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Hilfe für Menschen auf der Flucht: Unsere Programme im Überblick
Themengebiete:
Ärzte ohne Grenzen arbeitete erstmals im Herbst 2002 mit Migrantinnen und Migranten im mediterranen Europa, auf der italienischen Insel Lampedusa. Dort starteten wir ein Programm zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern. Mit Menschen auf der Flucht arbeiten wir bereits seit vielen Jahrzehnten. Zwischen Januar und April 2016 sind mehr als 180.000 Menschen in Europa angekommen. Mehr als 1.200 Menschen starben auf dem Weg oder werden vermisst.
Der folgende Überblick fasst laufende Projekte zusammen.
Zentrales Mittelmeer und Ägäis
Im vergangenen Jahr konnten wir an Bord der Bourbon Argos, der Dignity I und der MY Phoenix 20.129 Menschen aus Seenot retten und weitere 3.000 Menschen unterstützen. Mit dem Rückgang der Boote aus Libyen und den erhöhten Such- und Rettungs-Kapazitäten im zentralen Mittelmeer pausierten die Aktivitäten ab Dezember 2015. Im April 2016 stach die Dignity I als erstes unserer Schiffe wieder in See. An Bord des Schiffes, welches 400 Menschen aufnehmen kann, befindet sich ein 16-köpfiges Team. Anschließend die Bourbon Argos und im Mai ein drittes Team auf dem Boot „Aquarius“ von SOS Méditerranée. Zwischen dem 21. April und dem 17. Juni konnten unsere Teams bereits 3.623 Menschen retten.
Aufgrund der konstant hohen Zahl der Ankommenden aus der Türkei auf den griechischen Inseln startete Ärzte ohne Grenzen 2015 auch Rettungsmaßnahmen in der Ägäis vor der Insel Lesbos in Zusammenarbeit mit Greenpeace. Zwischen dem 27. November 2015 und dem 17. Juni 2016 unterstützten unsere Teams Greenpeace in 361 Einsätzen bei der Rettung von mehr als 18.117 Menschen. Ende März beendete Greenpeace seine Rettungsmission und übergab das Projekt an Ärzte ohne Grenzen. In den vergangenen Wochen sind die Zahlen der Menschen, die von der Türkei nach Lesbos kommen, stark zurückgegangen.
Sowohl in der Ägäis und als auch im zentralen Mittelmeer sind unsere Rettungseinsätze nur eine vorübergehende Maßnahme, um den Verlust von Menschenleben zu verhindern, aber sie können keine Lösung darstellen.
Italien
Seit Januar 2016 sind 52.637 Menschen in Italien angekommen. Der Großteil der Ankömmlinge, die Italien mit Booten erreichen, stammt aus Nigeria. Auf der Liste der wichtigsten Herkunftsländer folgen Gambia und Somalia. Unter den Ankommenden sind 74 Prozent Männer, 10 Prozent Frauen und 16 Prozent Kinder, von denen 14 Prozent unbegleitete Minderjährige sind.
In Italien, wo der Zustrom zahlreicher Migranten und Asylsuchender über das Mittelmeer keine neue Situation darstellt, ist das Aufnahmesystem großen Belastungen ausgesetzt. Ärzte ohne Grenzen hat in monatelangen Verhandlungen mit den Behörden wiederholt auf die Unzulänglichkeiten von Italiens Aufnahmesystem hingewiesen, diese dokumentiert und im letzten November in Form eines Reports einem parlamentarischen Ausschuss vorgelegt.
Sizilien
Vor dem Hintergrund der Schiffsunglücke und Toten auf dem Mittelmeer sowie den teilweise traumatischen Erfahrungen der Menschen auf ihrer Migrationsroute hat Ärzte ohne Grenzen sich entschieden, die psychologische Unterstützung an den Ankunftsorten in Sizilien fortzusetzen. Dabei leisten wir zum einen psychologisch Erste-Hilfe, die sich insbesondere an Überlebende von Schiffbrüchen richtet. Diese Aktivitäten ermöglicht ein mobiles Team, das innerhalb von 72 Stunden am Einsatzort sein kann.
