02.07.2021
Wie wir in unserem weltweit ersten COVID-19-"Impfeinsatz" das libanesische Gesundheitsministerium unterstützen - und damit auch den Gefährdetsten Zugang zum Impfstoff ermöglichen.

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"Impfungen sind wichtig. Wir wollen anderen Menschen nahe sein und wissen, dass das die Gefahr einer COVID-19-Ansteckung erhöht. Um das zu verhindern, müssen wir uns impfen lassen“, sagt Nina Baz, eine 78-jährige Libanesin, die in einem Pflegeheim in Antelias im Libanon, lebt

Sie ist eine von mehr als 5.000 Personen, die von unseren Teams in Pflegeheimen im Libanon geimpft wurden. Seit dem 19. März 2021 unterstützt Ärzte ohne Grenzen das libanesische Gesundheitsministerium bei der landesweiten Einführung von COVID-19-Impfungen. 

Es ist weltweit die erste COVID-19 Impfkampagne, an der unsere Teams beteiligt sind.  

Tackling COVID-19 in Lebanon, through prevention and vaccination
Tracy Makhlouf/MSF
Eine Bewohnerin eines Pflegeheims in Shayle wird von einem Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen gegen COVID-19 geimpft.

Risikogruppen schützen

Was gibt es bei der Einführung einer Impfkampagne zu beachten? Zuallererst müssen Risikogruppen identifiziert und geschützt werden. Die Bewohner:innen von Pflegeheimen sollten zuerst geimpft werden. Die erste Herausforderung: Viele von ihnen sind aufgrund ihres Gesundheitszustandes oder mangelnder Barrierefreiheit in den Heimen in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.  

Es war eine riesige Erleichterung, dass sie hierherkamen und uns impften. Viele der älteren Menschen in unserem Heim leiden an Behinderungen und können sich nicht frei bewegen.

Schwester Lara El Hajj, klinische Pharmazeutin in einem der von Ärzte ohne Grenzen besuchten Pflegeheime

Mobile Teams in mehr als 30 Pflegeheimen

Mehr als 30 Pflegeheime haben unsere mobilen Teams im ganzen Land besucht. Der 72-jährige Fadi Khoury ist einer der frisch Immunisierten. "Ich bin erleichtert", sagt er, nachdem er seine zweite Dosis des Impfstoffs erhalten hat. "Ich habe keine Angst mehr um mein Leben und es fühlt sich an, als wäre eine schwere Last von meinen Schultern gefallen. Ich war besorgt um mich selbst und hatte Angst um die anderen Bewohner:innen, mit denen ich zusammenlebe. Jeder verdient es, sich schuldfrei und sicher zu fühlen."  

Seit März 2021 waren die mobilen Teams von Ärzte ohne Grenzen auch in Geflüchtetenlagern und Gefängnissen im Libanon im “Impf-Einsatz”. 

Tackling COVID-19 in Lebanon, through prevention and vaccination
Tracy Makhlouf/MSF
Impfstoffvorbereitung in einem Pflegeheim in Shayle

Einrichtung von COVID-19-Impfzentren

Neben den mobilen Impfeinsätzen eröffnete Ärzte ohne Grenzen Anfang Juni zwei COVID-19-Impfstellen in der nördlichen Stadt Tripoli und in der Stadt Bar Elias.  

"Wir sehen dies als nächsten Schritt, um noch mehr Menschen im Libanon den Zugang zum COVID-19-Impfstoff zu ermöglichen. Auch wenn die Zahl der COVID-19-Patient:innen nicht mehr so hoch ist wie noch vor ein paar Monaten, gibt es noch viel zu tun, um eine weitere Welle von COVID-19-Fällen zu vermeiden." 

- Zeina Ghantous, stellvertretende Leiterin von Ärzte ohne Grenzen Libanon.

