27.01.2023
Klar, man muss nicht alle Krankheiten kennen, die es auf der Welt gibt. Aber es gibt Krankheiten, die viele Menschen weltweit betreffen und über die man sprechen sollte.

Die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten der WHO beinhaltet 20 Krankheiten, die hier in Europa weitgehend unbekannt sind. Diese Krankheiten betreffen fast ausschließlich Menschen, die in extremer Armut leben. Aus diesem Grund gibt es keine Impfstoffe und kaum Diagnosemöglichkeiten. Auch die dringend benötigten Therapien sind oft nicht optimal oder schlichtweg nicht leistbar für Betroffene.

Erfahren Sie hier mehr über fünf dieser Krankheiten.

Wir sehen bei der Behandlung von vernachlässigten Tropenkrankheiten weltweit, welch verheerende Auswirkungen sie auf das Leben der Menschen haben.

Julien Potet, Experte für vernachlässigte Tropenkrankheiten

1. Schlangenbiss-Vergiftungen

Eine Vergiftung durch einen Schlangenbiss ist eine potenziell lebensbedrohliche Krankheit. Die Erkrankung wird entweder durch Toxine im Biss einer Giftschlange verursacht oder wenn Gift in die Augen gelangt. Es gibt bestimmte Schlangenarten, die zur Verteidigung Gift spucken können. Jedes Jahr sterben weltweit mehr als 138.000 Menschen an den Folgen von Schlangenbissen. Rund 400.000 Menschen bleiben nach einem Schlangenbiss dauerhaft entstellt und beeinträchtigt. Das sind mehr als bei jeder anderen vernachlässigten Krankheit.

Die Symptome einer Vergiftung durch einen Schlangenbiss variieren je nach Giftschlangenart. 
Mögliche akute Symptome eines Schlangenbisses können sein:

  • Bissspuren in der Haut 
  • Rötung, Schwellung, Bluterguss, Blutung oder Blasenbildung um die Bissstelle 
  • Starke Schmerzen und Empfindlichkeit an der Bissstelle 
  • Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall 
  • Schwerfällige Atmung
     

Es gibt nach wie vor kaum Möglichkeiten, Schlangenbisse zu verhindern oder deren Folgen zu behandeln. Der Zugang zu lebenswichtigen Gegengiften ist oft sehr begrenzt.

2. Noma

Noma ist eine infektiöse, aber nicht ansteckende bakterielle Erkrankung, die als Zahnfleischentzündung beginnt. Innerhalb von nur wenigen Tagen zerstört die Infektion Knochen und Gewebe im Gesicht.  Sie betrifft hauptsächlich Kinder unter sieben Jahren. Noma ist vor allem in einkommensschwachen Gebieten in Afrika und Asien verbreitet. Bis zu 90 Prozent der an Noma erkrankten Menschen sterben innerhalb der ersten zwei Wochen nach Auftreten der ersten Symptome, wenn keine Behandlung mit Antibiotika erfolgt. 

Noma beginnt als Zahnfleischentzündung, ähnlich wie ein kleines Geschwür im Mund. Neben Appetitlosigkeit haben die Kinder oft auch Fieber. Die Infektion zerstört sehr schnell Knochen, Gewebe und Muskulatur des Gesichtes und befällt Kiefer, Lippen, Wangen oder Nase – je nachdem, wo die Infektion beginnt. Es dauert nur wenige Tage, bis Noma in den Gesichtern der Überlebenden zu starken Entstellungen führt. Die Wunden beeinträchtigen meist auch die Fähigkeit zu essen, zu sprechen, zu sehen oder zu atmen.

Wenn die Krankheit schnell erkannt und angemessen behandelt wird, ist Noma leicht und erfolgreich therapierbar. Mit grundlegender Zahnpflege, Antibiotika und Wundbehandlung können Patient:innen innerhalb weniger Wochen vollständig genesen. Aktuell sterben jedoch nach wie vor rund 90 Prozent der Erkrankten, da in den betroffenen Bevölkerungsgruppen oft zu wenig über die Krankheit bekannt ist.

