25.03.2025
Ärzte ohne Grenzen beobachtet in der Provinz Ituri im Osten der DR Kongo einen erneuten Anstieg der Gewalttaten. Das Leben der Menschen ist von Angriffen, Vertreibung und dem Rückgang der humanitären Hilfe bedroht.

Die medizinischen Teams der Hilfsorganisation behandeln Zivilist:innen mit schwersten Verletzungen. In einem heute veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Risking Their Lives to Survive – Sie riskieren ihr Leben, um zu überleben“ unterstreicht Ärzte ohne Grenzen den immensen Hilfsbedarf. Das Leben der Menschen ist von Angriffen, Vertreibung und dem Rückgang der humanitären Hilfe bedroht.

In Ituri im Nordosten der DR Kongo tobt seit Jahrzehnten ein vielschichtiger Konflikt, geprägt von Gewalt, ethnischen Spannungen und der Beteiligung zahlreicher bewaffneter Gruppen. Zivilist:innen werden oft gezielt angegriffen oder als Kollateralschaden betrachtet. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Nahrungsmitteln ist erheblich erschwert. Die Lage der Betroffenen hat sich durch die zunehmenden Einschränkungen der humanitären Hilfe weiter verschärft und bleibt international weitgehend unbeachtet. Laut UN-Angaben hat die Gewalt in Ituri seit Jahresbeginn rund 100.000 Menschen vertrieben. Ärzte ohne Grenzen appelliert an alle bewaffneten Gruppen in Ituri, die Zivilbevölkerung und Gesundheitseinrichtungen zu verschonen.

„Die jüngsten Angriffe folgen auf jahrzehntelange Gewalt in Ituri und die daraus resultierende verheerende Situation für die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kinder“, so Alira Halidou, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen in der DR Kongo. „Die Krise führt zu wiederholten Vertreibungen – die Menschen verlieren alles und müssen immer wieder von vorne beginnen. Am schlimmsten ist, dass die Geschichten, die uns unsere Patient:innen und die Gemeinden erzählen, nur die Spitze des Eisbergs sind.“

Zugang zu Gesundheitsversorgung behindert

In Ituri hat nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Zugang zur Gesundheitsversorgung. Gesundheitseinrichtungen werden immer wieder angegriffen. Im Gebiet von Djugu musste das Spital von Fataki Mitte März seine Tätigkeit nach Drohungen durch bewaffnete Gruppen einstellen und Patient:innen evakuieren. Tausende Menschen stehen nun ohne medizinische Betreuung da. In Drodro und Djugu wurde fast die Hälfte der Gesundheitszentren zerstört oder musste verlegt werden.

Als die Gewalt vor einem Jahr eskalierte, wurde bei einem bewaffneten Angriff auf das Spital von Drodro eine Patientin in ihrem Bett getötet. Die Angst vor Angriffen schreckt Patient:innen ab, medizinische Einrichtungen aufzusuchen. Das medizinische Personal ist zunehmend gefährdet. Ein für den Bericht befragter Arzt erzählte, dass ein Gesundheitszentrum schließen musste, er aber dennoch weiter einen Kaiserschnitt durchführte. „Es war gefährlich und ich riskierte mein Leben, aber wir hatten keine andere Wahl“, berichtet er. „Wir mussten heimlich mit den Frauen ins Spital, sonst wären sie gestorben.“

Zielscheibe: die Schwächsten

Mehr als die Hälfte der bis Mitte März 2025 in der Salama-Klinik in Bunia behandelten 39 Menschen mit gewaltbedingten Verletzungen waren Frauen und Kinder. Eine Mutter verlor ihr sechs Monate altes Baby und ihren Ehemann bei einem Machetenangriff. Ihr vierjähriges Kind wurde ebenfalls verletzt. Zwei Schwestern im Alter von vier und 16 Jahren wurden mit Machetenhieben auf Kopf und Arme angegriffen, und auch ihre im achten Monat schwangere Mutter wurde durch mehrere Hiebe schwer verletzt. Ein neunjähriger Junge, der mit einer Schusswunde im Bauch eingeliefert wurde, musste mitansehen, wie Angreifer seine Mutter und zwei Geschwister mit einer Machete töteten.

Wenn Menschen in Geflüchtetenlagern Zuflucht suchen, sind sie auch dort nicht sicher. Im September 2024 behandelte Ärzte ohne Grenzen fünf Menschen mit Schusswunden nach einem Angriff auf das Camp Plaine Savo.

Mit den zunehmenden Angriffen auf Zivilist:innen steigt auch die Zahl der Betroffenen sexualisierter Gewalt, die dann in den Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen Hilfe suchen. Vor allem Frauen werden attackiert, wenn sie versuchen, das Nötigste zum Überleben zu finden. In Drodro wurden 2023 und 2024 rund 84 Prozent der von Ärzte ohne Grenzen behandelten Überlebenden von sexualisierter Gewalt bei der Feldarbeit, beim Holzsammeln oder auf der Straße überfallen.

Verschlechterung der ohnehin angespannten Versorgungslage

Trotz der Bemühungen des Gesundheitsministeriums, von Ärzte ohne Grenzen und anderen humanitären Organisationen reichen die vorhandenen Mittel nicht aus. Die Ernährungssituation hat sich 2024 drastisch verschlechtert, 43 Prozent der Bevölkerung sind chronisch von Ernährungsunsicherheit betroffen. Schlechte hygienische Bedingungen und provisorische Unterkünfte führen zur schnellen Ausbreitung von Durchfall- und Atemwegserkrankungen. Besonders betroffen sind Kinder unter fünf Jahren.

„Die Menschen in Ituri müssen einen sicheren Zugang zur Gesundheitsversorgung erhalten. Es ist inakzeptabel, dass sie bei der Arbeit oder alltäglichen Aktivitäten ihr Leben riskieren müssen“, warnt Ärzte ohne Grenzen.

Werner Reiter | Ärzte ohne Grenzen

Werner Reiter

Press Officer