Tausende Familien von Wassermassen eingeschlossen - “Wir werden einen Weg zu ihnen finden“

09.08.2010
Ein Bericht von James Kambaki, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Belutschistan

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Anhaltende, teils heftige Regenfälle behindern die humanitäre Hilfe für die Flutopfer in den pakistanischen Provinzen Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan schwer. James Kambaki, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Belutschistan, beschreibt anhand eines Beispiels, wie schwierig es ist, die Betroffenen zu erreichen.

„Wir hörten von einer Gruppe von Menschen, die in der Nähe der Stadt Khabula isoliert festsaß, wussten aber nicht genau wo. Es dauerte mehr als zwei Tage, bis wir sie mit unseren Geländewagen finden konnten, da die Überschwemmungen das Vorankommen enorm erschweren. Es war ein Schock als wir sie fanden: Drei oder vier Tage zuvor war ich im gleichen Gebiet gewesen, und es war komplett trocken. Die Menschen hatten ihre Felder bestellt, ihr Vieh gehütet und ihr normales Leben gelebt. Plötzlich war alles überschwemmt. Normalerweise kommen zuerst der Regen und dann die Überschwemmungen, doch hier kam die Flut unter der stechenden Sonne.

 

„Wir sitzen hier seit sieben Tagen ohne Nahrung fest.“

 

Wir fuhren soweit wir konnten, bis wir an einen breiten Kanal kamen. Am gegenüberliegenden Ufer sahen wir tausende gestrandete Menschen auf einem schmalen Streifen Land, der komplett von Wasser umgeben war. Ein Mann war so verzweifelt, dass er samt Kleidung ins Wasser sprang und zu uns herüber schwamm. Er stieg aus dem Wasser und sagte: „Wir sitzen hier seit sieben Tagen ohne Nahrung fest.“ Er erzählte uns, dass auf der anderen Seite des Kanals 3000 Familien festsaßen, die vom steigenden Wasser vollkommen überrascht worden waren. Die meisten haben ihr Zuhause in den Wassermassen verloren und hatten nichts mehr außer den Kleidern, die sie am Leib trugen, und einigen wenige Güter, die sie retten konnten. Zusätzlich zu ihren Besitztümern haben sie auch einen Großteil ihrer Lebensmittelvorräte verloren.

Viele Kinder spielten im Schlamm. Für sie war es eine Abwechslung zum Alltag, doch für ihre Eltern bedeutete es eine Katastrophe.

Ein alter Mann zog mich zu sich und zeigte auf das Wasser. „Dort steht mein Haus“, sagte er, doch ich konnte außer Wasser nichts sehen. Sein Haus war vollständig versunken. Die meisten der hier festsitzenden Menschen sind Kleinbauern, die für Großgrundbesitzer arbeiten, und nichts haben, wohin sie gehen könnten. Ihr Zuhause ist im Schlamm versunken. Sie haben alles verloren.

Wir konnten Hygiene-Kits, Kochutensilien und Planen für Behelfsunterkünfte an die Menschen auf unserer Seite des Kanals verteilen und an die, die zu uns schwimmen konnten. Unter der sengenden Sonne besteht die Gefahr von Hitzschlag, weshalb die Errichtung von Sonnenschutz enorm wichtig ist.

Ein noch größeres Problem ist sauberes Trinkwasser. Normalerweise beziehen die Menschen ihr Wasser aus dem Kanal, dieser ist durch die Überschwemmungen jedoch stark verunreinigt. Doch wir konnten den Menschen nicht abraten, daraus zu trinken, da es keine Alternative gab. Wir erwarten einen Anstieg von Durchfallerkrankungen und Atemwegsinfektionen sowie Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Mangelernährung und werden den Betroffenen in den nächsten Tagen mittels einer mobilen Klinik medizinische Hilfe leisten.

Wir werden alles tun, was wir können, um einen Weg zu den Gestrandeten auf der anderen Seite des Kanals zu finden. Wir haben ein Boot organisiert, doch wird es nicht vor nächster Woche hier eintreffen. So lange können die Menschen aber nicht auf Hilfe warten. Wir hoffen, über Umwege zu ihnen gelangen zu können. Wir werden einen Weg finden.“