16.08.2021
Nach dem Erdbeben leisten unsere Teams in Haiti medizinische Nothilfe, die Schäden sind enorm, viele Orte sind nur schwer erreichbar.

Themengebiet:

Am Samstag, den 14. August um 8:30 Uhr Ortszeit erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richterskala den Süden Haitis, insbesondere die Provinzen Grand'Anse, Nippes und Sud. Die Erschütterungen waren in weiten Teilen des Landes zu spüren.  

Nach Angaben der haitianischen Behörden wird die Zahl der Todesopfer vorläufig auf 2200 und die der Verletzten auf 12.200 geschätzt (Stand: 25.8.) Im Moment ist es schwierig, ein vollständiges Bild von der Katastrophe zu bekommen.

Unsere Teams vor Ort haben damit begonnen, verschiedene Ortschaften abzufahren und die Lage dort zu evaluieren. In den Städten Port-Salut, Les Cayes und Jérémie leisten wir bereits medizinische Nothilfe. Wir haben begonnen, Hilfsgüter nach Haiti zu fliegen. Die erste Lieferung von 100 Tonnen Material hat das Lager in Brüssel verlassen, ein weiterer Transport wird vorbereitet.

Haiti 2021 Earthquake Response Map
MSF
Die Karte zeigt das Epizentrum des Erdbebens.

100 Tonnen Hilfsgüter unterwegs

Ärzte ohne Grenzen hat am Wochenende damit begonnen, Hilfsgüter nach Haiti zu fliegen. Die erste Lieferung von 100 Tonnen Material hat das Lager in Brüssel verlassen, ein weiterer Transport wird vorbereitet. Unterdessen erreichen zunehmend auch Verletzte aus entlegeneren Dörfern die Kliniken und suchen Hilfe. „Wir operieren täglich bis Mitternacht, um so viele Patienten wie möglich zu versorgen“, sagt Xavier Kernizan, haitianischer Chirurg für Ärzte ohne Grenzen in Jérémie. „Auch viele Ärzte aus der Hauptstadt oder anderen Städten sind auf eigene Faust in die Erdbebenregion gekommen, um zu helfen.“

Das Frachtflugzeug ist mit medizinischem Material, Zelten und Ausrüstung zum Aufbau einer Wasser- und Sanitärversorgung für 30.000 Menschen auf dem Weg in die Krisenregion. Erste Lastwagen mit Trinkwasser sind bereits in Haiti im Einsatz.

Die Schäden an der Infrastruktur in den, am stärksten vom Erdbeben betroffenen, Regionen sind enorm. Zehntausende Gebäude sind zerstört. 

Zahlreiche öffentliche Gebäude, wie Krankenhäuser, Schulen, Hotels und Kirchen, wurden beschädigt oder stürzten ein. Einige Krankenhäuser mussten ihre Patient:innen evakuieren. Viele Einrichtungen sind überfordert, und es mangelt an medizinischer Ausrüstung und Medikamenten.  

Erste Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben

Helicopter to Grand Anse
MSF
Medizinischer Hilfsgüter werden von Port-au-Prince nach Grand Anse geflogen.

In den ersten Stunden nach dem Erdbeben begann unser Team in Port-à-Piment im Allgemeine Krankenhaus von Les Cayes Verletzte zu behandeln. Ein weiteres Team wurde sofort in das Krankenhaus von Port-Salut entsandt, um das Teams dort zu unterstützen.

In der Provinz Grand'Anse schickten wir ein chirurgisches Team und Sterilisationsgeräte in das Krankenhaus St. Antoine in der Stadt Jérémie. In der Provinz Nippes unterstützen wir das Krankenhaus Sainte-Thérèse in Miragoâne mit medizinischem Equipment.

"Unsere derzeitigen Prioritäten bestehen vor allem darin, uns ein genaues Bild von der medizinischen Situation zu machen und die Verletzten direkt zu versorgen. Und wenn sie stabil sind, versuchen wir sie an funktionierende medizinische Einrichtungen zu überweisen"

- Projektleiterin von Ärzte ohne Grenzen in Haiti.

Derzeit werden in Baradères, Petit Trou, Les Anglais, Corail und Pestel mehrere Evaluierungen durchgeführt. Je nach den Gegebenheiten vor Ort kann Ärzte ohne Grenzen weitere medizinische Teams entsenden, mit der Verteilung von lebenswichtigen Gütern beginnen oder Maßnahmen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung einleiten. 
 

Die größten Herausforderungen

Viele wichtige Straßen und Verkehrswege sind zerstört. Das macht den Transport von Personal, Patient:innen und medizinischer Ausrüstung zu einer der größten Herausforderungen im Moment. 

Das im äußersten Südwesten des Landes gelegene Jérémie war über die zerstörte Straße für das Team von Ärzte ohne Grenzen nicht mehr erreichbar. Nur per Hubschrauber gelangten die Helfer:innen in die betroffene Stadt. „Ärzte und Pfleger vor Ort hatten bereits außergewöhnliche Arbeit geleistet mit den begrenzten Mitteln, die sie zur Verfügung hatten“, sagt der Chirurg. Doch die Unterstützung durch mehr Personal wurde dringend gebraucht. Per Helikopter werden nun auch Schwerverletzte zur Behandlung in die Hauptstadt gebracht.

Insgesamt hat Ärzte ohne Grenzen rund 1000 Mitarbeitende im Haiti im Einsatz.

"Mehrere Gesundheitseinrichtungen mussten ihre Patient:innen wegen struktureller Schäden oder aus Angst vor Nachbeben aus ihren Gebäuden evakuieren, so auch das Krankenhaus St. Antoine in der Stadt Jérémie, in dem wir arbeiten. Viele Patient:innen sind im Freien oder in Zelten untergebracht, und es werden schwere Regenfälle erwartet", berichtet Michel-Olivier Lacharité, Notfallkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen.
 

Haiti earthquake
Richard Pierrin/Getty Images/AFP
Viele Patient:innen werden zurzeit im Freien behandelt.

Unsere Hilfe in Port-au-Prince

In Port-au-Prince hat das Erdbeben glücklicherweise keine Infrastruktur oder Gebäude beschädigt. Wir behandeln dort Verletzte in unserem Notfall-Krankenhaus in Tabarre, die aus den südlichen Regionen überwiesen werden. 

Am 15. August begannen wir außerdem in einer neuen Notfallklinik im Stadtteil Turgeau in Port-au-Prince Verletzte zu behandeln. Die Klinik hätte erst im Laufe der Woche eröffnet werden sollen. 

Um einer möglichen Blutknappheit entgegenzuwirken, starteten unsere Teams am 14. August in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden eine Blutspende-Aktion in Turgeau. 

Blood collection in Port-au-Prince
MSF
Blutspende-Aktion in Port-au-Prince

Fortsetzung der regulären Hilfsaktivitäten

Ärzte ohne Grenzen ist seit über 30 Jahren in Haiti präsent. Unsere regulären Aktivitäten werden fortgesetzt, unter anderem im Tabarre-Krankenhaus in Port-au-Prince, wo unsere Teams schwere Verbrennungen sowie Menschen mit lebensbedrohlichen Verletzungen behandeln. In Port-a-Piment haben wir eine Klinik für sexuelle und reproduktive Gesundheit. Außerdem behandeln wir Betroffene von sexueller Gewalt in Port-au-Prince und Gonaïves. 

Jetzt unsere internationalen Hilfseinsätze unterstützen