Zudem leisten wir psychologische Unterstützung in 15 verschiedenen Aufnahmeeinrichtungen in der Provinz Trapani. Unser Team aus Psychologen und kulturellen Mediatoren bietet neben Einzel- und Gruppengesprächen auch Zugang zu grundlegender Versorgung und Informationen sowie die Überweisung von Patienten in medizinische und psychologische Einrichtungen an.
Rom
Ärzte ohne Grenzen eröffnete im April 2016 ein Projekt zur Rehabilitierung Asylsuchender, die Opfer von Folter geworden sind. Wir werden dabei von zwei italienischen Organisationen unterstützt. Insgesamt haben wir in unserem Projekt in Rom bislang 50 Betroffene aus 20 Ländern in individuellen Beratungsgesprächen betreut. 2016 startete Ärzte ohne Grenzen mit lokalen Partnern ein Projekt zur Identifikation rheumatischer Herzkrankheit bei Migranten. Unser besonderes Augenmerk gilt Betroffenen, die nicht in staatlicher Obhut leben.
Gorizia
In der Stadt Gorizia an der Grenze zu Slowenien versorgt Ärzte ohne Grenzen mehrere hundert Asylsuchende, die vom institutionellen Aufnahmesystem ausgeschlossen geblieben sind. Seit Dezember 2015 haben wir 25 Container mit einer Gesamtkapazität für 96 Menschen aufgestellt und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Wir haben bislang rund 800 medizinische Untersuchungen und Arztbesuche in Zusammenarbeit mit dem International Rescue Committee (IRC) und den lokalen Gesundheitsbehörden durchgeführt.
Darüber hinaus haben wir im April und Mai 65 Menschen psychologisch begleitet. Derzeit arbeiten wir mit den lokalen Behörden zusammen, um die Übergabe der Verwaltung und der medizinischen Aktivitäten zu organisieren, die nach unserer Abreise (voraussichtlich Ende Juni) weitergehen sollen.
Griechenland
Ärzte ohne Grenzen stellt Flüchtlingen und Migranten, die auf der Inselgruppe der Dodekanes sowie in Lesbos, Samos und Agathonisi ankommen oder sich in Athen und Idomeni, an der griechisch-mazedonischen Grenze, aufhalten, medizinische Versorgung, Unterkünfte, Wasser, sanitäre Anlagen und Hilfsgüter zur Verfügung. Die Teams verteilen auch Hilfsgüter (Brennstoffe, Zelte, Essen, Winterkleidung und Decken) an Gruppen aus Freiwilligen in Griechenland, um ihren Einsatz für Flüchtlinge zu unterstützen. 2015 kamen in Griechenland so viele Menschen an wie noch nie. Am Ende des Jahres waren 856.723 Menschen im Land angekommen. Durchschnittlich starben pro Tag zehn Menschen bei dem Versuch, über das Meer nach Europa zu kommen. Bis zum 17. Juni 2016 sind mehr als 157.000 Menschen in Griechenland angekommen und rund 400 sind bei dem Versuch, Europa zu erreichen, gestorben oder werden vermisst.
Die komplette Schließung der Balkanroute, der Hauptmigrationsroute nach Westeuropa, hat zur Folge, dass viele Menschen in Griechenland festsitzen. Die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien (F.Y.R.O.M.) ist de facto für jeden geschlossen und kein Flüchtling darf die Grenze überqueren. Somit sind schätzungsweise mehr als 52.000 Menschen in Griechenland gestrandet, davon sind mehr als 8.000 auf den Inseln, 14.000 in Athen und mehr als 30.000 im restlichen griechischen Festland verteilt.
Lesbos
Bis zum 30. April sind rund 90.000 Menschen auf der Insel Lesbos angekommen – 91 Prozent von ihnen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Seit Januar 2016 führten Teams von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos 11.216 Sprechstunden durch. Psychologen von Ärzte ohne Grenzen leisteten zudem in 139 Gruppensitzungen psychosoziale Hilfe für insgesamt 599 Menschen.
