24.02.2025
Wir trauern um unseren Kollegen Jerry Muhindo Kavali und erinnern alle Konfliktparteien, dass auch in Kriegen Regeln gelten und das humanitäre Völkerrecht eingehalten werden muss.

Ärzte ohne Grenzen ist bestürzt über den gewaltsamen Tod eines Mitarbeiters in der Demokratischen Republik Kongo. Am Samstag starb Jerry Muhindo Kavali an Schussverletzungen, die er am Donnerstag in Masisi in der Provinz Nord-Kivu erlitten hatte, als Kugeln eine Einrichtung von Ärzte ohne Grenzen trafen. In den vergangenen Tagen hat sich die Sicherheitslage auch in der Umgebung der Stadt Uvira in der Provinz Süd-Kivu dramatisch verschlechtert. Die Bewohner:innen berichten von Plünderungen, zunehmender Gewalt und Kämpfen innerhalb der Stadt. Auch in Uvira wurden medizinische Einrichtungen von Schüssen getroffen.

Jerry Muhindo Kavali war 49 Jahre alt und ein sehr beliebter Kollege. Er war bekannt für seine Freundlichkeit, seine Hingabe und sein unermüdliches Engagement. Er arbeitete seit 2014 für Ärzte ohne Grenzen. Vergangene Woche wurde er von einer Kugel verletzt, die auf das Krankenhaus in Masisi in der Provinz Nord-Kivu abgefeuert wurde, in dessen Umfeld Kämpfe zwischen VDP/Wazalendo und der M23/Alliance Fleuve Congo (AFC) stattfanden. Tags darauf gelang es, ihn nach Goma zu verlegen. Trotz aller Bemühungen des Krankenhausteams konnte er nicht gerettet werden. Ärzte ohne Grenzen steht der Familie des Getöteten in dieser schweren Zeit zur Seite und spricht all seinen Angehörigen und Kolleg:innen in Masisi tiefstes Beileid aus. Die Hilfsorganisation verurteilt den mangelnden Respekt vor humanitären Helfer:innen und Einrichtungen auf das Schärfste, der zu diesem sinnlosen Tod geführt hat. Leider sind solche Vorfälle in diesem Konflikt immer häufiger zu beobachten.

Aktuell sind die Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen und das Masisi-Krankenhaus immer noch voll mit Familien, die dort Schutz vor den Kämpfen gesucht haben, sowie mit Patient:innen, darunter viele Frauen und Kinder, die der Gewalt der letzten Tage zum Opfer gefallen sind.  Allein am 20. Februar wurden in dem Krankenhaus elf Patient:innen mit Schussverletzungen behandelt. Es waren auschließlich Zivilist:innen, sieben von ihnen Frauen und Kinder.

Gefährliche Lage in Uvira, Süd-Kivu

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen berichten von Schießereien im Umfeld medizinischer Einrichtungen in Uvira. „Als wir die Schüsse hörten, mussten wir uns schnell in Deckung begeben, ebenso wie die Patient:innen. Wir mussten unsere Aktivitäten einstellen, was ihre Versorgung und Behandlung verzögerte“, sagt ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann. „Am nächsten Tag kam das Feuer aus allen Richtungen. Also mussten wir zu Hause bleiben. Es kamen dann aber viele Verwundete im Krankenhaus an, weshalb wir als Verstärkung dorthin gingen und das Risiko auf uns nahmen, von einer verirrten Kugel getroffen zu werden.“

Die medizinische Versorgung im Krankenhaus von Uvira musste mehrfach unterbrochen werden. Vor wenigen Tagen drangen Bewaffnete in das Krankenhausgelände ein und feuerten Schüsse ab.

Das Chaos in der Stadt und die ständigen Schießereien schränken die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung stark ein. Selbst Rettungskräfte kommen oft nicht rechtzeitig zu den Einsatzorten. „Ich habe den Überblick über die Tage verloren, weil wir alle betroffen sind. Einige meiner Kolleg:innen wurden Opfer dieses ganzen Chaos, andere wurden zu Hause von bewaffneten Männern ausgeraubt“, berichtet ein Mitarbeitender* von Ärzte ohne Grenzen.

„Diese Verstöße und das extreme Klima der Unsicherheit, das seit mehreren Tagen anhält, sind inakzeptabel“, sagt Caglar Tahiroglu, Koordinator von Ärzte ohne Grenzen für Aktivitäten in Uvira. „Wir fordern alle Konfliktparteien auf, den Schutz von Zivilpersonen, medizinischem Personal und Infrastrukturen so schnell wie möglich sicherzustellen, damit wir die medizinische Versorgung der Bevölkerung fortsetzen können.“

Seit 17. Februar strömen Verwundete in die Krankenhäuser der Region. Jede Einrichtung nimmt täglich etwa zehn Personen auf. Trotz der Unsicherheit leisten die Mitarbeitenden des Gesundheitsministeriums weiterhin Notfallversorgung, unterstützt von Kolleg:innen aus anderen Abteilungen. Insgesamt wurden in wenigen Tagen mehr als hundert Verletzte behandelt.

Viele Menschen suchen nun Schutz im angrenzenden Burundi. Die Behörden in Burundi schätzen, dass seit Anfang Februar mehr als 35.000 Menschen dorthin geflohen sind.

Aufgrund der anhaltenden Unsicherheit musste Ärzte ohne Grenzen seine Teams in Uvira reduzieren. Ursprünglich unterstützte die Organisation dort das Gesundheitsministerium bei der Diagnose und Behandlung von Mpox-Patient:innen. Nun verlagert Ärzte ohne Grenzen einige Aktivitäten, um Kriegsverletzte zu versorgen, und liefert dringend benötigte medizinische Ausrüstung an mehrere Einrichtungen in der Region.

Ärzte ohne Grenzen verurteilt die zunehmende Gewalt gegen medizinische und humanitäre Einrichtungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Alle Konfliktparteien müssen sich daran erinnern, dass auch in Kriegen Regeln gelten und das humanitäre Völkerrecht eingehalten werden muss.

*Die Namen werden zum Schutz und zur Sicherheit der Kolleg:innen nicht genannt.

Werner Reiter | Ärzte ohne Grenzen

Werner Reiter

Press Officer