18.02.2025
Die bewaffnete Auseinandersetzung hat die Provinz Süd-Kivu erreicht. Ärzte ohne Grenzen versorgt Verwundete und baut medizinische Nothilfe weiter aus.

Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der M23-Miliz und den kongolesischen Streitkräften (FARDC) haben sich auf die Provinz Süd-Kivu ausgeweitet. In der Provinzhauptstadt Bukavu werden zahlreiche Verwundete in Krankenhäusern behandelt, die von Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden. In Nord-Kivu sind wiederholt Gesundheitseinrichtungen von Kampfhandlungen betroffen. Am Wochenende wurde ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums im von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Krankenhaus in Masisi durch eine verirrte Kugel verwundet. Marcus Bachmann, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Süd-Kivu, berichtet über die aktuelle Lage im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

Der Schwerpunkt des Konflikts zwischen der M23 und den kongolesischen Streitkräften (FARDC) sowie ihren jeweiligen Verbündeten lag zwar in Nord-Kivu, doch auch die benachbarte Provinz Süd-Kivu ist von der eskalierenden Gewalt betroffen. Laufend treffen Vertriebene ein. In den ersten drei Wochen des Jahres, als sich der Konflikt verschärfte, wurden in den von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Gesundheitseinrichtungen im Norden von Süd-Kivu mehr als 315 Verletzte versorgt.

Ende Jänner übernahm die M23 die Kontrolle über Numbi im nördlichen Teil von Süd-Kivu und über Minova am Ufer des Kivu-Sees. Nach der Einnahme von Goma, der Hauptstadt von Nord-Kivu, drang die Gruppierung weiter nach Süd-Kivu vor. Letzte Woche eroberte die M23 die strategisch wichtigen Städte Kalehe und Kavumu.

Ärzte ohne Grenzen weitet Hilfe auf Provinzhauptstadt Bukavu aus

Am Wochenende rückte die M23 in Bukavu ein, während sich die Truppen der FARDC und verbündete Streitkräfte aus der Stadt zurückzogen. Bukavu ist eine der bevölkerungsreichsten Städte im Osten des Landes. Dort kam es zwar zu keinen größeren bewaffneten Auseinandersetzungen, aber zu zahlreichen Plünderungen und Schießereien. Die Lage ist nach wie vor instabil. Die Stadt wirkt nahezu verlassen, es gibt kaum Verkehr, und nur sehr wenige Menschen sind auf den Straßen unterwegs, da viele Bewohner:innen zu Hause bleiben oder die Stadt verlassen haben.

Ärzte ohne Grenzen leistet in Bukavu selbst normalerweise keine medizinische Hilfe, sondern koordiniert von dort aus. Jetzt haben Teams jedoch damit begonnen, vier Krankenhäuser in der Stadt zu unterstützen, um den großen Zustrom an Verwundeten zu bewältigen und die Kapazitäten zur Behandlung von Opfern und Überlebenden sexualisierter Gewalt zu verstärken.

Alle behandelten Verletzten in einem Krankenhaus sind Zivilpersonen

Bis Montag, den 17. Februar, hatten die von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Krankenhäuser in Bukavu bereits 48 verletzte Patient:innen mit Schuss- und Splitterwunden aufgenommen, die auf die Gewalt der vergangenen Tage zurückzuführen sind. 42 dieser Patient:innen wurden in einem dieser Krankenhäuser behandelt. Alle waren Zivilist:innen, darunter 11 Kinder und 16 Frauen.

Im nördlichen Teil der Provinz Süd-Kivu unterstützt Ärzte ohne Grenzen weiterhin mehrere Abteilungen des Krankenhauses in Minova, drei weitere Gesundheitszentren im Umland sowie das Gesundheitszentrum Numbi. In diesen Gebieten leben immer noch Tausende von Vertriebenen.

Uvira: Mpox breitet sich aus

In Uvira, weiter südlich in der Provinz Süd-Kivu, versorgen die Teams von Ärzte ohne Grenzen Patient:innen, die an Mpox erkrankt sind. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium wurden in den letzten Monaten etwa 3.000 Patient:innen behandelt. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Diagnostik, der Behandlung im allgemeinen Krankenhaus sowie auf der Aufklärung über die Krankheit.