Im März 2016 entschied Ärzte ohne Grenzen alle Aktivitäten innerhalb des sogenannten ‚Hotspot‘ Moria zu beenden, da sich mit dem EU-Türkei-Abkommen der Zweck des Lagers geändert hat. Das einstige Registrierungszentrum ist nun ein Abschiebezentrum. Die grundlegenden Rechte der Menschen werden nur unzureichend respektiert. Die eilige Umwandlung Morias zu einem geschlossenen Abschiebelager ging nicht mit der Bereitstellung von Unterstützung für die Menschen im Lager einher. Der Lebensstandard vor Ort ist stark gesunken und allgemeine humanitäre Mindeststandards werden nicht eingehalten. Der Mangel an Informationen über ihren Status und ihre Verfahren trägt neben der schlechten Sicherheitslage zur Frustration der Menschen im Lager bei. Im April wurden die am stärksten hilfsbedürftigen Personen in ein Lager nach Kara Tepe im Süden der Insel gebracht, wo Ärzte ohne Grenzen mit einer mobilen Klinik vor Ort ist. Wir stellen zudem unsere ehemalige Klinik in Moria anderen Akteuren zur Verfügung, die dort medizinische Unterstützung anbieten und leisten Notfallhilfe wenn nach Auseinandersetzung in dem Abschiebezentrum viele verletzt werden.
In Mantamados hat Ärzte ohne Grenzen ein Transitlager aufgebaut, das zunächst für Neuankömmlinge gedacht war. Im Mai wurde das Lager jedoch zu einer temporären Unterkunft für 75 unbegleitete Minderjährige, die Ärzte ohne Grenzen gemeinsam mit den Hilfsorganisationen Praksis und Save the Children versorgt.
Vor dem Hintergrund der Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens wurde zudem ein zunehmender Bedarf an Hilfe in Rechtsangelegenheiten deutlich. Ärzte ohne Grenzen finanziert daher erfahrene Anwälte, die Geflüchtete in ihren rechtlichen Verfahren begleiten.
Idomeni
Seit April 2015 war Ärzte ohne Grenzen im Lager von Idomeni aktiv. Am 24. und 25. Mai 2016 wurde das Camp zwangsgeräumt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben unsere Teams insgesamt 38.000 medizinische Behandlungen durchgeführt sowie Hilfsgüter, Wasser und Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt. Zudem versorgten unsere Teams die Menschen vor Ort mit Notunterkünften und Sanitäranlagen. Das Lager in Idomeni war nur ein Transitcamp und nicht dafür ausgerichtet, tausende Menschen für eine längere Zeit aufzunehmen. Die Bedingungen waren dementsprechend sehr schlecht und wurden durch andauernde Regenfälle weiter verschärft.
Die Räumung des Camps durch die griechischen Behörden wurde stark kritisiert, da den Menschen nicht gesagt wurde, wo man sie hinbringen würde und sie gezwungen wurden, das Lager zu verlassen. Darüber hinaus wurden alle Freiwilligen aus dem Camp verwiesen und auch Hilfsorganisationen hatten nur noch eingeschränkten Zugang. Die Flüchtlinge und Migranten aus Idomeni wurden in neu eingerichtete Lager gebracht, in denen die Aufnahmebedingungen jedoch sehr schlecht waren. Die neuen Unterkünfte waren stark überfüllt und die Wasser- und Sanitäranlagen unzureichend. Seither haben sich die Bedingungen verbessert, allerdings befinden sich die meisten Unterkünfte in ehemaligen Industrieanlagen, die nicht dazu gedacht sind, Menschen unterzubringen. Zudem bestehen starke Brandsicherheitsbedenken. Ärzte ohne Grenzen beobachtet die Situation, um zu entscheiden, ob der Einsatz mobiler Kliniken notwendig ist.
Rund 3.000 Flüchtlinge und Migranten halten sich auch weiterhin an einer Tankstelle rund 20 Kilometer vom ehemaligen Lager entfernt sowie an anderen Stellen in der Nähe auf. Ärzte ohne Grenzen betreibt dort eine mobile medizinische Einheit.
