Bericht über Massaker in UN-Schutzzone in Malakal zeigt Versagen der UNO

22.06.2016
Angriff auf UN-Schutzzone in Malakal im Februar führte zu zahlreichen Toten und über 100 Verletzten - Notfallpläne müssen dringend verbessert werden.
Living conditions in Malakal PoC
Albert Gonzalez Farran
14 June 2016. Malakal: A child walks on mud and urine next to the latrines in the Protection of Civilians (PoC) site in Malakal, South Sudan. The rainy season started and made the living conditions very difficult for the displaced people in one of the most crowded PoC in South Sudan. In some areas, the density in this camp is around 9 square meters per person, which is highly below the UN standards (30). People are facing health risks such malaria and cholera due to the lack of good draining infrastructures. 32,000 people are currently living in this PoC that faced on of the most violent episodes in the South Sudanese civil war. Fighting between elements of the Shilluk and Dinka communities erupted in the Malakal PoC on February 17. UN reports confirmed that armed men in Sudan People's Liberation Army (SPLA) uniforms entered the UN camp and fired on civilians, looting and burning tents. At least 18 people were killed and more than 90 wounded. After the clashes, Dinka families (approximately 4,000 people) fled outside the PoC and sought refugee into Malakal town, while about 26,000 Nuer and Shilluk IDPs, mostly women and children, sought refugee in the former PoC. Photo by Albert Gonzalez Farran - MSF

Wien/Juba, 22. Juni 2016. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) hat heute einen Bericht über die Reaktion der Friedenstruppen auf den Angriff auf die UN-Schutzzone in Malakal am 17. und 18. Februar dieses Jahres veröffentlicht. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass trotz starker Militärpräsenz in der Schutzzone und des klaren Mandats zum Schutz der Zivilbevölkerung die UNMISS (United Nations Mission in South Sudan) an ihrer Aufgabe, die Menschen in der Schutzzone zu schützen, gescheitert ist.

Viele Todesfälle hätten bei dem Angriff verhindert werden können. Der Bericht zeigt auch auf, dass die meisten vor Ort tätigen humanitären Organisationen handlungsunfähig gemacht wurden und auf die akuten Bedürfnisse der Vertriebenen während des Angriffs nicht reagieren konnten. Die UN-Sicherheitsbestimmungen verhinderten ein Eingreifen während einer kurzen aber akuten Notlage, als der Bedarf an Hilfe am größten war.

Zahlreiche Tote, mindestens 108 Verletzte, Unterkünfte abgebrannt

Als am 17. Februar innerhalb der Schutzzone Kämpfe ausbrachen und  später schwer bewaffnete externe Gruppen die Zone angriffen, haben die UN-Truppen es verabsäumt, sofort darauf zu reagieren. Als die Kampfhandlungen einen Tag später endeten, gab es mehreren Berichten zufolge zwischen 25 und 65 zivile Todesopfer und mindestens 108 Verletzte zu beklagen. Untersuchungen, die nach dem Angriff durchgeführt wurden, haben ergeben, dass über 3.700 Unterkünfte – ein Drittel der Schutzzone – bei dem Angriff verbrannt wurden. Die kriegsmüde vertriebene Bevölkerung blieb traumatisiert zurück und musste sich im verbrannten Lager von neuem ein Leben aufbauen.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass die UN-Truppen ihrem Mandat nicht nachgekommen sind, die Zivilbevölkerung zu schützen, wie es vom UN-Sicherheitsrat vorgesehen ist“, erklärt Raquel Ayora, Leiterin der Einsätze von Ärzte ohne Grenzen, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. „Vor dem Angriff haben sie es verabsäumt, den Transport der großen Menge an Waffen in das Lager zu verhindern. Dann haben sie beschlossen, nicht einzugreifen, als die anfänglichen Kämpfe im Lager ausbrachen, und als der Angriff von außen auf das Lager begann, waren sie in ihrer Abwehr des Angriffs extrem langsam.“

Dramatische Lebensbedingungen

Die UN-Schutzzone ist eine einzigartige und unbequeme Struktur für UNMISS. Offensichtlich ist es ihr unausgesprochenes Ziel, die Zone in Malakal zu schließen und die Vertriebenen an andere Orte umzusiedeln. UNMISS ist sehr zurückhaltend, was eine Verbesserung der dramatischen Lebensbedingungen auf dem Gelände oder Maßnahmen für mehr Sicherheit innerhalb des Lagers betrifft. Derzeit steht pro Person nur ein Drittel des Lebensraums zur Verfügung, der laut internationalen Mindeststandards zu vertreten wäre. Die verteilten Nahrungsmittel reichen nur knapp für den Lebensunterhalt, und die Menge an bereitgestelltem Trinkwasser liegt oft unter 15 Litern pro Person und pro Tag – dem internationalen SPHERE-Mindeststandard. Außerdem greift innerhalb und außerhalb der Schutzzone sexuelle Gewalt um sich und macht das Leben tagtäglich zu einem Glücksspiel.

Eine Umfrage, die Ärzte ohne Grenzen ergänzend zum Bericht veröffentlicht, zeigt, dass sich mehr als 80 Prozent der vertriebenen Menschen innerhalb der UN-Schutzzone unsicher fühlen – und seit den Übergriffen im Februar ihr Vertrauen in UNMISS verloren haben. Alle Befragten sagten jedoch auch einstimmig aus, dass die Unsicherheit außerhalb des Lagers der Hauptgrund dafür ist, die Schutzzone nicht zu verlassen. Sie befinden sich daher in einer Zwickmühle, mit Gewalt und Unsicherheit auf beiden Seiten.

Notfallpläne müssen verbessert werden

„Schutzzonen sind die einzige, wenigstens teilweise effiziente Lösung für die ernstzunehmende Notlage, in der sich die schutzbedürftige Bevölkerung befindet“, so Ayora. „Bis es eine bessere oder sicherere Alternative gibt, können sie nicht einfach geräumt werden – die festgestellten Mängel zum Schutz und der Versorgung der Menschen müssen beseitigt werden. UNMISS und alle humanitären Organisationen sollten die Lehren aus diesem kollektiven Versagen ziehen und konkrete Schritte einleiten, um sicherzustellen, dass im Falle eines neuerlichen Übergriffes oder neuerlicher Gewalt innerhalb einer Schutzzone deutlich andere Entscheidungen und Maßnahmen gesetzt werden würden.“

Ärzte ohne Grenzen ruft die UNO auf, die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Geschehnisse rund um die Übergriffe auf Malakal zu veröffentlichen. Die Organisationen, die innerhalb der Schutzzone in Malakal tätig sind, müssen ihre Notfallpläne überarbeiten und anpassen, und ihre Erkenntnisse in anderen Krisen umsetzen, in denen Menschen dringend Schutz und Hilfe brauchen.

Der vollständige Bericht sowie die Umfrageergebnisse stehen unter folgenden Links als PDF-Download zur Verfügung:

Blog mit persönlichem Einsatzbericht des Österreichers Marcus Bachmann (zum Zeitpunkt der Übergriffe): "Wir sind alle erschüttert."