Syrien: Kämpfe im Norden Aleppos gefährden letzte medizinische Versorgung

09.12.2015
Verschärfte Kampfhandlungen nahe der türkischen Grenze - Krankenhäuser unter Beschuss, Angriffe auf Konvois mit Hilfsgütern.

Wien, am 8. Dezember 2015 - Im Azaz-Distrikt im Norden Syriens nahe der türkischen Grenze haben sich Kampfhandlungen und Bombenangriffe im Laufe der vergangenen Woche verschärft. Dies gefährdet die medizinischen Aktivitäten in den wenigen Krankenhäusern und Gesundheitsposten, die in dem nördlichen Distrikt des Gouvernements Aleppo noch in Betrieb sind. Die internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) warnt, dass auch sie gezwungen sein könnte, ihr Krankenhaus in Azaz zu schließen.

„In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Kämpfe in östlichen und westlichen Teilen des Azaz-Distrikts“, sagt Carlos Francisco, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Norden Syriens. „Auch die Bombenangriffe kommen unserem Krankenhaus immer näher. Das Risiko für unsere Patienten und Mitarbeiter steigt. Gleichzeitig kommen immer mehr Patienten in unser Krankenhaus, weil andere Gesundheitsposten wegen der Kämpfe in den vergangenen Monaten geschlossen haben. Vergangenes Wochenende mussten wir die Aktivitäten im Krankenhaus bereits reduzieren. Als nächstes werden wir das Krankenhaus, das derzeit rund 50.000 Menschen versorgt, ganz schließen müssen.“

Im Oktober wurden im Norden Syriens insgesamt 12 Krankenhäuser bei Bombenangriffen getroffen, darunter 6 von Ärzte ohne Grenzen unterstützte. In den vergangenen zwei Wochen wurden zwei von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Krankenhäuser – in Zafarana im Gouvernement Homs sowie in Irbin, einem Vorort von Damaskus – bei Bombenangriffen getroffen. „Angesichts der Häufigkeit der Bombardierungen von Krankenhäusern sind wir extrem beunruhigt, was die Sicherheit unserer Patienten und Mitarbeiter angeht“, so Francisco.

Angriffe auf Konvois mit Hilfsgütern

Die Hauptstraße von Kilis in der Türkei nach Aleppo ist eine der Hauptrouten für die Versorgung des Ostens von Aleppo und für humanitäre Hilfe fast nicht mehr passierbar. „In den vergangenen Tagen wurden mehrere Konvois bombardiert. Vergangenen Donnerstag wurde ein LKW beschossen, der Pakte mit Hilfsgütern für Familien im Winter transportierte“, sagt Francisco. Am Wochenende musste Ärzte ohne Grenzen darum die Verteilung von Hilfsgütern an rund 40.000 Familien im Osten Aleppos stoppen. „Auf dieser Straße werden Nahrungsmittel, Treibstoff und humanitäre Hilfsgüter für rund 600.000 Menschen transportiert, die im Azaz-Distrikt und im Osten von Aleppo leben“, sagt Francisco.

Ärzte ohne Grenzen appelliert erneut an alle Konfliktparteien, alles zu unternehmen, damit Zivilisten und zivil genutzte Infrastruktur geschützt werden, einschließlich Krankenhäusern und Krankenwagen. Angriffe auf medizinische Einrichtungen müssen ein Ende haben. Die Menschen müssen mit Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Hilfe versorgt werden können.

Zwischen Juni und Oktober 2015 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen im Azaz-Distrikt rund 23.000 medizinische Konsultationen, 11.000 Notfallversorgungen und 1.000 Operationen durchgeführt. Ärzte ohne Grenzen unterstützt im Azaz-Distrikt und im Osten Aleppos zudem 35 Krankenhäuser und Gesundheitsposten. Insgesamt betreibt die Organisation 6 Krankenhäuser und unterstützt mehr als 150 Gesundheitsposten und Krankenhäuser im ganzen Land.