Samos und Agathonisi
Im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens wurde der ‚Hotspot‘ auf Samos zu einem Abschiebezentrum umfunktioniert. Die Kapazitäten des Camps sind ausgereizt – zurzeit sind dort 1.000 Menschen eingesperrt und Mitte Mai kam es zu Unruhen und ein Feuer brach aus, weil die Spannungen im überfüllten Abschiebezentrum hochkochten. Ärzte ohne Grenzen unterstützt Freiwillige die im Lager arbeiten mit Spenden und hat begonnen, die am stärksten hilfsbedürften Menschen in einem Hotel auf der anderen Seite der Insel unterzubringen. Dort bieten unsere Teams medizinische und psychologische Grundversorgung an und versorgen die Menschen mit Nahrungsmitteln. Bisher wurden 60 Menschen in dem Hotel untergebracht, das Platz für 200 Personen bietet.
Ein Team von Ärzte ohne Grenzen, das Erste-Hilfe für Neuankommende auf Samos leistet, wird seine Aktivitäten aufgrund der niedrigen Ankunftszahlen im Juni beenden. Seit Januar 2016 haben unsere Mitarbeiter 5.721 Menschen medizinisch untersucht.
Auf der Insel Agathonisi, in der Nähe von Samos, empfing Ärzte ohne Grenzen Bootsflüchtlinge und stellte ihnen medizinische Betreuung und Unterkünfte zur Verfügung. 2016 kamen hier bisher 1.688 Menschen an. Inzwischen gibt es kaum noch Neuankömmlinge. Daher haben wir unsere Aktivitäten auf der Insel eingestellt. Wir beobachten die Situation weiterhin.
Korinthos
Im Auffanglager Korinthos wurden zwischen Februar und Mai 2016 267 medizinische Behandlungen durchgeführt. Inzwischen hat Ärzte ohne Grenzen seine Aktivitäten dort wieder eingestellt.
Athen
Ärzte ohne Grenzen startete im Oktober 2014 ein Projekt für Migranten und Asylsuchende, die in ihrer Heimat, auf ihrer Reise oder in Griechenland Gewalt erfahren haben. In Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren unterstützen wir die Menschen medizinisch, psychologisch, rechtlich und sozial. Seit der Schließung der Balkanroute im März 2016 bleiben immer mehr Migranten und Flüchtlinge für längere Zeit in Athen. Die Anfragen in unserem Projekt haben sich seither vervierfacht. Die Kapazitäten des Projekts werden nun erhöht, um auf die neuen Bedürfnisse reagieren zu können.
Rund 14.000 Migranten und Asylsuchende halten sich jetzt in der griechischen Hauptstadt und ihrer Umgebung auf. Sie können nicht weiterreisen und die Kapazitäten für ihre Unterbringung sind erschöpft. Im Westterminal des Elliniko-Flughafens, das in ein Aufnahmelager für Flüchtlinge umgewandelt wurde, schlafenrund 4.000 Menschen unter unzumutbaren Bedingungen. Dort ist Ärzte ohne Grenzen mit einer mobilen Klinik insbesondere im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung und psychologische Beratung aktiv. Für Ende Juni planen wir die Mehrfachimpfung von 1.260 Kindern unter 15 Jahren. Die griechische Regierung plant inzwischen die baldige Räumung des Camps.
Ärzte ohne Grenzen beobachtet zudem die Situation in weiteren inoffiziellen Camps und plant für Anfang Juli die Eröffnung einer weiteren medizinischen Einrichtung in Athen, die medizinische und psychologische Hilfe für Migranten und die griechische Bevölkerung anbieten wird.
Die Menschen, die in den Wartehallen des Hafens von Piräus und in Zelten im Außenbereich schlafen, werden zurzeit schrittweise in andere Unterkünfte gebracht. Ärzte ohne Grenzen ist medizinisch und psychologisch aktiv und wirkt bei der Verteilung von Nahrung und Decken am Transitcenter mit, wo auch die Registrierung abgewickelt wird. Seit Mitte Mai konnten wir unsere Aktivitäten deutlich reduzieren, da immer weniger Menschen vor Ort sind und der Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessert wurde. Darüber hinaus führen wir ambulante Behandlungen im Aufnahmezentrum an der Metrostation Eleonas durch, in dem 2.200 Asylsuchende wohnen. Zudem begleiten wir Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus und stellen ihnen Übersetzer zur Verfügung. Seit Januar 2016 haben unsere Teams in Elenoas 2.438 medizinische Behandlungen durchgeführt und 260 Menschen an medizinische Einrichtungen überwiesen.
