Bericht zeigt dramatische Lücken in der Versorgung von Opfern sexueller Gewalt

15.07.2021
Angesichts des Ausmaßes der Gewalt, mehrheitlich gegen Frauen und Mädchen, und ihrer Auswirkungen fordert Ärzte ohne Grenzen die kongolesischen Behörden auf, mehr für die Versorgung und Unterstützung der Überlebenden zu unternehmen.

In einem aktuellen Bericht warnt Ärzte ohne Grenzen vor der mangelnden Unterstützung für Überlebende sexueller Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo. Angesichts des Ausmaßes der Gewalt, mehrheitlich gegen Frauen und Mädchen, und ihrer Auswirkungen fordert Ärzte ohne Grenzen die kongolesischen Behörden auf, mehr für die Versorgung und Unterstützung der Überlebenden zu unternehmen. Die Hilfsorganisation berichtet von fast 11.000 Betroffenen, die im Jahr 2020 behandelt wurden. Das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.


Die von Ärzte ohne Grenzen im Jahr 2020 gesammelten Daten zeigen ein besorgniserregendes Bild des physischen und psychischen Zustands von Patient:innen, die wegen sexueller Gewalt behandelt wurden: Infektionen, ungewollte Schwangerschaften, körperliche Verletzungen infolge der Gewalt, schwere psychische Traumata; auch bei Minderjährigen, die ein Fünftel der von Ärzte ohne Grenzen im Jahr 2020 behandelten Patient:innen ausmachten.


„Das Ausmaß sexualisierter Gewalt wird von vielen nationalen und internationalen Stellen angeprangert”, sagt Juliette Seguin, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen in der Demokratischen Republik Kongo. „Aber es folgt keine ausreichende Hilfe, weder für die Prävention noch für die Behandlung oder den Schutz der Überlebenden. Unsere Teams vor Ort sind täglich Zeugen davon, dass die Bedürfnisse bei weitem nicht erfüllt werden."

98 Prozent der Überlebenden sind Frauen und Mädchen


Laut des Berichts sind 98 Prozent der Opfer Frauen und Mädchen. 63 Prozent wurden von bewaffneten Tätern angegriffen, 67 Prozent in ihrem täglichen Umfeld. Nur 62 Prozent der Patient:innen erreichten die Versorgungszentren binnen 72 Stunden. Dabei wäre das der Zeitraum, in dem sich eine HIV-Infektion mit Hilfe von Medikamenten verhindern lassen würde. Nach Schätzungen der UN hat nur eines von vier Opfern überhaupt Zugang zu medizinischer Versorgung, nur 5 Prozent zu psychosozialer Unterstützung, 15 Prozent zu rechtlichem Beistand und nur 0,5 Prozent zu sozioökonomischen Hilfen.


Zur körperlichen und seelischen Verletzung kommt der soziale Ausschluss. Viele Opfer werden von ihren Familien verstoßen. Sehr viele Frauen berichten, dass ihre Partner ihnen die Schuld geben, sie aus dem Haus werfen und oft auch von ihren Kindern trennen. Andere lassen Frau und Kinder mittellos zurück. Die Vergewaltigungen haben so oft auch dramatische wirtschaftliche Folgen. Viele Frauen trauen sich nicht mehr, ihre Felder zu bestellen oder zum Markt zu gehen.

Forderung nach mehr Hilfe für Opfer


Ärzte ohne Grenzen fordert die kongolesischen Behörden, die Zivilgesellschaft und internationalen Partnerorganisationen auf, ihre Anstrengungen zu verstärken und Überlebende von sexueller Gewalt umfassend zu versorgen sowie sie medizinisch, psychologisch, sozioökonomisch und rechtlich zu unterstützen.

Bericht „Sexual Violence in the Democratic Republic of Congo: The Critical Need for a Comprehensive Response to Address the Needs of Survivors“