Gipfeltreffen EU-Indien: Indien muss seine „Apotheke der Armen“ verteidigen

30.03.2016
Heute Treffen in Brüssel: Zugang zu bezahlbaren Medikamenten für Millionen Menschen darf nicht eingeschränkt werden.
FTA Protest Delhi - February 2012
Siddharth Singh
Nearly 2,000 People Living With HIV along with MSF & other civil society organisations rallied in the streets of New Delhi at the start of the EU-India summit. They warned that harmful provisions in a trade deal being negotiated between the EU and India could severely hinder access to affordable medicine for people in developing countries.

Brüssel/Wien, 30. März 2016. Anlässlich des Gipfeltreffens zwischen der Europäischen Union (EU) und Indien am heutigen Mittwoch in Brüssel fordert Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) den indischen Premierminister Narendra Modi dazu auf, die „Apotheke der Armen“ seines Landes weiterhin offen zu halten. Trotz Drucks der EU darf er keine schädlichen Bestimmungen in einem Handelsabkommen akzeptieren, das den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten für Millionen Menschen einschränken würde.

Es wird erwartet, dass Premierminister Modi und EU-Funktionäre auf dem Gipfeltreffen die Wiederaufnahme der Verhandlungen ankündigen, die sie seit mehr als neun Jahren im Rahmen von Freihandelsgesprächen führen. Die Verhandlungen waren zuletzt für fast drei Jahre unterbrochen. Mehrere strittige Punkte werden nun wahrscheinlich erneut auf den Verhandlungstisch kommen. Dabei geht es unter anderem um Bestimmungen zu geistigen Eigentumsrechten, die den Zugang zu Medikamenten sowie die Produktion und den Export von bezahlbaren Generika deutlich beeinträchtigen könnten.

Ärzte ohne Grenzen auf Generika aus Indien angewiesen

„Indien ist eine wichtige Quelle für bezahlbare, lebensrettende Generika, von der das Leben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt abhängt. Jeder Schlag gegen diese Apotheke der Armen hätte katastrophale Folgen“, sagt Joanne Liu, internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. „Um Menschen in mehr als 60 Ländern weltweit behandeln zu können, ist Ärzte ohne Grenzen auf generische Medikamente aus Indien angewiesen. Zwei Drittel der Medikamente, die wir kaufen, um HIV, Tuberkulose und Malaria zu behandeln, sind indische Generika. Wenn wir diese bezahlbaren Medikamente nicht hätten, könnten wir längst nicht so viele Menschen behandeln, wie wir es derzeit tun.“

Einige der schädlichsten Bestimmungen des geplanten Freihandelsabkommens wurden dank massiven Einsatzes von Patientengruppen – von Menschen, die mit HIV, Hepatitis C und Krebs leben – in den vergangenen Jahren bereits gestrichen. Doch eine Reihe von Klauseln, die den Zugang zu Medikamenten einschränken würden, bestehen fort, zum Beispiel der Zwang zur Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten. Der Vorschlag der EU zu diesem Thema könnte dazu führen, dass die Ausfuhr von völlig legal hergestellten Medikamenten aus Indien gestoppt werden kann, wenn ein multinationales Unternehmen behauptet, dass seine geistigen Eigentumsrechte verletzt seien. Gleichzeitig könnten Dritte – wie zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen – allein schon deshalb in Gerichtsverfahren verwickelt werden, weil sie Generika kaufen oder verwenden, zu denen es Patentstreitigkeiten gibt. Für viele Patienten, die Medikamente aus diesen Gründen zu spät oder mit Unterbrechungen erhalten, könnte dies schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Ärzte ohne Grenzen ist in großem Maße auf bezahlbare Generika aus Indien angewiesen. Mehr als 97 Prozent der antiretroviralen Medikamente, mit denen die Hilfsorganisation rund 230.000 HIV-Patienten behandelt, und drei Viertel der Tuberkulose-Medikamente für rund 23.000 TB-Patienten stammen von Generika-Herstellern aus Indien.