14.06.2024
Im Vorfeld des Weltflüchtlingstages appelliert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen an die Politik, ihren Kurs zu ändern und lädt zu einer Podiumsdiskussion ins MuseumsQuartier.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen behandeln täglich Menschen auf der Flucht – und zeigen die menschlichen Kosten der EU-Asyl- und Migrationspolitik auf. Im Vorfeld des Weltflüchtlingstages appelliert die Hilfsorganisation an die Politik, ihren Kurs zu ändern und lädt zu einer Podiumsdiskussion ins MuseumsQuartier. 

„Die aktuellen Maßnahmen der EU führen dazu, dass Menschen sterben oder verletzt werden“, so Marcus Bachmann humanitärer Berater und Einsatzleiter bei Ärzte ohne Grenzen Österreich. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen behandelten innerhalb von zwei Jahren mehr als 28.000 Personen, die an EU-Grenzzäunen, bei Pushbacks oder wegen mangelnder Rettung auf hoher See verletzt wurden. Die Hilfsorganisation leistete im Zeitraum von August 2021 bis September 2023 an den EU-Grenzen Hilfe für mehr als 20.000 Menschen, die aufgrund ihrer Verletzungen medizinisch oder psychologisch versorgt werden mussten oder Akuthilfe benötigten. Rund 8.000 Personen, die im Mittelmeer gerettet worden waren, brauchten die Hilfe der medizinischen Organisation. 

„Die medizinischen Daten, die wir nun analysiert und zusammengefasst haben, führen uns in aller Deutlichkeit vor Augen, was österreichische und EU-Politiker:innen verschweigen, wenn sie immer striktere Abschreckungsmaßnahmen gegen Flüchtende und Migrant:innen fordern“, sagt Marcus Bachmann, „Sie erzählen ihren Wähler:innen nicht, dass ihre aktuelle Politik konkret dazu führt, dass Menschen verletzt werden - Frauen, Männer und Kinder, die vor Verfolgung, Gewalt, Krieg und Konflikt fliehen und Schutz in Europa suchen.“ 

Die Daten, die Ärzte ohne Grenzen in einem ausführlichen Report zusammengefasst hat, stammen aus Hilfsprogrammen in zwölf Ländern in Europa und Afrika, sowie aus dem Mittelmeer-Einsatz der Hilfsorganisation. Sie zeigen etwa, dass viele Menschen an den Grenzen von Griechenland, Bulgarien, Ungarn und Polen bei Pushbacks verletzt wurden. 

An der serbisch-ungarischen Grenze behandelte Ärzte ohne Grenzen beispielsweise rund 160 Patient:innen, nachdem sie nach eigener Aussage mit Gewalt ausgewiesen worden waren. Betroffene, die Ärzte ohne Grenzen nach solchen Vorfällen behandelte, berichteten, dass sie getreten oder mit Schlagstöcken geschlagen worden waren. Es wurde auch bezeugt, dass Kinder geschlagen wurden. 45 Prozent der Patient:innen berichteten nach Pushbacks aus Ungarn, dass sie sich am Grenzzaun verletzt hatten – weil sie herunterfielen, von Sicherheitskräften heruntergeschüttelt wurden oder im Stacheldraht stecken blieben.  

Im Mittelmeer versorgten Teams der Organisation Überlebende von insgesamt zwölf Schiffsunglücken. Von 176 Überlebenden, die psychologische Hilfe erhielten, wiesen mehr als die Hälfte (52 Prozent) posttraumatische Reaktionen und 41 Prozent Symptome von Anpassungsstörungen und Akutreaktionen auf. Rund ein Drittel waren dem Tod nahe gewesen, 18 Prozent hatten lebensgefährdende Situationen erlebt, fast jede:r zehnte hatte ein Familienmitglied verloren. 

„Das schockierende und traurige ist, dass viele der Ereignisse, bei denen Menschen an unseren Außengrenzen sterben oder verletzt werden, vermeidbar wären“, sagt Bachmann. „Sie resultieren aus den immer restriktiveren Maßnahmen, mit denen EU-Regierungen unter federführender Beteiligung Österreichs versuchen, Geflüchtete und Migrant:innen fernzuhalten.“ Dabei wären viel Leid vermeidbar, wenn Regierungen im Einklang mit internationalem Recht geordnete, sichere und legale Möglichkeiten schaffen würden, in Europa Schutz zu finden, sagt Bachmann. 

Es brauche einen Paradigmenwechsel: „Die EU braucht eine neue Asyl- und Migrationspolitik. Die jetzige nimmt in Kauf, dass Menschen in Not getötet oder verletzt werden. Die EU muss Menschlichkeit in das Zentrum ihrer Bemühungen stellen, anstatt Brutalität. Die Politik der Unmenschlichkeit muss durch eine der Vernunft ersetzt werden“. 

Veranstaltungshinweis

Talk und Diskussion mit Gerald Knaus, (Europäische Stabilitätsinitiative), Nora Ramirez Castillo (Hemayat) und Marcus Bachmann (Ärzte ohne Grenzen)   

18. Juni, 18 Uhr MuseumsQuartier Wien/Raum D