Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-Indien – Ärzte ohne Grenzen fürchtet um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten

26.04.2010
Ärzte ohne Grenzen befürchtet, dass das Abkommen den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten in ärmeren Ländern erschweren wird und fordert daher dazu auf, die Einschränkung der Generika-Produktion nicht weiter zu unterstützen, wie es das Abkommen vorsieht.

Brüssel/Wien, 26.04.2010. In dieser Woche beginnt die entscheidende Verhandlungsrunde zwischen der EU und Indien zu einem bilateralen Freihandelsabkommen. Ärzte ohne Grenzen befürchtet, dass das neue Abkommen den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten in ärmeren Ländern erschweren wird und fordert daher dazu auf, die Einschränkung der Generika-Produktion nicht weiter zu unterstützen, wie es das Abkommen vorsieht.

Vier Millionen HIV-Infizierte erhalten heute die lebensrettende antiretrovirale Therapie. 92 Prozent von ihnen bekommen Nachahmerpräparate, sogenannte Generika, meistens aus Indien. Ärzte ohne Grenzen befürchtet, dass eine Ausweitung des Schutzes geistigen Eigentums, wie sie die EU fordert, lebenswichtige Medikamente unbezahlbar macht. Aus der Sicht von Ärzte ohne Grenzen ist die Forderung der EU nach einer Verlängerung der indischen Patentlaufzeiten über die bisher international vereinbarten 20 Jahre hinaus besonders problematisch. Zusätzlich fordert die EU, dass indische Generika-Hersteller klinische Studien für Medikamente wiederholen müssen, deren Wirksamkeit Markenhersteller bereits nachgewiesen haben.

Vor allem für ärmere Länder spielt Indien eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung von bezahlbaren, lebensnotwendigen Generika. Ärzte ohne Grenzen bezieht antiretrovirale Medikamente zur Versorgung der HIV/Aids-Patienten zu 80 Prozent vom indischen Generika-Markt. So genannte Kombinationspräparate haben die Behandlung von HIV/Aids-Patienten revolutioniert. In ärmeren, strukturschwachen Ländern sind diese Kombinationstabletten besonders geeignet, eine optimale Behandlung zu gewährleisten. Die Bereitstellung dieser Kombinationspräparate ist nur möglich, weil es hierfür in Indien keine Patent-Hemmnisse gab.

„Besonders absurd ist, dass die EU mit Ihren Forderungen im europäischen Markt gar keine Veränderungen erreichen, sondern ausschließlich die Medikamentenmärkte in Indien und den ärmeren Ländern beeinflussen würde“, sagt Florian Breitenecker, Arzt und HIV-Experte von Ärzte ohne Grenzen Österreich. Da die Verhandlungen nun in die entscheidende Phase gehen, besteht jetzt die Chance, die Bestimmungen aus dem Abkommen zu entfernen, die die Behandlung von HIV/Aids-Kranken in ärmeren Ländern unmittelbar bedrohen. Die Profite von Pharmaunternehmen dürfen nicht über das Recht auf Leben und Gesundheit von Menschen gestellt werden.

„Weder der indische Handelsminister noch der europäische Handelskommissar haben zugesichert, dass die Bestimmungen vom Tisch sind, die den Wettbewerb in der Generika-Produktion und den Zugang zu Medikamenten beeinträchtigen würden”, sagt Michelle Childs von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Genf. „Wir werden weiter dafür kämpfen, dass diese offiziell und eindeutig aus dem Abkommen entfernt werden.”