Die Kämpfe haben auch Uvira erreicht, wodurch die Situation dort äußerst besorgniserregend geworden ist. Das allgemeine Krankenhaus nimmt Dutzende von Verletzten auf, darunter erneut viele Zivilist:innen.

Nothilfe muss ausgebaut werden

Ärzte ohne Grenzen war gezwungen, einige der nicht unbedingt erforderlichen Mitarbeitenden vorübergehend abzuziehen und die medizinische Versorgung aufgrund der zunehmenden Gewalt einzuschränken. Die Teams konnten vor dem Verlassen der Stadt medizinische Ausrüstung spenden, doch das reicht angesichts des steigenden Bedarfs bei Weitem nicht aus.

Die medizinische Hilfsorganisation beobachtet die Situation genau und sucht nach Möglichkeiten, die Nothilfemaßnahmen auszuweiten, um auf die humanitären Bedürfnisse der Menschen in den Gebieten um Minova, Bukavu und Uvira zu reagieren.

Versorgung Geflüchteter im Nachbarland Burundi

Da Tausende von Menschen die Grenze von Süd-Kivu nach Burundi überquert haben, um in der Provinz Cibitoke Zuflucht zu suchen, hat Ärzte ohne Grenzen sofort ein Team entsandt, um in Zusammenarbeit mit den burundischen Behörden die dringendsten Bedürfnisse zu ermitteln und Nothilfe zu leisten. Die Prioritäten von Ärzte ohne Grenzen liegen in der medizinischen Grundversorgung durch mobile Kliniken, der Versorgung mit sauberem Trinkwasser, der Verbesserung der sanitären Einrichtungen sowie der Bekämpfung von Epidemien wie Masern und Cholera.

Die Ausbreitung von Gewalt und bewaffneten Auseinandersetzungen sowie damit verbundene logistische Einschränkungen, wie die Schließung von Flughäfen und Seeschifffahrtsrouten, beeinträchtigen die Möglichkeiten, in verschiedenen Teilen der Provinz Süd-Kivu medizinische Versorgung bereitzustellen. Marcus Bachmann warnt: „Aufgrund der instabilen Lage besteht die Gefahr, dass sich der humanitäre Bedarf vergrößert, insbesondere in entwurzelten Gemeinschaften, von denen viele bereits seit langer Zeit vertrieben sind. Wir sind auch besorgt über den möglichen Anstieg von Krankheitsausbrüchen wie Cholera.“ Die Teams von Ärzte ohne Grenzen sind bereit zu reagieren und Gemeinden mit sauberem Trinkwasser zu versorgen.

Masisi, Nord-Kivu: Schutzsuchende Menschen in Krankenhäusern verletzt oder getötet

In Nord-Kivu dauern die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der M23/AFC und den Regierungstruppen an. Auch Gesundheitseinrichtungen in Masisi und Mweso sind betroffen. Tausende Menschen suchten Schutz im Krankenhaus und auf dem Gelände von Ärzte ohne Grenzen. Seit Jänner wurden in Masisi mehrere Menschen in oder nahe dem Krankenhaus verletzt oder getötet. Am Sonntag wurde ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums im von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Krankenhaus in Masisi durch eine verirrte Kugel verwundet. In Mweso verzeichnet das von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Krankenhaus einen erheblichen Anstieg an Verwundeten und nimmt zudem Vertriebene auf. Auch hier bedrohen die Kämpfe die Sicherheit von Patient:innen und medizinischem Personal.

Appell: Schutz der Zivilbevölkerung, Sicherstellung medizinischer Versorgung

„Wir fordern alle Konfliktparteien auf, den Schutz der Zivilbevölkerung, der humanitären Helfer:innen sowie der medizinischen Infrastruktur in allen vom Konflikt betroffenen Gebieten zu gewährleisten. Schutzsuchende Menschen dürfen nicht neuerlich gewaltsam vertrieben werden“, so Bachmann abschließend.

Werner Reiter | Ärzte ohne Grenzen

Werner Reiter

Press Officer