28.09.2021
Millionen von Frauen entscheiden sich jährlich für einen Schwangerschaftsabbruch. Die wenigsten sprechen darüber. Drei Frauen berichten von ihren Erfahrungen.

Schwangerschaftsabbrüche sind keine Seltenheit - Millionen von Frauen aller Altersgruppen, Nationalitäten und Religionen entscheiden sich jedes Jahr für einen Schwangerschaftsabbruch. Doch nur die wenigsten von ihnen sprechen darüber. Selbst dort, wo Schwangerschaftsabbrüche legal sind, werden Frauen, die sich dafür entscheiden, oft stigmatisiert. So wird diese Erfahrung, die eigentlich von vielen Menschen geteilt wird, zum Tabuthema mit negativen Folgen für Frauen weltweit.

In unserer Kultur gilt man als Hexe, wenn man einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt.

Patientin

Unsichere Schwangerschaftsabbrüche sind eine der Hauptursachen für den Tod von Müttern weltweit. Dabei bleibt sie die einzige Ursache, die fast vollständig vermeidbar ist. Jeden Tag werden unsere Teams auf der ganzen Welt Zeugen von Todesfällen und Verletzungen, die durch unsichere Versuche, Schwangerschaften zu beenden, verursacht werden. 

30.000 sichere Schwangerschaftsabbrüche weltweit

Unsere Teams arbeiten Tag für Tag daran, diese tragischen Todesfälle zu verhindern und Frauen, die sie brauchen, sichere Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen. Seit den letzten fünf Jahren steigen die Zahlen von sicheren Abbrüchen – nicht zuletzt weil immer mehr Frauen mit dem Wunsch eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs zu uns kommen.

Im Jahr 2020 haben unsere Teams mehr als 30.000 sichere Schwangerschaftsabbrüche in unseren Gesundheitseinrichtungen auf der ganzen Welt durchgeführt. 

Anlässlich des Internationalen Tags des sicheren Schwangerschaftsabbruchs am 28. September und darüber hinaus möchten wir dazu beitragen, das Stigma des Schwangerschaftsabbruchs zu überwinden. 
 

Ich möchte, dass wir das Tabu des Schwangerschaftsabbruchs brechen und Menschen, die sich dafür entscheiden, wie normale Menschen behandeln.

Patientin

Drei unserer Patientinnen und ihre Angehörigen sprechen hier über ihre Erfahrungen. Von sicheren und unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen:

"Mädchen verlieren ihr Leben"

"Es waren zwei junge Mädchen aus derselben Familie - beide 15 Jahre alt und schwanger. Sie wollten ihre Schulausbildung fortsetzen. Nachdem sie den Rat ihrer Freund:innen eingeholt hatten, gingen sie heimlich in den Wald, um traditionelle Kräuter zu suchen.

Sie bereiteten die Kräuter zu und tranken sie in dem Glauben, dass dieses Mittel einen Schwangerschaftsabbruch bewirken würde. Das Mittel führte zu Komplikationen bei beiden Mädchen, ihre Bäuche schwollen an. Sie hatten Schmerzen und weinten.

Ihre Eltern brachten sie ins Krankenhaus. Beide Mädchen starben innerhalb weniger Minuten - an einer Vergiftung durch die traditionellen Pflanzen, die sie zur Einleitung des Schwangerschaftsabbruchs verwendeten. Das kommt hier häufig vor.

Normalerweise ist es in unserem Land schwierig, über Probleme wie ungewollte Schwangerschaften zu sprechen. Unsere Traditionen und Tabus erschweren es. Junge Mädchen haben Angst, dass sie verprügelt oder aus der Familie geworfen werden, wenn ihre Eltern erfahren, dass sie schwanger sind. Das ist sehr schmerzhaft. Wir sollten darüber reden können. Die Mädchen verlieren ihr Leben."

- Angehörige aus der Demokratischen Republik Kongo
 

"Meine ganze Familie hat mich unterstützt"

"Wenn wir in Venezuela gefrühstückt haben, hatten wir nichts zu Mittag. Wenn wir zu Mittag gegessen haben, gab es kein Abendessen. Manchmal haben wir mittags etwas gegessen und ein wenig für später übrig gelassen. 

