Die aktuelle Lage in Syrien
Nach zwölf Jahren des Bürgerkriegs befindet sich Syrien in einer der schwersten humanitären Krisen weltweit. Das schwere Erdbeben Anfang Februar 2023 verschärft die Situation noch weiter.
Steigende Preise für Grundgüter, der Mangel an Nahrung und Wasser, Gewalt und Vertreibung machen den Menschen zu schaffen. Wir helfen den Menschen im Nordwesten, in der Region Idlib, und im Nordosten des Landes. Zu den Gebieten, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden, wurde uns der Zugang nicht gestattet.
Eine Vereinbarung zwischen den Vereinten Nationen und der syrischen Regierung ermöglicht es, dass humanitäre Hilfe mehr als vier Millionen Menschen im Nordwesten Syriens auf unparteiische Weise über den Grenzübergang Bab al-Hawa erreichen kann. Eine Schließung dieses Grenzübergangs für humanitäre Helfer:innen wäre für die Menschen vor Ort fatal.
Vier Millionen Menschen im Nordwesten Syriens sind von humanitärer Hilfe abhängig. Die Notwendigkeit, den Zugang alle sechs Monate unter unsicheren Bedingungen neu auszuhandeln, behindert eine wirksame humanitäre Hilfe, stört die Planung der Organisationen und erhöht das Risiko plötzlicher Unterbrechungen der Unterstützung.
Wir brauchen einen langfristigen Plan für humanitäre Hilfe im Nordwesten Syriens, der unparteiisch, nachhaltig und unpolitisch ist. Humanitäre Hilfe darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, das das Leben von Millionen Menschen gefährdet.
Wie wir in Syrien helfen
- In den Teilen Syriens, die wir betreten können, betreiben oder unterstützen wir Krankenhäuser und Gesundheitszentren.
- Im Nordosten des Landes leiten wir Impfkampagnen zu Routineimpfungen, zum Beispiel gegen Masern.
- Wir kümmern uns um die medizinische Grundversorgung von Vertriebenen. Wir verteilen bei Bedarf auch Hilfsgüter, zum Beispiel Hygiene-Kits, Matratzen und Decken.
- Wir versorgen mangelernährte Kinder in der Stadt Raqqa.
- In Hassakeh behandeln wir seit August 2021 minderjährige Häftlinge, die an Tuberkulose erkrankt sind.
- Wir informieren die Bevölkerung in Syrien, wie sie die Übertragung von Krankheiten verhindern kann.
5 Gründe warum wir in Syrien helfen
Fehlende medizinische Versorgung
Die Menschen in den Lagern in Syrien haben begrenzten Zugang zur Gesundheitsversorgung, da die Lebensbedingungen schlecht sind und es an humanitärer Hilfe, psychosozialer Unterstützung und Impfungen mangelt. Wir unterstützen Krankenhäuser, medizinische Grundversorgungszentren und mobile Kliniken in den Vertriebenenlagern, um dieser Herausforderung zu begegnen. Aufgrund der prekären Lebensbedingungen treten auch häufig Verletzungen durch Unfälle in den eigenen vier Wänden auf. Wir haben eine Spezialabteilung für Verbrennungen im Nordwesten Syriens eingerichtet, um auf solche Verletzungen zu reagieren.
Syriens Gesundheitssystem ist zerstört
War das Gesundheitssystem im Syrien vor dem Krieg gut und stabil, ist davon heute nichts mehr übrig. Der Konflikt in Syrien hat das Gesundheitssystem stark zerstört. Viele medizinische Einrichtungen wurden bombardiert. Medizinisches Personal ist verstorben, inhaftiert oder geflohen, und es fehlt an medizinischem Equipment.
Das syrische Gesundheitspersonal musste unter extremen Bedingungen arbeiten, da es mit Notfällen überlastet war. In den letzten zehn Jahren haben wir nicht nur mit Katastrophen und akuten Notfällen zu kämpfen gehabt, sondern auch mit dem erneuten Auftreten von vermeidbaren Krankheiten, wie Cholera-Ausbrüchen.
