Pakistan: Die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen nach den Fluten

19.10.2010
Immer mehr Menschen kehren in ihre Heimat zurück, auch wenn von ihrem Zuhause kaum etwas geblieben ist.

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Pakistan 2010
Borrie Lagrange/MSF
Pakistan, 08.09.2010: Der Arzt Mauro D'Ascanio misst mithilfe eines sogenannten MUAC-Bandes (Mid and Upper Arm circumference) den Armumfang eines Kindes, um den Ernährungszustand festzustellen.

Zehn Wochen nach Beginn der verheerenden Fluten in Pakistan sind die Wassermassen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Punjab weitgehend zurückgegangen. Immer mehr Menschen kehren in ihre Heimat zurück, auch wenn von ihrem Zuhause kaum etwas geblieben ist. Ärzte ohne Grenzen versorgt die Vertriebenen in den Provinzen Sindh und Belutschistan nach wie vor medizinisch, verteilt Trinkwasser und errichtet Notunterkünfte. In anderen Landesteilen hat Ärzte ohne Grenzen den Fluteinsatz beendet.

Der Fluteinsatz von Ärzte ohne Grenzen im Überblick:

  • 57.000 Konsultationen wurden bislang in fünf Krankenhäusern, sieben mobilen Kliniken und sechs Behandlungszentren für Durchfallerkrankungen durchgeführt.
  • Mehr als 3.600 mangelernährte Kinder wurden behandelt.
  • 1.250.000 Liter Trinkwasser werden pro Tag verteilt und mehr als 700 Latrinen wurden errichtet.
  • Mehr als 58.000 Hilfsgüterpakete und 14.500 Zelte wurden bislang verteilt.
  • 125 internationale und fast 1.200 pakistanische Mitarbeiter sind im Fluteinsatz oder arbeiten in Programmen, die bereits vor den Fluten bestanden.
  • Etwa sieben Millionen Euro kostete der Fluteinsatz bislang.
  • Etwa 10,9 Millionen Euro beträgt das Budget für die bestehenden Programme im Jahr 2010.

Medizinische Aktivitäten

In der Provinz Sindh leisten die medizinischen Teams weiterhin mit mobilen Kliniken Hilfe. Während Durchfall- und Hauterkrankungen mancherorts deutlich abnehmen, leiden immer mehr Patienten an körperlichen Schmerzen und Erschöpfung – Folgen des enormen psychischen Stresses, den die Menschen erleben. Sie haben ihr Zuhause verloren, sie müssen unter unhygienischen Bedingungen in Camps und Notunterkünften leben, es fehlt an Nahrung und Trinkwasser. Ärzte ohne Grenzen leistet daher psychologische Hilfe für fast 600 Patienten.

In den Provinzen Sindh und Belutschistan untersuchen die Teams zudem Tausende Kinder auf Mangelernährung und behandeln erkrankte Kinder ambulant und stationär. Da sich die Nahrungsunsicherheit der Familien nach den Fluten verschlimmert hat und zudem in manchen Regionen zahlreiche Vertriebene Schutz suchen, sind die Patientenzahlen in einigen ambulanten Ernährungsprogrammen deutlich angestiegen. Zugleich ist es für die Teams eine Herausforderung sicherzustellen, dass die Kinder die ambulante Behandlung beenden können, da viele Vertriebene immer wieder an anderen Orten Schutz suchen.

Überlebenswichtige Bereitstellung von Trinkwasser

Ohne sauberes Trinkwasser können sich zum Beispiel gefährliche Durchfallerkrankungen schnell ausbreiten. Daher verteilen Wasser- und Sanitärexperten von Ärzte ohne Grenzen jeden Tag mehr als eine Million Liter Trinkwasser, und errichten immer noch neue Latrinen, Waschplätze und Duschen. Zudem stellen sie im Ort Saifullah Canal  in der Provinz Belutschistan zusätzliche Wasserpumpen und -tanks auf. Im Distrikt Jamshoro in der Provinz Sindh arbeiten Expertenteams in mehreren Gemeinden daran, die Sanitärsituation und das Abfallmanagement zu verbessern und klären die Bevölkerung über Hygienemaßnahmen auf.

Notunterkünfte für Rückkehrer

Immer mehr Menschen kehren aus den Vertriebenenlagern in ihre Heimatorte zurück, auch wenn ihr Zuhause vom Regen und von den Überschwemmungen völlig zerstört worden ist. Ärzte ohne Grenzen wird zurückkehrende Familien in der Provinz Sindh mit der Errichtung von 2.000 Notunterkünften unterstützen. Eine solche Notunterkunft aus Bambus und Plastikplanen hat eine Fläche von 25 Quadratmetern. Außerdem stellt Ärzte ohne Grenzen Materialien zum Wiederaufbau der Häuser zur Verfügung. „Damit wir wissen, was die Menschen am meisten benötigen, arbeiten wir mit Gemeindevertretern zusammen”, sagt Elisabetta Maria Faga, Katastrophenkoordinatorin in Sindh.

Unsere Teams verteilen zudem weiterhin Hilfsgüterpakete an Menschen, die bislang keine Hilfe erhalten haben. Im Distrikt Dera Murad Jamali in der Provinz Belutschistan zum Beispiel plant Ärzte ohne Grenzen die Verteilung von 2.500 Paketen.

Fluteinsätze in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, FATA und Punjab beendet

Nachdem die Phase der akuten Katastrophenhilfe beendet ist, hat Ärzte ohne Grenzen die ersten Projekte des Fluteinsatzes geschlossen. In der Provinz Khyber Pakhtunkhwa haben die Teams in den Distrikten Nowshera und Charsadda von Ende Juli bis Mitte Oktober Trinkwasser bereitgestellt, Hilfsgüter und Zelte verteilt und mit mobilen Kliniken medizinische Hilfe geleistet. In der Provinz Punjab haben die Teams im Distrikt Muzaffargarh in den vergangenen zehn Wochen in einem Behandlungszentrum für Durchfallerkrankungen 4.400 Patienten behandelt. Da sich die medizinische Situation verbessert und die epidemiologische Situation stabilisiert hat, hat Ärzte ohne Grenzen die medizinischen Aktivitäten an das Gesundheitsministerium übergeben.

Im vergangenen Monat haben zudem 5.000 Familien in Punjab Hilfsgüterpakete erhalten, 2.300 Familien wurden mit Zelten versorgt, und Wasser- und Sanitärteams haben in drei Dörfern Brunnen gegraben, damit die Menschen Zugang zu sauberem Wasser haben.

Projekte, die bereits vor den Fluten in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und FATA bestanden, werden fortgeführt. Ärzte ohne Grenzen bietet weiterhin in vom Konflikt betroffenen Regionen vor allem sekundäre Gesundheitsversorgung an, inklusive Notfallchirurgie und Geburtshilfe.

Ärzte ohne Grenzen ist seit 1988 in Pakistan tätig. Die Projekte werden ausschließlich mit privaten Spenden finanziert.