06.08.2024
Der Zugang zu medizinischer Versorgung hat sich für Palästinenser:innen in Hebron und dem Umland der Stadt rapide verschlechtert. Mehr dazu in unserem neuen Report.

Hebron/Wien, 6. August 2024. Der Zugang zu medizinischer Versorgung hat sich für Palästinenser:innen in Hebron und dem Umland der Stadt rapide verschlechtert. Ursächlich hierfür sind von den israelischen Streitkräften verhängte Restriktionen und von israelischen Soldat:innen und Siedler:innen ausgeübte Gewalt, berichtet Ärzte ohne Grenzen in dem heute veröffentlichten Report „Occupied lives: the risk of forcible transfer of Palestinians in Hebron“.

Die Bewegungseinschränkungen, Schikanen und Gewalt durch die israelischen Streitkräfte und Siedler:innen fügen den Palästinenser:innen in Hebron großes und unnötiges Leid zu", sagt Frederieke van Dongen, Referent:in für humanitäre Angelegenheiten von Ärzte ohne Grenzen. „Das hat katastrophale Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit der Menschen."

Kliniken des Gesundheitsministeriums im gesamten Gouvernement Hebron mussten schließen und den Apotheken gehen viele Medikamente aus. Darüber hinaus wurden Krankenwagen bei ihrer Arbeit behindert und angegriffen. Angesichts der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Androhung von Gewalt zögern viele Kranke den Arztbesuch hinaus oder haben keine andere Wahl, als ihre Behandlung ganz abzubrechen. Auch sind Familien in ganz Hebron durch den Verlust ihrer Existenzgrundlage in große finanzielle Schwierigkeiten geraten, was viele dazu zwingt, ihre Krankenversicherung zu kündigen, ihre Ernährung einzuschränken und auf wichtige Medikamente zu verzichten, die sie sich nicht mehr leisten können.

Eines der am stärksten betroffenen Gebiete im Westjordanland ist das sogenannte H2, wo 21 ständige Kontrollpunkte der israelischen Streitkräfte die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bewohner:innen einschränken und den Zugang des medizinischen Personals zu diesem Gebiet erheblich erschweren. Nach dem 7. Oktober waren die Kliniken des Gesundheitsministeriums in H2 zwei Monate lang geschlossen. Nur eine Klinik konnte später wieder geöffnet werden, da die meisten Mitarbeitenden des Gesundheitsministeriums keine Erlaubnis hatten, den israelischen Kontrollpunkt nach H2 zu passieren.

In den Monaten unmittelbar nach den Anschlägen vom 7. Oktober waren die Bewegungseinschränkungen und die Gewalt im H2-Gebiet der Stadt Hebron so stark, dass die Patient:innen unter Lebensgefahr über Zäune und Dächer kletterten, um Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten", sagt van Dongen.

Die ständige Bedrohung durch Gewalt belastet die psychische Gesundheit der Menschen schwer, berichten Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen. „Wenn Soldat:innen nachts in unser Haus eindringen, verstecken sich meine Kinder und meine Frau zum Schutz hinter mir, aber ich kann sie nicht beschützen", sagt ein palästinensischer Patient in Masafer Yatta in den südlichen Hebron-Bergen. „Sie haben die Macht; sie können tun, was sie wollen."

Der Bericht von Ärzte ohne Grenzen wirft auch ein Licht auf Vertreibungen im Gouvernement Hebron. Laut Ärzte ohne Grenzen zwingen die israelischen Behörden und Siedler:innen immer mehr palästinensische Familien dazu, aus ihren Häusern zu fliehen. Seit Oktober 2023 hat die Organisation auf die dringenden Bedürfnisse von mehr als 1.500 Palästinenser:innen in Hebron reagiert, die entweder gewaltsam aus ihren Dörfern vertrieben wurden oder deren Häuser abgerissen und deren Besitz zerstört wurde.

Trotz ihrer Verantwortung als Besatzungsmacht sind die israelischen Behörden ihren Verpflichtungen gegenüber der palästinensischen Bevölkerung nicht nachgekommen", so van Dongen.

Die israelische Politik in Hebron hat bereits jetzt weitreichende Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Palästinenser:innen. Die israelischen Behörden müssen den ungehinderten Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen wichtigen Dienstleistungen gewährleisten. Des Weiteren ist es ihre Pflicht, die Palästinenser:innen vor Zwangsvertreibung zu schützen und die sichere Rückkehr der Vertriebenen in ihre Häuser zu ermöglichen.