Menschen auf der Flucht
Etwa 6,9 Millionen Menschen sind nach wie vor vertrieben in Syrien und leben in Lagern, improvisierten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Der anhaltende Konflikt, die COVID-19-Pandemie und eine schwere Wirtschaftskrise haben ihre Verwundbarkeit weiter erhöht.
Die Menschen in Flüchtlingslagern haben oft wiederholte Vertreibungen erlebt und leiden unter schlechten Lebensbedingungen, psychischen Traumata und mangelndem Zugang zur medizinischen Versorgung. In einigen dieser Lager bieten wir medizinische und psychologische Unterstützung sowie Wasser-, Sanitär- und Hygienedienste (WASH) durch mobile Kliniken an.
Zu wenig medizinisches Personal
Das medizinische Personal ist ebenfalls gefährdet. Mit der Eskalation des Konflikts in den ersten Jahren des Krieges wurde die medizinische Versorgung in Gebieten, die nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehen, immer stärker eingeschränkt. Wir haben versucht, ein System der Fernunterstützung für medizinische Einrichtungen und Netzwerke von Medizinern aufrechtzuerhalten. Im Laufe der Jahre haben wir medizinische Untergrundnetzwerke unterstützt.
Humanitäre Hilfe in Syrien wird weniger
Obwohl die Zahl der hilfsbedürftigen Menschen steigt, gehen die Mittel für humanitäre Hilfe in Syrien weiter zurück.
Wir bekommen allerdings immer mehr Anfragen zur Unterstützung von Krankenhäusern und Gesundheitszentren. Ihnen mangelt es häufig an wichtigen Medikamenten und medizinischem Material.
Ländervergleich Österreich & Syrien: Lebenserwartung und Säuglingssterblichkeit
Ländervergleich Österreich & Syrien
Ärzte ohne Grenzen in Syrien: Hilfe vor Ort
2009
Beginn der Arbeit
49,2
Mio. EUR
Ausgaben (Vorjahr)
849
Einsatzkräfte
Unsere Teams sind in Syrien bereit, auf verschiedene Notfälle zu reagieren – das können Naturkatastrophen, Vertreibungen oder Krankheitsausbrüche sein.
Seit 2009 ist Ärzte ohne Grenzen in Syrien tätig. Wir haben unsere Aktivitäten im Laufe der Jahre angepasst und ausgebaut und bieten Traumabehandlung, Impfkampagnen, Schwangerschaftsvorsorge und Unterstützung der psychischen Gesundheit für Menschen in Syrien an
Um kritische Versorgungslücken zu schließen, haben wir unsere Arbeit im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie unsere Aktivitäten zur Wasser- und Sanitärversorgung und Hygiene in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut.
2023: Unsere Hilfe in Zahlen
13.600
unterstütze Geburten
40.200
durchgeführte Impfungen
65.500
durch Hilfsgüter unterstützte Familien
Medizinische Versorgung für Frauen und Kinder im Al-Hol-Lager
Im Al-Hol-Camp, dem größten geschlossenen Flüchtlingslager im Nordosten des Landes, sind überwiegend Frauen und Kinder aus Syrien untergebracht. Wir helfen vor Ort und leisten medizinische Grundversorgung. Rund 53.000 Menschen leben in dem Camp.
Im Oktober 2021 haben wir eine Klinik und eröffnet und konzentrieren uns auf die Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten. Wir verteilen darüber hinaus Hilfsgüter und helfen bei der Verbesserung der Versorgungslage. Wir liefern durchschnittlich mehr als 600.000 Liter Wasser pro Tag an das Camp und bemühen uns um einen kontinuierlichen Ausbau sanitärer Einrichtungen.
Kriminalität und Ausbeutung gehören in Al-Hol zur Tagesordnung. Im Flüchtlingslager in Syrien sind Kinder und Jugendliche sind hohen Risiken ausgesetzt. Allein im Jahr 2021 sind 79 von ihnen ums Leben gekommen.
Die häufigste Todesursache im Al-Hol-Camp ist Tod durch Verbrechen. Diese tragische Entwicklung hat sich auch im letzten Jahr fortgesetzt: Zwischen Januar und August 2022 kam es zu 34 Todesfällen durch Mord.