Der Viktoriaplatz im Zentrum von Athen ist zu einem inoffiziellen Treffpunkt für Migranten geworden. Ärzte ohne Grenzen führt in einer nahegelegenen Einrichtung medizinische Behandlungen durch und bietet seit kurzem auch psychologische Unterstützung an. Darüber hinaus besuchen unsere Teams mit einer mobilen Klinik weitere kleine Lager in der Region Attica und bieten dort ebenfalls psychologische Hilfe an.
Thermopiles
Vor kurzem hat Ärzte ohne Grenzen begonnen, in einem Lager in Thermopiles zu arbeiten, in dem 450 vor allem syrische Flüchtlingsfamilien untergebracht sind. Die Menschen leben in einem verlassenen Hotel 20 Kilometer vom nächsten Ort entfernt und werden von uns einmal die Woche mit einer mobilen Klinik medizinisch und psychologisch versorgt. Zudem stellen wir den Geflüchteten Hilfsgüter wie Moskitonetze und Mückenschutzmittel zur Verfügung, um die Gesundheitsrisiken zu minimieren. Auch in dieser Einrichtung sollen 160 Kinder unter 15 Jahren mit einer Mehrfachimpfung immunisiert werden.
Epirus, Katsikas und Umgebung
Seit Anfang Mai bietet Ärzte ohne Grenzen in einem Camp der griechischen Regierung in Katsikas medizinische und psychologische Versorgung insbesondere für Kinder und Frauen an. Zudem versorgen wir Menschen mit chronischen Erkrankungen und überweisen Patienten in das Krankenhaus von Ioannina.
Zudem versorgen unsere Teams die Menschen in verschiedenen kleineren Camps in der Region mit einer mobilen Klinik und bieten psychologische Unterstützung an. Zudem verteilen wir Hygiene-Artikel und planen eine Impfkampagne für die erste Julihälfte.
Kos/Leros
Vor dem Hintergrund stark sinkender Zahlen von Neuankömmlingen hat Ärzte ohne Grenzen seine Aktivitäten auf Kos und Leros im Mai beendet. Unsere Teams beobachten weiterhin die Situation
Serbien
Die Schließung der Balkanroute führte dazu, dass viele Geflüchtete in Serbien festsitzen und nicht weiterreisen können: Rund 2.000 Menschen aus Afghanistan, Pakistan und Syrien halten sich momentan in Serbien auf. Tag für Tag kommen weitere 250 bis 450 Flüchtende in Serbien an, meist über versteckte und gefährlichere Schmuggelrouten in Bulgarien und Mazedonien.
Die Grenze zu Ungarn bleibt für sie die einzige legale Möglichkeit um von Serbien in die EU zu gelangen. Derzeit gelingt dies nur noch wenigen Flüchtenden: Die Anzahl der Grenzüberschreitungen nach Ungarn sank von 60 auf 15 pro Tag. Kriminelle Netzwerke haben nun leichteres Spiel, das Schicksal der Menschen auszunutzen. Seit November 2015 verzeichnen unsere Teams einen Anstieg gewaltsamer Handlungen, sowohl durch Polizeikräfte als auch durch Schmuggler.
Vom 1. Januar bis zum 10. Juni 2016 hat Ärzte ohne Grenzen in Serbien insgesamt 16.833 Behandlungen angeboten. Unsere Psychologen haben mehr als 376 Menschen in individuellen Sitzungen und 1.309 Teilnehmer in Gruppensitzungen geholfen. Teams von Ärzte ohne Grenzen sind seit 2014 an den serbischen Grenzen für Menschen auf der Flucht im Einsatz.