Wir kamen mit sehr wenig Geld nach Kolumbien.

Ich musste einige meiner Kinder mit meiner Mutter zurück nach Maracaibo, unsere Heimatstadt in Venezuela, schicken, weil sie hier nicht zur Schule gehen konnten. Ich bin mit meiner Tochter hier geblieben und unser Alltag ist schwierig. Es gibt hier keine Arbeit.

Ich wusste nicht, dass ich schwanger war. Ich kam in die Klinik von Ärzte ohne Grenzen, weil ich Zahnschmerzen und Fieber hatte. Als ich sah, dass sie Verhütungsmittel verteilten, bat ich um welche. 

Sie sagten, ich müsse erst einen Schwangerschaftstest machen. Er sah negativ aus, aber als ich schon gehen wollte, erschien die andere Linie. Ich kam weinend zurück. Das Team brachte mich zu einem Psychologen von Ärzte ohne Grenzen.

Mein Arzt in Venezuela hatte gesagt, es sei für mich gefährlich, wieder schwanger zu werden. Ich habe bereits vier Kaiserschnitte hinter mir. Ich hätte alles dafür getan, diese Schwangerschaft beenden könnte. Es gibt viele Möglichkeiten - es gibt Pflanzen, es gibt Dinge, die man trinken kann. Ich konnte nicht wieder schwanger werden, denn ich wollte nicht sterben.

Am nächsten Tag schickte mich das Team von Ärzte ohne Grenzen ins Krankenhaus, um die Pillen für den Schwangerschaftsabbruch zu bekommen. Meine ganze Familie unterstützte mich dabei. Ich habe bereits Kinder. Ich möchte sie groß werden sehen.

Jetzt habe ich ein Implantat erhalten, das mich fünf Jahre lang daran hindert, schwanger zu werden. Glücklicherweise hat mir Ärzte ohne Grenzen die Verhütungsmethode kostenlos zur Verfügung gestellt - in Maracaibo wäre es zu teuer gewesen."

- Patientin aus Venezuela
 

"Das Tabu brechen"

"Ich spürte Veränderungen in meinem Körper und merkte, dass ich schwanger war.

Aufgrund der Umstände und anderer Probleme in meinem Leben musste ich einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Es ist schwierig für mich, für die Kinder, die ich bereits habe, zu sorgen - ich verdiene Geld, indem ich Lebensmittel und Zigaretten auf der Straße verkaufe und ab und zu die Häuser anderer Leute putze. Und mein Partner unterstützte die Schwangerschaft nicht.

Ich sprach mit einigen Menschen, denen ich vertraue. Sie erklärten sich bereit mir bei dem Schwangerschaftsabbruch zu helfen. Sie zeigten mir, welche Kräuter ich verwenden sollte, und ich trank sie. 

Zunächst passierte nichts. Nach ein paar Tagen kamen die Schmerzen. Ich begann zu bluten und fühlte mich sehr schwach. Ich habe sehr gelitten, also bin ich zu einem Arzt gegangen. 

Ich hatte eine Infektion entwickelt. In der Klinik entfernten sie die Reste meiner Gebärmutter und ich fühlte mich besser. 

Hier, im Osten der Demokratischen Republik Kongo, ist es nicht leicht, mit den Menschen über so etwas zu sprechen. Ich habe nur einigen wenigen Leuten erzählt, was passiert ist, aber ich kann es sonst niemandem sagen, nicht einmal meiner Mutter. 

Wenn ich es jemandem erzähle, hält man mich für ein Monster. In unserer Kultur gilt man als Hexe, wenn man einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt. Viele Frauen machen das heimlich. Das kann gefährlich sein oder sie sterben sogar daran. Genau das wäre mir fast passiert.

Ich möchte, dass wir das Tabu brechen und Menschen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, wie normale Menschen behandeln."

- Patientin aus der Demokratischen Republik Kongo
 

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