Noteinsatz in Haiti: Tag 20

01.02.2010
Nach wie vor Hochbetrieb in Operationssälen, allmähliche Veränderung der medizinischen Bedürfnisse

Themengebiet:

Erdbeben in Haiti
Benoit Finck / MSF
Port-au-Prince, Haiti, 25.01.2010: Operation im aufblasbaren Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen

Die Nothilfeeinrichtungen von Ärzte ohne Grenzen in Haiti behandeln noch immer sehr viele Menschen. Der Zustand der Patienten, die eintreffen, verändert sich aber allmählich: Es kommen weniger Menschen mit Verletzungen, die direkt durch das Erdbeben entstanden sind, vielmehr zeigen sich jetzt die indirekten Auswirkungen der Katastrophe auf die Gesundheit. So kommen beispielsweise mehr Kinder mit Durchfall, und es gibt auch einige Fälle der sehr gefährlichen Infektionskrankheit Tetanus. Außerdem zeigen sich bei immer mehr Menschen körperliche Symptome, die Folgen eines seelischen Traumas sind.

Die Operationssäle sind noch immer stark ausgelastet. Die zwei Teams in der Stadt Leogane operieren etwa 30 Patienten am Tag. Gleiches gilt für das Team im Krankenhaus im Stadtteil Carrefour. Im aufblasbaren Krankenhaus in St. Loius werden weiterhin komplizierte Brüche versorgt. Die Chirurgen im Krankenhaus Choscol behandeln unter anderem auch Schusswunden und Verletzungen durch Autounfälle.

Die operative Nachsorge kann ausgeweitet werden, da entsprechende Räumlichkeiten gefunden und ausgestattet wurden. Die Einrichtung mit 100 Betten in Delmas 30 wird noch in dieser Woche Patienten aufnehmen. In Bicentaire stehen 60 Betten unter Zeltplanen zur Verfügung, und in Port-au-Prince wurde die Arbeit auf dem Gelände eines Gymnasiums aufgenommen.

Es gibt Befürchtungen, dass bei Patienten, die nicht in den Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen versorgt wurden, die nötigen Überweisungen in Nachsorgeeinrichtungen nicht erfolgen. Daher haben Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen damit begonnen, nach solchen Fällen zu suchen.

In den Krankenhäusern von Ärzte ohne Grenzen gibt es einige Kinder, die therapeutische Zusatznahrung benötigen. Bislang ist noch unklar, ob ihre Mangelernährung Folge eines umfassenderen Nahrungsmittelproblems ist.

 

Ausweitung der psychologischen Hilfe

 

Wegen der psychischen Auswirkungen des Erdbebens auf so viele Menschen hat Ärzte ohne Grenzen die psychologischen Programme ausgeweitet. Die mobilen Teams, die in Port-au-Prince bis zu 140 Patienten täglich behandeln, wie auch die Gesundheitsposten in den Städten Dufour und Darbon, werden jetzt von einem Psychologen unterstützt. In Leogane finden rund 20 Prozent der Behandlungen wegen psychischer Probleme statt.

Die Aktivitäten im Wasser- und Sanitärbereich nehmen ebenfalls zu. An vielen Orten, in denen Ärzte ohne Grenzen medizinische Einrichtungen hat, unterstützt die Organisation die lokalen Gemeinden mit lebenswichtiger Wasserversorgung. Im internationalen Lager Grace liefert Ärzte ohne Grenzen Wasser für 15.000 Menschen. In der Stadt Jacmel wurden Latrinen, Duschen und eine Wasserversorgung eingerichtet, da sie in der Nähe des Krankenhauses St. Loius ist. Das dortige Team versucht nun, diesen Service auch für die kleineren Lager entlang der Straße außerhalb der Stadt bereitzustellen.

Fotoslideshow: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Auch zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti ist der medizinische Bedarf unvermindert.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Immer mehr Patienten suchen die Kliniken nun mit Infektionen oder Komplikationen auf, häufig in Folge unzureichender Behandlungen in den ersten chaotischen Tagen der Katastrophe.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Die Anzahl von Patienten mit dem sogenannten Crush-Syndrom hat ebenfalls zugenommen. Dabei können starke Muskelverletzungen unbehandelt zu Nierenversagen und zum Tod führen.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Mithilfe von Dialysen können diese Patienten gerettet werden. Zu den Teams von Ärzte ohne Grenzen gehören daher auch erfahrene Nierenspezialisten.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Infolge des Nachbebens vom vergangenen Mittwoch sind zwei der Krankenhäuser, in denen Ärzte ohne Grenzen arbeitete, einsturzgefährdet. Die Patienten wurden verlegt.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Doch auch wo kein Einsturz droht – wie im Choscal Krankenhaus –, bleiben die Menschen aus Angst vor weiteren Nachbeben lieber in Zelten vor dem Gebäude.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Benoit Finck
26.01.2010: In dem aufblasbaren 100-Betten-Krankenhaus - hier während des Aufbaus auf einem Fußballfeld in Port-au-Prince - operiert Ärzte ohne Grenzen seit Montag in zwei neu eingerichteten OP-Sälen.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Die Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten Tag und Nacht. Durchschnittlich 130 Operationen führten die Chirurgen in der vergangenen Woche täglich durch.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Hinter jeder dieser Zahlen verbirgt sich ein persönliches Schicksal - wie das von Aristide Louissain, 25 Jahre alt. Sie stand kurz vor ihrem Diplom. Zusammen mit ihrer Mutter, die Stickerei unterrichtete, befand sie sich in der Schule, als die Erde zu beben begann. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Dach auf uns fallen würde. Es ging so schnell.“
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: „Ich hatte Glück, nur mein Handgelenk ist gebrochen“, sagt sie. Doch ihr Haus ist zerstört, und sie hat ihre Mutter in den Trümmern der Schule verzweifelt gesucht, ohne Erfolg. “Ich weiß nicht, wie es ohne sie weitergehen soll.“
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Jonas François befand sich während des Erdbebens auf der Straße. Durch eine Explosion erlitten er und seine Frau, Hélène Remy, schwere Verbrennungen. Ärzte ohne Grenzen behandelte sie beide, doch seine Frau erlag ihren Verletzungen. Für seinen 14-jährigen Sohn, den er nun allein versorgen wird, muss Jonas François schnell wieder gesund werden.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Auch außerhalb der Hauptstadt suchen die Teams die Gebiete auf, in denen medizinische Hilfe noch fehlt. In Jacmel ist das Krankenhaus zerstört, hier die ehemalige Kinderstation.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Das Erdbeben und seine verheerenden Auswirkungen hinterlassen nicht nur körperliche Wunden. Ärzte ohne Grenzen hat begonnen, psychologische Hilfe für die traumatisierten Menschen anzubieten.
Haiti 2010: Zwei Wochen nach dem Erdbeben
Julie Rémy
26.01.2010: Spezialisten kümmern sich nicht nur um Patienten, sondern auch um Mitarbeiter, die die Katastrophe miterlebt haben.

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