26.05.2021
Was, wenn man nicht einfach in ein Krankenhaus gehen kann für eine Geburt? Realität für viele Frauen im Libanon. Hebamme Johanna Dibiasi schildert die Situation.

Die Südtirolerin Johanna Dibiasi leitet sowohl ein Team in der Geburtsklinik im Rafik Hariri Krankenhaus als auch im Mutter-Kind-Zentrum im Flüchtlingscamp Burj Al Barajneh. In einem Interview erzählt sie über die Situation im Libanon – und wie Ärzte ohne Grenzen hilft.

Video: Mutter sein in der Krise

Ein Problem ist das privatisierte Gesundheitssystem

Warum kommen die Frauen in die Kliniken? 

Der Standard der medizinischen Versorgung im Libanon ist sehr hoch, aber das Gesundheitssystem ist stark privatisiert und damit sehr teuer. Der Bedarf an kostenloser medizinischer Versorgung wird immer größer: Zu uns kommen Frauen, die sich keine Ärzt:innen, keine Schwangerschaftsbetreuung oder betreute Geburt leisten können. Jeden Tag wartet eine riesige Gruppe an Frauen vor der Klinik im Flüchtlingscamp. 

Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise aus? 

Viele Menschen leben von der Hand in den Mund. Wir sehen das in unseren Kliniken: Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes können ihre notwendige Diät nicht einhalten. Brot und Reis sind am billigsten und machen satt. Aber die Kohlenhydrate sind schlecht für den Blutzuckerspiegel. Das kann tödlich für das Ungeborene sein. Auch die Anzahl an Anämien, also Blutarmut, ist bei vielen wegen der schlechten Ernährungslage stark gestiegen. Kürzlich haben wir sogar angefangen auf Mangelernährung zu testen. 

Wie hilft Ärzte ohne Grenzen

Wir haben Teams mit unterschiedlichen Schwerpunkten im ganzen Land. Hier in unserer Geburtsklinik und im Mutter-Kind-Zentrum betreuen wir Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft. Unsere Hebammen unterstützen sichere Geburten ebenso wie Familienplanung. 

Welche Geschichte ist dir in Erinnerung geblieben? 

Vor kurzem ist eine Frau zu uns gekommen, der es gesundheitlich sehr schlecht ging. Sie ist hochschwanger mit ihrem kleinen Kind und ihrem Ehemann aus Syrien geflohen. Seit vier Tagen hatten sie außerdem nichts gegessen. Als wir sie aufgenommen haben, hat ihr Mann geweint. Er war so erleichtert, dass seine Frau einen Platz für eine sichere Geburt bekommen hat. Das hat mich sehr berührt.