millionenstadt hatten 650.000 Vertriebene Zuflucht gefunden. Diese bewegen sich jetzt in Richtung Stadtzentrum. Das ist derzeit die einzig mögliche Fluchtrichtung. 
 

Geflüchtete kommen in der Innenstadt von Goma an
Jospin Mwisha

Mittlerweile hören wir von intensiven Straßenkämpfen auch im Zentrum der Stadt mit sehr, sehr vielen Verletzten und Toten. Die öffentliche Ordnung ist zusammengebrochen. 

Es kommt zu massiven Plünderungen. Ärzte ohne Grenzen unterstützt in zwei Krankenhäusern mit lebensrettenden chirurgischen Maßnahmen. Der Anteil von Zivilpersonen, die durch Kugeln, durch Schrapnelle, durch Explosionen verwundet werden, steigt laufend. Die kongolesischen Kolleg:innen sagen, es herrscht komplette Panik in Goma. Die Menschen geraten auf der Flucht vor den Straßenkämpfen von einem Kreuzfeuzer ins nächste.

Nur mehr lebensrettende Maßnahmen sichergestellt

Aufgrund der extremen Unsicherheit mussten wir den Betrieb sehr stark reduzieren. Es ist jetzt tatsächlich nur mehr die lebensrettende medizinische Versorgung sichergestellt. Wir arbeiten unter größten Schwierigkeiten in den Krankenhäusern in Goma und Minova. Wir haben einen enormen Verbrauch an Material für lebensrettende notfallmedizinische Eingriffe. Und wir hängen massiv davon ab, dass wir ein Fenster finden, um Nachschub in die Krankenhäuser und in Gesundheitsstationen bringen zu können. Ein Lager mit hunderttausenden Menschen ist komplett von unserer Wasserversorgung abhängig. Wir brauchen Treibstoff für den Betrieb der Anlage. Unsere größte Sorge ist derzeit allerdings die Sicherheit unseres Personals. Wir sind jetzt mit einem verkleinerten Team in Goma vertreten.  Unter den Sicherheitsumständen, die jetzt herrschen, versuchen wir möglichst viel Hilfe zu leisten. Anderen Hilfsorganisationen geht es ähnlich. Auch sie verkleinern ihre Teams. Wir haben Teams auf Abruf, um die Hilfe zu verstärken, sobald sich die Lage stabilisert.

Kämpfe bewegen sich auf Süd-Kivu zu

Goma und Bukavu sind Zwillingsstädte. Die Kongoles:innen sagen: “Alles, was in Goma passiert, geschieht ein paar Tage später in Bukavu.”  Wir erleben gerade, dass sich die Frontlinie sehr schnell auf die Stadt Bukavu zubewegt. Schon in den nächsten 24 Stunden könnten wir von Angriffen bedroht sein. Mindestens zweihunderttausend Menschen sind schon geflüchtet, viele bereiten sich vor, Bukavu zu verlassen. 

Vor einigen Tagen konnten wir Schwerverletzte noch mit Hubschraubern in besser ausgestattete Krankenhäuser verlegen. Jetzt werden Verletzte auf Tragbahren oft 30 Kilometer über Stock und Stein bis zur nächsten Straße getragen.

Es ist wirklich eine apokalyptische Situation. Menschen, die dicht gedrängt unter schlechten hygienischen Verhältnissen leben müssen, sind jetzt doppelt gefährdet: durch die Kämpfe und durch die schlechte Versorgungslage.

 Sie haben kaum Zugang zu Nahrung, sauberem Trinkwasser und zu medizinischer Versorgung. Und das in einer Region, mit mehreren Epidemien zugleich. Es gibt eine große Cholera-Epidemie, Masern und Mpox.

Hilfe aufrechterhalten

Unsere Arbeit wird zunehmend schwieriger. Die Versorgung mit Hilfsgütern ist vollkommen unzureichend. Der Zugang für die humanitären Helfer:innen ist kaum noch gegeben Internetverbindungen und Mobilfunknetz sind massiv eingeschränkt. 

 

Wir leisten lebensrettende Einsätze in Notaufnahmestationen und in Operationssälen, solange es die Sicherheitslage irgendwie zulässt.

Das geht aber nur, wenn die Konfliktparteien den im internationalen Humanitären Völkerrecht verbrieften Schutz von Gesundheitseinrichtungen, Patient:innen und medizinischem Personal respektieren. Ich bin laufend in Gesprächen mit allen Konfliktparteien, um diese Zusicherungen zu erhalten. Wenn die öffentliche Ordnung zusammenbricht und wenn der Respekt für medizinisches Personal und für Patient:innen nicht mehr gegeben ist, verlieren wir die Grundlage, unsere Arbeit weiter fortsetzen zu können. Ich hoffe, es kommt nicht so weit!