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3. Schlafkrankheit

Die afrikanische Schlafkrankheit, auch als Westafrikanische Schlafkrankheit bezeichnet, ist eine infektiöse Tropenerkrankung. Expert:innen sprechen von „Humane Afrikanische Trypanosomiasis“ (HAT). Die Erreger werden durch den Stich der Tsetsefliege übertragen. Die Schlafkrankheit betrifft vor allem das Lymph- und Nervensystem. Unbehandelt verläuft sie tödlich.

Die Schlafkrankheit verläuft in drei Phasen:

  • Phase 1 ist durch unspezifische Symptome gekennzeichnet: Fieber, Schwäche, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen. 
  • In Phase 2 greifen die Erreger vor allem das Nervensystem an. Das äußert sich in Form von: Schlafstörungen, Krampfanfällen, Erschöpfung und Verwirrung. 
  • In Phase 3 erreichen die Parasiten das Gehirn und Rückenmark. Es folgen: schwere neurologische Schäden, schwere Schlafstörungen, Umkehr des Schlaf-Wachrhythmus und die Patient:innen verfallen in einen Dämmerzustand ähnlich einem Koma.
     

Die Schlafkrankheit wird medikamentös behandelt. Lange Zeit hatte die Therapie starke Nebenwirkungen. Mittlerweile gibt es das Medikament Fexinidazol.

4. Kala Azar (viszerale Leishmaniose)

Kala Azar ist eine parasitäre Tropenkrankheit und wird durch den Biss von Sandfliegen übertragen. Von den rund 200.000 bis 400.000 jährlichen Fällen stammen 90 Prozent aus Äthiopien, Bangladesch, Brasilien, Indien, Südsudan und Sudan. Aber auch im Mittelmeerraum kommt Kala Azar vor. 

Die Symptome von Kala-Azar sind Fieber, Gewichtsverlust, Vergrößerung der Leber und der Milz, Blutarmut und ein geschwächtes Immunsystem. Unbehandelt endet Kala-Azar fast immer tödlich.

Kala Azar wird medikamentös behandelt. Erhielten Patient:innen früher vor allem Medikamente, die in den 1940er Jahren entwickelt wurden, haben sich die Möglichkeiten der Leishmaniose-Behandlung inzwischen deutlich verbessert. Das Medikament der ersten Wahl heißt Liposomales Amphotericin B. Es ist sicher und wird in fünf Einzeldosen verabreicht. Die Arznei wird als Infusion gegeben, sie läuft also über einen Tropf über zwei Stunden direkt in die Vene. Kala Azar gehört zu den vernachlässigten Krankheiten, in deren Erforschung unzureichend investiert wird, da sie hauptsächlich Menschen in ärmeren Ländern betrifft.

5. Chagas-Krankheit

Die Chagas-Krankheit ist eine parasitäre Erkrankung. Menschen stecken sich durch Bisse von infizierten Raubwanzen (Triatominae) an, sowie durch Kontakt mit deren Kot oder Urin. Auch durch Bluttransfusionen wird Chagas übertragen.

Während des ersten, akuten Stadiums von der Chagas-Krankheit treten kaum oder nur milde Symptome auf. Auch das folgende chronische Stadium kann jahrelang ohne Beschwerden verlaufen. Letztlich stellen sich aber bei rund 30 Prozent der infizierten Menschen Folgeerkrankungen ein, die die Lebenserwartung durchschnittlich um zehn Jahre verringern.

Die Diagnose der Krankheit ist kompliziert, die Blutproben müssen in Laboren analysiert werden. Derzeit gibt es nur zwei Medikamente, um Chagas zu behandeln: Benznidazol und Nifurtimox. Beide Präparate wurden bereits vor mehr als 40 Jahren entwickelt.