Tackling COVID-19 in Lebanon, through prevention and vaccination
Tracy Makhlouf/MSF
Registrierungsstelle im COVID-19-Impfzentrum von Ärzte ohne Grenzen in Bar Elias

Harte Zeiten: Krankenhäuser an ihren Grenzen

Der Libanon hat herausfordernde Zeiten in Sachen Pandemie hinter sich. Die erste Welle rollte im Frühjahr 2020 durch das Land. Im August 2020 machte dann eine verheerende Hafenexplosion in Beirut Social Distancing unmöglich. Die COVID-19-Fallzahlen schnellten wieder in die Höhe.  

Diese zweite, stärkere Welle brachte Krankenhäuser an ihre Grenzen und darüber hinaus. Die Wirtschaftskrise im Libanon hatte das öffentliche Gesundheitssystem zuvor schon stark geschwächt. Es kam regelmäßig zu Engpässen in der Versorgung mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung. Zur Unterstützung der lokalen Behörden wurde ein allgemeines Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen vorübergehend in ein “COVID-19-Krankenhaus" umfunktioniert. 

"Wir sehen die Durchimpfung als Fortführung unserer COVID-19-Arbeit. Wir wollen effektiv dazu beitragen, die lokalen Gesundheitsbehörden bei der Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen." 

- Caline Rhayem, stellvertretende medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen

"Aufklärung ist genauso wichtig wie der Impfstoff selbst"

Bis Mitte Juni hatten sich mehr als eine Million Menschen im Libanon für eine COVID-19-Impfung registriert. Mehr als die Hälfte erhielt bereits eine erste Dosis, über 300.000 auch ihre zweite.  

Ein erheblicher Teil des 6-Millionen-Einwohner:innen-Landes steht der Impfung allerdings skeptisch gegenüber. Eine zusätzliche Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. 

Im Libanon ist Impfskepsis Realität

Houssam Al Rahabi, Gesundheitsbeauftragter von Ärzte ohne Grenzen

Houssam Al Rahabi, Gesundheitsbeauftragter von Ärzte ohne Grenzen, und seine Teams sind jeden Tag im Austausch mit den Menschen vor Ort, um sie über den Impfstoff aufzuklären und ihnen zu zeigen, wie die Registrierung dazu funktioniert. 

"Aufklärung ist genauso wichtig wie der Impfstoff selbst, wenn nicht sogar wichtiger. Viele Menschen haben immer noch Angst, sich impfen zu lassen. Sie fragen sich, ob es einen Unterschied macht, einen bestimmten Impfstoff zu bekommen, oder ob sie unter Nebenwirkungen leiden werden... Unsere Aufgabe ist es, sie zu informieren und zu beruhigen. Wir müssen auf die Ängste und Sorgen der Menschen eingehen, anstatt ihnen einfach zu sagen, dass sie sich impfen lassen sollen. In dieser Hinsicht gehen Aufklärung und Impfung Hand in Hand, das eine kann ohne das andere nicht wirklich funktionieren. Wir müssen beides fort- und auf allen Ebenen ansetzen, wenn wir COVID-19 ein für alle Mal besiegen wollen.“ 

- Houssam Al Rahabi, Gesundheitsbeauftragter von Ärzte ohne Grenzen

Tackling COVID-19 in Lebanon, through prevention and vaccination
Tracy Makhlouf/MSF
Eine Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen informiert über die COVID-19-Impfung

Unsere Aktivitäten im Libanon

Derzeit bietet Ärzte ohne Grenzen kostenlose medizinische Versorgung für bedürftige Menschen im gesamten Libanon an, egal ob es sich um Libanes:innen, Vertriebene oder Arbeitsmigrant:innen handelt. Die Organisation ist an mehr als zehn verschiedenen Standorten im ganzen Land aktiv, unter anderem in den Bereichen der psychischen Gesundheit, der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, der Kinderheilkunde, mit Impfkampagnen und in der Behandlung von nicht ansteckenden Krankheiten wie Diabetes. Ärzte ohne Grenzen führt mit 600 Mitarbeiter:innen im Libanon jedes Jahr rund 150.000 Beratungen durch. Weitere Informationen zu den Einsätzen im Libanon finden Sie hier.

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