Belgrad
Die Schließung der Balkanroute wirkte sich auch auf die Hauptstadt Belgrad aus: Im November 2015 bemerkten unsere Teams, dass trotz schwieriger Wetterverhältnisse immer mehr Menschen im Freien übernachten mussten und keine Unterstützung erhielten. Ärzte ohne Grenzen etablierte deshalb mobile Teams, die an mehreren wichtigen Punkten stationiert sind, u.a. auch am Lager Krnjaca, in dem gestrandete Familien, Ältere und Flüchtlinge leben. Seit März 2016 sind wir mit einer mobilen Klinik in einem Park in der Nähe des Hauptbahnhofs im Einsatz. Seit April 2016 animiert das Kommissariat für Flüchtlinge und Migration die Menschen dazu in die Camps umzuziehen. Das Lager Krnjaca hat deswegen seine Kapazität erreicht. Mit den höheren Temperaturen in den kommenden Sommermonaten können die steigende Zahl der Hautinfektionen sowie ein erhöhter Wasserbedarf und nur wenige sanitäre Anlagen in Belgrad zum Problem werden.
Ärzte ohne Grenzen bietet eine grundlegende medizinische Versorgung an und verteilt Hilfsgüter. Außerdem setzten wir uns für Unterkünfte und den Schutz hilfsbedürftiger Menschen ein, die durch gewaltsame Übergriffe von Polizei, Schmugglern und kriminellen Gruppen gefährdet sind. Viele Betroffene hatten versucht, die kroatische Grenze zu überqueren. Sie wurden jedoch an der Einreise per Zug gehindert oder von der Polizei zurückgeschickt. Zwar können unsere Mitarbeiter derartige Vorkommnisse nicht bezeugen und Täter nicht identifizieren. Gleichwohl haben wir Fälle behandelt, die sich mit den Schilderungen unserer Patienten aus Bulgarien und Mazedonien decken.
Presevo
Ärzte ohne Grenzen hat Ende April die Arbeit rund um Miratovac nahe der Registrierungsstelle in Presevo eingestellt. Mit der Schließung der Balkanroute und seit dem EU-Türkei-Abkommen versuchen immer weniger Menschen über die mazedonische Grenze zu fliehen.
Subotica
An der Anlaufstelle für Geflüchtete und in den Transitzonen von Kelebija und Horgos steigt ständig die Zahl der Geflüchteten und liegt aktuell bei 450 bis 650 Menschen. Ärzte ohne Grenzen hat dort seit dem April 2016 für rund 3.700 medizinische Behandlungen gesorgt. Zudem verteilen unsere Teams Decken, Hygiene-Artikel und Trinkwasser an die Menschen. Zusätzlich kümmern wir uns um die Müllentsorgung, überweisen medizinische Notfälle an andere Akteure und setzen uns für einen besseren Zugang der Wartenden zu Unterkünften und Sanitäranlagen ein.
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Mazedonien (F.Y.R.O.M)
Mit Schließung der Balkanroute werden mehr Flüchtlinge an der Grenze zu Mazedonien gewaltsam zurückgedrängt. Die relevanten Autoritäten wurden auf die Berichte über die Gewalt in Mazedonien aufmerksam gemacht. In Mazedonien selbst ist es zu politischen Unruhen und Demonstrationen gekommen.
Kroatien (2015)
Ärzte ohne Grenzen hat im Oktober 2015 an der Grenze zwischen Kroatien und Serbien in einem Transitcamp in Opatovac gearbeitet, welches täglich rund 5.000 Personen beherbergte, und dort eine Klinik eröffnet. Zudem arbeiteten die Teams in mobilen Kliniken an verschiedenen Grenzübergängen. Nach der Entscheidung der ungarischen Regierung, die Grenze zu schließen, saßen tausende Menschen an den Grenzübergängen fest. Wir beobachten die Situation im Land weiter, insbesondere die Lage an den Grenzen zu Serbien und Slowenien.
Slowenien (2015)
Zwischen dem 20. Oktober und Anfang November 2015 unterstützte Ärzte ohne Grenzen das Gesundheitsministerium im Transitzentrum in Brezice nahe der Grenze zu Kroatien. Die Teams behandelten vor allem Symptome von Erschöpfung, Unterkühlung und Atemwegsinfektionen. Ende Oktober wurden von Kroatien aus Züge organisiert, um die Menschen direkt an die slowenisch-österreichische Grenze zu bringen. Das Transitzentrum in Brezice wurde geschlossen und die medizinischen Bedürfnisse der Flüchtlinge werden nun von den Behörden vor Ort gedeckt. Wir beobachten die Situation weiter.
