Kommentar von Diyani Dewasurendra
19.08.2024
Die österreichische Ärztin Diyani Dewasurendra hat auf ihrem Einsatz im Südsudan erlebt, wie verschmutztes Wasser krank macht. Sie erzählt, wie Händewaschen und Flüssigkeitsgaben helfen, und was ein Kohlefilter bewirkt.

Seit ich auf Einsatz war, gehe ich anders mit Wasser um. Diese Selbstverständlichkeit, den Wasserhahn aufzudrehen und einfach laufen zu lassen. Man hört damit auf, wenn man erlebt hat, dass Menschen kein sauberes Wasser haben. 

Ich war schon im Libanon, in Malawi, Gaza und im Südsudan. Vor allem im Südsudan ist die Wasserversorgung ein riesiges Problem. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Brunnen oder Pumpen, und damit zu sauberem Wasser. Sie müssen zum Fluss gehen, um Wasser zu holen. 

Wie die Menschen zu Wasser kommen?

Jeden Tag habe ich gesehen, wie junge Frauen 20-Liter-Kanister tragen. Wasserholen ist im Südsudan Frauensache. Aber es ist auch eine Frage der Sicherheit. Die Wege sind nicht abgesichert, es gibt kein Licht. Und die Frauen müssen mehr als einmal am Tag kilometerweit zum Fluss gehen. Das ist nicht ungefährlich, auch wenn die Frauen zu zweit gehen. Aber es gibt keine Alternative, denn das ist ihre einzige Wasserquelle: Zum Trinken, Kochen und um sich selbst und die Wäsche zu waschen.

Einmal haben wir ein großes Rindersterben erlebt. Hunderte Kadaver sind unmittelbar am Ufer gelegen. Aber wenn der Fluss die einzige Wasserquelle ist, was bleibt den Menschen anderes übrig, als dieses Wasser zu trinken? Gleichzeitig ist vielen nicht bewusst, dass das Wasser verschmutzt sein könnte. Dabei kann unsauberes Wasser viele Krankheiten auslösen: Durchfall, Typhus, Polio oder Hepatitis

A woman with her children living in the wood shelter in Bentiu
Isaac Buay/MSF
Wasserholen ist im Südsudan meistens Frauensache.

Nie erlebtes Ausmaß

Als ich in Malakal im Südsudan war, habe ich in zwei Krankenhäusern gearbeitet. Eines war auf Kinder spezialisiert, eines auf Erwachsene. Wir hatten eine allgemeine Notaufnahme: Die Menschen sind mit allen möglichen Erkrankungen gekommen, weil es sonst kaum medizinische Versorgung gab. Die Krankheiten mit der höchsten Sterblichkeitsrate waren Malaria, Durchfallerkrankungen, Masern – und dann noch Cholera. Wir haben auch Patient:innen mit Tuberkulose, HIV-AIDS und mit chronischen Krankheiten behandelt.

Im Südsudan habe ich erstmals ein gravierendes Ausmaß an Mangelernährung erlebt: Da haben wir Kinder vier oder fünf Mal hintereinander im Krankenhaus aufgenommen. Weil sie keine drei Mahlzeiten am Tag bekommen haben, sind sie bald wieder da gewesen. Weil die Nahrungsversorgung wegen den Dürren so schwierig war. Das war sehr schwer für mich. Wir arbeiten mit anderen Organisationen zusammen, die beispielsweise Nahrungsmittel verteilen, um nachhaltiger zu sein.

Als die Cholera ausbrach

Im März 2023 ist in Malakal dann auch noch Cholera ausgebrochen. Wir haben sofort im Krankenhaus eine Isolierstation aufgesetzt und dort die Cholera-Patient:innen behandelt. Dafür haben wir eine alte COVID-Station umgebaut. Herausfordernd war, dass wir auch eine Masern-Isolierstation im Krankenhaus hatten. Da mussten wir sehr genau darauf achten, dass die beiden Stationen mit den hochansteckenden Krankheiten separiert sind. Und wir haben laufend die Wasserqualität bestimmt. Das ist natürlich für unsere Wasserpumpen und -hähne extrem wichtig, damit da keine Verkeimung stattfindet.

Cholera ist sehr ansteckend, eine weitere Ausbreitung muss verhindert werden. Wir haben also Waschanlagen installiert. Unsere Gesundheitshelfer:innen haben in der Gemeinde erklärt, wie wichtig Hygiene und Händewaschen ist. Und was bei ersten Symptomen zu tun ist. Cholera und andere Durchfallerkrankungen können gerade bei Kindern schnell tödlich enden: Da sind Rehydrierungsmittel, also Elektrolyte in Flüssigkeit angerührt, lebensrettend.

Wechsel von Dürre und Regen

Im Südsudan kommt es immer wieder zu Dürreperioden. Wenn es monatelang nicht regnet, dann können Wasserquellen versiegen. Alles wird schwieriger für die Menschen: Die Versorgung mit Wasser und mit Nahrung. 

Wenn dann im Südsudan die Regenzeit einsetzt, kommt es oft zu Überschwemmungen. Und gleichzeitig kommt die Malaria-Zeit: Überträger sind Moskitos, und die brüten im Wasser und vermehren sich rasant. Wir sind dann gefordert, viele Malaria-Patient:innen gleichzeitig zu behandeln. Zur Prävention teilen wir Moskitonetze aus, vor allem an Risikohaushalte, also dort wo Schwangere und kleine Kinder leben.

Mit dem Boot unterwegs

Neben meiner Arbeit im Krankenhaus bin ich mit dem Boot in entlegene Dörfer gefahren. Da sieht man erst, wie schwierig die medizinische Versorgung für die Menschen ist. Denn es gibt keine regulären Bootstaxis – und damit keine Möglichkeit ins Krankenhaus zu kommen. Außerdem fährt man oft zwei bis sechs Stunden mit dem Boot in eine Richtung. Wir haben die Menschen in den Dörfern behandelt und auch ins Krankenhaus mitgenommen.

Boot auf dem Weg nach Malakal
Manon Massiat/MSF
Stundenlange Bootsfahrten sind notwendig, um entlegene Dörfer zu erreichen.

Sauberes Wasser bereitstellen

Was ein wichtiger Schritt war: In abgelegenen Gemeinden haben wir den sogenannten Paul-Wasserturm mit Zapfhahn errichtet. Ein Kohlefilter reinigt das Wasser. So werden über Jahre täglich mindestens 1.200 Liter Wasser gefiltert – das reicht für 400 Menschen aus. Das war eine Sensation für die Bewohner:innen. 

In Malawi setzen wir beispielsweise den Lifestraw ein: Das ist eine geniale Erfindung, die es in allen Größen gibt. Dieser Strohhalm filtert das Wasser und macht es trinkbar. Man kennt vielleicht die Fotos, wo Kinder direkt an eine Pfütze gehen und mit dem Lifestraw daraus trinken. Es gibt so viel Innovation und so viele Möglichkeiten. Weltweit setzen wir verschiedene Filtermethoden ein. Gleichzeitig installieren wir Wasserpumpen und bereiten Wasser mit Chlor auf. Denn sauberes Wasser ist enorm wichtig, damit Menschen gesund bleiben. Und das rettet Leben!