Schwere Cholera-Epidemie: Ärzte ohne Grenzen behandelt mehr als 18.000 Patienten

27.10.2017
Die schwere Cholera-Epidemie in der D.R. Kongo breitet sich weiter aus. Inzwischen sind fast alle Provinzen betroffen.

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Cholera intervention in South Kivu
Marta Soszynska/MSF
A child by the Fanu water source in the poor suburbs of Bukavu. This is where the residents fetch their water for cooking and drinking.

Die schwere Cholera-Epidemie in der D.R. Kongo breitet sich weiter aus. Inzwischen sind fast alle Provinzen betroffen. Mit 38.000 landesweit registrierten Fällen ist die Epidemie beispiellos in der Geschichte des Landes. Wir bieten kostenlose Behandlungen in der Provinz Süd-Kivu an, wo viele Menschen sich sonst keine Behandlung leisten könnten. Die Cholera-Epidemie einzudämmen wird wohl noch Wochen dauern. Neben der medizinischen Hilfe werden dafür vor allem der Zugang zu sauberem Wasser und die Aufklärung der Menschen entscheidend sein.

Aline Kendo weiß, welche Vorsichtsmaßnahmen sie Zuhause treffen muss, um ihren fünfjährigen Sohn Aristide vor einer Cholera-Infektion zu schützen. „Wir behandeln Zuhause unser Wasser, aber die Kinder spielen am See, vielleicht trinken sie daraus. Sie teilen ihr Essen. Wenn es auf der Straße gekauft wurde, ist es möglicherweise nicht unter hygienischen Bedingungen zubereitet worden. Obst, das sie finden, essen sie einfach… Es gibt viele Möglichkeiten, wie mein Sohn hätte krank werden können“, erzählt sie. Aline, 22, kannte alle relevanten Fakten, um ihren Sohn vor einer Infektion mit Cholera zu schützen: Man muss sich die Hände waschen, die Toilette sauber halten, das Wasser vor dem Trinken behandeln, Obst und Gemüse waschen –  aber trotz allem wurde Aristide krank.

Nach dem Ausbruch der Erkrankung brachte Aline Aristide direkt in das Cholera-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen in der Stadt Minova, die in der östlichen Provinz Süd-Kivu der Demokratischen Republik Kongo liegt. In dem Zentrum behandelt Ärzte ohne Grenzen die eintreffenden Cholera-Patienten kostenlos.

Beispielloser Choleraausbruch

Cholera ist in der D.R. Kongo weit verbreitet. Ärzte ohne Grenzen hat in diesem Jahr bereits mehr als 18.000 Patienten behandelt, 38.000 wurden landesweit registriert. Es ist zu erwarten, dass es viele Wochen dauern wird, um die Epidemie einzudämmen. Während in einigen Landesteilen die Patientenzahlen rückläufig sind oder gleichbleibend, tritt die Cholera diesmal auch in Städten auf, in denen nie zuvor Fälle der Erkrankung registriert wurden. Die andauernde Ausbreitung der Cholera in 21 von 26 Provinzen ist beispiellos in der Geschichte des Landes.

Aline brachte Aristide direkt zum Cholera-Behandlungszentrum in Minova, weil viele ihrer Nachbarn – mindestens vier – diesen Weg an denselben Tagen nehmen mussten. Ab dem 11. Oktober wurden in diesem Cholera-Behandlungszentrum 21 Patienten und Patientinnen behandelt. Vor einigen Wochen, auf dem Höhepunkt des Ausbruchs, wurden täglich 50 bis 55 neue Betroffene aufgenommen. Aline lebt in Budondo, in der Nähe des Kivusees, der auch die potenziell tödliche Krankheit mit sich bringt.

Dürre und mangelnde Trinkwasserversorgung tragen zur Ausbreitung bei

„Einer der Hauptgründe, warum die Cholera-Fälle in diesem Jahr so stark angestiegen sind, ist die Dürre“, erklärt Francisco Otero, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in der Demokratischen Republik Kongo. „Die Bohrlöcher sind ausgetrocknet oder der Wasserstand so niedrig, dass viele Menschen gezwungen waren, Wasser aus unsicheren Quellen wie Seen oder Flüssen zu nehmen. Die Behörden sind nicht in der Lage, der Bevölkerung sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen.“

Ein weiterer Grund für die schnelle Ausbreitung der Cholera: Diesmal sind dicht besiedelte Städte betroffen. Goma, die ebenfalls am Kivusee gelegene Hauptstadt von Nordkivu, ist ebenso betroffen wie die Städte Minova und Bukavu, die Hauptstadt von Süd-Kivu. In allen diesen Städten behandeln Teams von Ärzte ohne Grenzen Cholerapatienten.

Kinder sind besonders betroffen

Schrecklicherweise trifft die Cholera in vielen Fällen Kleinkinder, aber in den vergangenen Tagen wurden auch immer öfter ältere Kinder in die Behandlungszentren gebracht. „Wir glauben, dass der Schulbeginn zur Verbreitung der Cholera beigetragen hat”, erklärt Innocent Kunywana, der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Süd-Kivu. Das war wohl der Fall bei Jacqueline Niganda. Ihr 10-jähriger Sohn Awezaye erkrankte an heftigem Durchfall. Sie erzählt, er müsse mehr als seine Stunde zur Schule laufen: „Da kann ich nicht kontrollieren, was er tut, isst oder trinkt.”

Ein weiterer Grund für die Verbreitung der Cholera sind ungenügende Präventionsmaßnahmen und eine zu geringe Information der Bevölkerung. Die Cholera ist in mehreren Provinzen der D.R. Kongo endemisch, und sporadische Ausbrüche sind häufig. Trotzdem wissen Mitarbeiter des Gesundheitswesens manchmal nicht, wie man Cholera richtig behandelt. „Wir haben Krankenhäuser gefunden, in denen Cholerapatienten mit Patienten und Patientinnen anderer Erkrankungen gemeinsam untergebracht wurden”, sagt Kunywana. „Deshalb war die Infektionsgefahr für Angehörige und andere Patienten sehr hoch.”

„Laut der Vorschriften des Gesundheitsministeriums sollte die Behandlung der Cholera kostenlos sein”, ergänzt Otero. „Aber manchmal sind die Krankenhäusern dafür nicht ausgestattet. Sie müssen die Materialien und Medikamente selbst kaufen und die Kosten irgendwie wieder hereinholen. Deshalb berechnen sie sie oft den Patienten und Patientinnen.”

Trotz höchster Alarmstufe: Süd-Kivu wird vernachlässigt

Obwohl die Bevölkerung der beiden Provinzen Nord- und Süd-Kivu unter einem seit mehr als zwanzig Jahren andauernden Konflikt leidet, sind immer weniger Nichtregierungsorganisationen und internationale Hilfswerke vor Ort, die auf medizinische Notsituationen wie den Cholera-Ausbruch reagieren können, besonders in Süd-Kivu. „Wir sahen das schon während der Masern-Epidemie dieses Jahr, wir sehen es bei der Hilfe für Vertriebene, und jetzt zeigt sich das erneut während der Cholera-Epidemie“, sagt Otero. „Solche Ausbrüche werden sich wiederholen und verschlimmern, wenn sich nichts ändert. Die Vereinten Nationen haben den humanitären Notstand in der Provinz in das höchste Niveau 3 eingestuft. Wir werden erst noch sehen, ob sich das bei der Hilfe vor Ort niederschlägt.“