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Frankreich
Grande Synthe
Zusammen mit der Gemeindeverwaltung von Grande Synthe und weiteren Partnerorganisationen hat Ärzte ohne Grenzen dabei geholfen, 1.500 Migranten vom Camp in Basroch an den neuen Standort Linière umzusiedeln. Unsere kulturellen Mediatoren haben langwierige Gespräche mit den Menschen geführt und dabei geholfen, sie schließlich zur Kooperation zu bewegen. Im Lager von Linière, das ursprünglich für 2.500 Menschen geplant war, haben bis zu 375 beheizte Unterkünfte aus Holz Platz, in denen jeweils vier Menschen leben können. 300 davon wurden schon aufgestellt. Ende April lebten in dem Camp 1.101 Menschen.
Die französische Regierung hat zugestimmt, die Finanzierung des Camps im nächsten Jahr mit 3,9 Millionen Euro zu unterstützen. Das Büro des Bürgermeisters hat die Organisation AEFJI (Association Flandres Education Formation Jeunes Insertion) mit dem Management des Camps beauftragt. Trotz der Beteiligung der französischen Regierung am Grand Synthe Camp, beobachtet Ärzte ohne Grenzen weiterhin die Situation und den Wechsel des Camp-Managements. Die Polizei teilte im Mai mit, dass es noch 757 Camp-Bewohner geben soll. In Zusammenarbeit mit Ärzte der Welt, Gynäkologen ohne Grenzen und dem Französischen Roten Kreuz betreibt Ärzte ohne Grenzen das Gesundheitszentrum innerhalb des Camps. Zusätzlich wird psychologische Unterstützung und ein Gesundheitsservice für Frauen angeboten. Alle Gesundheitsaktivitäten im Camp werden in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Dunkerque angeboten, wohin Patienten überwiesen werden können. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. März führten Teams von Ärzte ohne Grenzen 1.217 Behandlungen durch und boten, gemeinsam mit dem französischen Roten Kreuz, im Durchschnitt 48 psychologische Beratungen pro Monat an.
Calais
Trotz der Zwangsräumungen durch die französische Regierung im März 2016 leben im sogenannten „Dschungel von Calais“ weiterhin rund 5.000 Menschen. Heute bedeckt der „Dschungel“ nur noch die Hälfte seiner ursprünglichen Größe. Daraus ergeben sich Probleme: Die Überfüllung erhöht die Spannungen innerhalb der Bewohner. Die Gewalt unter den Migranten hat am 26. Mai einen Brand ausgelöst, der über 800 Menschen ohne Unterkunft zurückließ. Die Wasser- und die sanitäre Versorgung gehören ebenfalls zur den größten Problemen, weil ständig neue Menschen ankommen.
Ärzte ohne Grenzen erhöht die Unterstützung für die hilfsbedürftigsten Gruppen im Camp: Frauen, unbegleitete Minderjährige und Menschen mit psychischen Problemen. Ärzte ohne Grenzen wird in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ein Jugendzentrum eröffnen, das Minderjährigen Zugang zu psychologischer Unterstützung, rechtlichen Informationen und Bildungsaktivitäten ermöglichen wird. Anfang Juni wurden über 350 unbegleitete Minderjährige registriert. Ihre Zahl wird weiterhin steigen und es gibt bis heute keine staatlich finanzierte Unterstützung für sie.
Tunesien
Ärzte ohne Grenzen hat in Zarzis Seenotrettungskurse für Fischer angeboten. Fischer sind oft zuerst vor Ort, wenn Flüchtlingsboote nahe ihren Fischgründen in Schwierigkeiten geraten. Wir haben ihnen auch Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Ärzte ohne Grenzen führte zudem Schulungen für den tunesischen und libyschen Roten Halbmond durch, wie mit den Körpern Verstorbener umgegangen werden sollte.
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