Vergiftet durch schlechte Medikamente

17.01.2017
Neuer Fachartikel von Ärzte ohne Grenzen zeigt: Toxische Substanz in gefälschten Medikamenten löst Krämpfe aus. Derzeit wird untersucht, wie diese mangelhaften Arzneimittel auf den Markt kommen konnten.
Simphiwe Zwide - MSF Treatment For TB in South Africa.
Sydelle WIllow Smith
Simphiwe holds his medication, he takes up to 26 pills a day to treat XDR-TB. Here he holds his morning selection, which includes delamanid, one of the newest DR-TB drugs, which Simphiwe is taking for the first time today. Simphiwe Zwide, 43 years, lives in a one-bedroom house with his wife, Nomonde Tyala, and children in Kuyasa, Khayelitsha. Simphiwe was first diagnosed with MDR-TB in 2011. He completed six months of treatment, but when he learned that he had pre-XDR-TB and would need even more treatment, he lost heart and returned to work. In June 2016, he presented back to his Khayelistha clinic as he had fallen ill again. This time test results showed he had XDR-TB. He took his first delamanid tablets on 12 October, as part of a strengthened regimen for XDR-TB. Simphiwe’s current regimen: Delamanid, bedaquiline, linezolid, levofloxacin, terizidone, clofazimine, ethionamide Simphiwe Zwide: “In 2011, my wife had TB and they admitted her into Jooste District Hospital. I visited her for over a week. When she came out of hospital, I fell sick. I couldn’t eat, my body was painful, my throat was sore – I thought I had a virus. My wife tried to cook – sour milk and maize meal. I couldn’t swallow. I had to drink many cups of water. I was sweating – I couldn’t walk even couple of metres. My wife was very supportive of me. She would leave me taxi money and go and stand in the hospital queue for me from 5am. I started to feel my health returning and I felt like I could work again. I’m the breadwinner, and we were all suffering. I was the only one who could work for my family. I was taking clofazamine injections which meant that I had to attend the clinic every day and this was preventing me from finding a job. I was between Johannesburg and Cape Town looking for work between 2012 to the end of 2016. Then in January 2016, I started to get sick again. I couldn’t work like I’m used to. I came back to Khayelitsha, now I’m here at Kuyasa clinic getting treated for XDR-TB. I’m joining a support group soon. I’m a jack of all trades - I learned to be a cleaner, I was piping donuts down at Monte Vista. I do construction, I bake cakes. My big brother taught me how to bake and my cousin is a confectioner. I’ve been on treatment (including linezolid and bedaquiline ) for two months now. Sometimes I take 26 pills a day. When I take them, I have to sleep the whole day. But I’m feeling much better, I can’t say I’m 100% but this is only my third month. I know who I am, I’m strong and I want my health back.”

Über 1.000 Menschen mussten in der Demokratischen Republik Kongo im Spital betreut werden, weil sie unter den toxischen Wirkungen „gefälschter“ oder falsch gekennzeichneter Medikamente litten. Ärzte ohne Grenzen veröffentlichte am 17. Jänner 2017 im medizinischen Fachjournal The Lancet darüber einen wissenschaftlichen Artikel, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Derzeit wird untersucht, wie diese Substanzen auf den Markt kommen konnten.

Ein steifer Nacken, unfreiwillige Muskelkontraktionen: Mit diesen Symptomen kamen Ende 2014 die ersten Patienten in die Gesundheitszentren des Distrikts Ituri in der Nähe der Grenze zu Uganda. Bis zum August 2015 wurden über 1.000 Patienten in Gesundheitseinrichtungen eingewiesen, die von Ärzte ohne Grenzen und dem Gesundheitsministerium betrieben werden.

Das Gesundheitspersonal befürchtete zuerst einen Meningitis-Ausbruch. Weiterführende Ermittlungen wiesen jedoch darauf hin, dass die Symptome eher durch eine toxische Substanz verursacht wurden, die von den Patienten eingenommen worden war. Mithilfe von Proben, die aus häufig verschriebenen Arzneimitteln entnommen wurden, konnte der Giftstoff auf ein Medikament zurückgeführt werden: Es wurde als Diazepam verkauft, enthielt jedoch Haloperidol – ein antipsychotisches Medikament, das zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt wird.

Florentina Rafael/MSF
Ariwara/Ituri, D.R. Kongo, 03.07.2015: Ärzte ohne Grenzen startete gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden eine Untersuchung, um herauszufinden, ob mangelhafte Medikamente die Muskelkrämpfe auslösen.

Substanz löst unfreiwillige Krämpfe aus

Diazepam wird gewöhnlich bei verschiedensten Erkrankungen eingesetzt, unter anderem bei Angstzuständen und Anfällen. In der Region Ituri ist der Gebrauch sogar noch vielfältiger: „Patienten erhalten es zur Behandlung von Schlafstörungen bis hin zu Kopfschmerzen und sogar
Malaria“, erklärt Dr. Nicolas Peyraud von Ärzte ohne Grenzen. Haloperidol ist dafür bekannt, dass es akute dystone Störungen – unfreiwillige Muskelkontraktionen – verursacht. „Diese Muskelkontraktionen von Gesicht, Augen, Zunge, Nacken oder Armen sind selten lebensbedrohlich, lösen bei Patienten aber oft Not, Panik und Scham aus“, sagt Dr. Peyraud.

Ärzte ohne Grenzen hat sofort das Gesundheitsministerium der Demokratischen Republik Kongo und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) alarmiert, die eine Untersuchung der verdächtigen Produkte veranlasst haben. Derzeit wird ermittelt, wie die falsch beschrifteten Medikamente auf den Markt gelangen konnten. Der Fall ist komplex – es könnte sich um absichtlich gefälschte oder allgemein minderwertige Medikamente handeln.

Giftige Medikamente gefährden Patienten

Das Vorkommen von minderwertigen Medikamenten schadet sowohl einzelnen Patienten als auch ganzen Gesundheitssystemen: Schwache Arzneimittel-Regulierungssysteme in Kombination mit unzureichenden Sanktionen, Korruption und durchlässigen Grenzen sind dafür verantwortlich, dass insbesondere arme Bevölkerungsgruppen durch giftige und mangelhafte Medikamente stark gefährdet sind. 

MSF
Dr. Nicolas Peyraud: "Es ist dafür zu sorgen, dass alle Patienten Zugang zu hochwertigen Medikamenten haben."

„Durch minderwertige Medikamente werden sämtliche Errungenschaften von Pharmazeutik und öffentlicher Gesundheit ausgehebelt“, betont Dr. Peyraud. „Dieser Ausbruch schwerer Toxizität durch gefälschte Medikamente sollte ein Weckruf für die öffentliche Gesundheit weltweit sein, um dafür zu sorgen, dass alle Patienten, insbesondere auch solche aus gefährdeten Bevölkerungsgruppen, bei Verordnungen gut beraten werden und Zugang zu hochwertigen Medikamenten haben.“

Der wissenschaftliche Artikel von Ärzte ohne Grenzen im medizinischen Fachjournal The Lancet mit dem Titel "An epidemic of dystonic reactions in central Africa" ist nachzulesen auf www.thelancet.com