Pakistan: Nach wie vor hoher Bedarf an Hilfe – Ärzte ohne Grenzen weitet Hilfsgüterverteilungen aus

11.08.2010
Zwei Wochen nach Beginn der Überschwemmungen ist die Situation von Millionen Menschen in Pakistan nach wie vor dramatisch.
Pakistan 2010
Ton Koene
Gulabad, Pakistan, 09.08.2010

Zwei Wochen nach Beginn der Überschwemmungen ist die Situation von Millionen Menschen in Pakistan nach wie vor dramatisch. Ärzte ohne Grenzen dehnt den Hilfseinsatz in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan weiter aus. Der Fokus liegt auf medizinischer Hilfe, der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und der Verteilung lebenswichtiger Hilfsgüter. Zusätzlich werden Erkundungen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan, Punjab und Sindh fortgesetzt.

Neben der Ausweitung der medizinischen Hilfe setzen Einsatzteams von Ärzte ohne Grenzen die Versorgung betroffener Familien mit Hilfsgütern und Trinkwasser fort, um ein Minimum an Lebensbedingungen zu garantieren und der Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen. Bis zum 10. August hat Ärzte ohne Grenzen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan Hilfsgüter an 5.143 Familien (36.000 Menschen) verteilt.

Ein typisches Hilfspaket – auch „Kit“ genannt - beinhaltet Kleidung, Seife, Zahnbürste, Handtücher, Rasierklingen, einen Eimer, einen Kanister sowie Abdeckplanen. Die „Kits“ können an spezifische lokale Bedürfnisse angepasst werden.

„Es muss viel mehr getan werden“

„Wenn es das Wetter erlaubt, werden wir diese Woche noch Tausende Kits in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan verteilen“, sagt Thomas Conan, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Pakistan. „Doch wir fürchten, dass insgesamt zu wenig für die betroffenen Familien getan wird. Zwei Wochen nach den ersten Überflutungen sind die Bedürfnisse der Menschen nach wie vor enorm hoch und steigen weiter. Es muss viel mehr getan werden.“ Image removed. Während einer Hilfsgüterverteilung in Khurasan, einem Lager Afghanischer Flüchtlinge, kamen Menschen aus den benachbarten Dörfern und fragten nach Hilfsgütern, da sie noch keine Hilfe erhalten hatten. Ärzte ohne Grenzen konnte bei der Gelegenheit hundert Familien mehr helfen als geplant, es bleibt aber die Besorgnis über den generellen Mangel an Hilfe.Eine große Herausforderung ist es, geeignete Plätze für Verteilungen ausfindig zu machen. Viele Gebiete stehen nach wie vor unter Wasser, und selbst trockene Bereiche können am folgenden Tag überflutet sein. Bei den Verteilungen handelt es sich um sehr aufwendige logistische Unternehmungen, bei denen Tonnen von Material und dutzende Lastwägen gemanagt werden müssen.

Mobile Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen

Seit erstem August haben Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen mehr als 7.000 medizinische Konsultationen in verschiedenen von den Fluten betroffenen Gebieten durchgeführt. 1.800 dieser Konsultationen fanden in acht mobilen Kliniken statt, die in entlegene Gebiete oder an Orte mit einer hohen Konzentration von Menschen wie zum Beispiel Schulen oder Camps fahren.

Drei der mobilen Kliniken sind in Belutschistan unterwegs, die restlichen vier in Khyber Pakhtunkhwa. Weitere mobile Kliniken werden bald unter anderem in Pir Sabak in der Nähe von Nowshera ihre Arbeit aufnehmen.In Belutschistan ist eine mobile Klinik auf vier schwer unterernährte Kinder gestoßen. Sie wurden in eine Klinik in Sobhatpur überwiesen. „Derzeit können wir keine Verbindung zwischen diesen Fällen von Unterernährung und den Überschwemmungen herstellen“, sagt Pierluigi Testa, der den Hilfseinsatz von Ärzte ohne Grenzen in Belutschistan koordiniert. „Wir werden die Ernährungssituation jedoch genau beobachten, da die Versorgungslage mit Lebensmittel beunruhigend ist. Die nächste Ernte ist von den Überschwemmungen bedroht. In vielen Gebieten bleiben die Bedürfnisse dramatisch.“

Sauberes Trinkwasser dringend benötigt

Die Versorgung mit sauberem Wasser ist sehr wichtig um den Ausbruch von Krankheiten zu verhindern. Wasser- und Hygiene-Teams von Ärzte ohne Grenzen arbeiten hart daran, an den von den Überschwemmungen betroffenen Orten Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. In Charsadda, Nowshera und Swat unterstützen Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen die lokalen Behörden bei der Reparatur des lokalen Wasserverteilungssystems. Gleichzeitig transportieren sie dringend benötigtes Wasser zu den betroffenen Familien.

Image removed. Ärzte ohne Grenzen hat in Lower Dir und an acht Orten in Swat Wasserausgaben eingerichtet. Zusätzlich stellt Ärzte ohne Grenzen den Distriktkrankenhäusern von Lower Dir und Nowshera sauberes Wasser zur Verfügung. Drei weitere Wasserausgabestellen werden in Totakan, Isar Baba und Kalangai aufgebaut, nachdem die Straße nun wieder befahrbar ist.Gestern hat das Wasser- und Hygiene Team in Nowshera die Wiederinstandsetzung eines Bohrlochs abgeschlossen und konnte dadurch 35.000 Liter Wasser fördern und mit Lastautos an die Bevölkerung verteilen. Die täglich geförderte Menge sollte in den kommenden Tagen steigen.

In und um Charsadda stellt Ärzte ohne Grenzen sauberes Wasser durch eine Kombination von 21 Wasserausgaben auf Lastwägen und Minivans und sieben fixe Wasserblasen zur Verfügung.

Weitere Erkundungen

Täglich finden weitere Erkundungen in Pakhtunkhwa und Baluchistan statt, um Menschengruppen zu finden, die Hilfe benötigen. Ärzte ohne Grenzen ist sehr besorgt, dass es noch immer viele Betroffene sowohl in abgelegenen Gebieten als auch in eigentlich gut zugänglichen Regionen gibt, die bisher keinerlei Unterstützung erhalten haben. Zwei MSF-Teams erkunden derzeit auch die betroffenen Gebiete in den Distrikten Punjab und Sindh.

110 Tonnen Wasser- und Hygieneausrüstung, Medikamente, medizinisches und logistisches Material sind bereits in Pakistan angekommen. Weitere Hilfsgüter werden abhängig vom Bedarf folgen.

Insgesamt sind derzeit mehr als 100 internationale und 1200 nationale Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen in Pakistan im Einsatz.