Im Departement Nord übernimmt das Gesundheitsministerium die Verantwortung im Kampf gegen die Cholera

19.10.2011
Ärzte ohne Grenzen übergibt Aktivitäten in dieser Region

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Haiti 2011
Aurelie Lachant/MSF
Cap Haitien, Haiti, 02.12.2011: Archivbild: Auch die 20-jährige Chery Lunise war im November 2010 an Cholera erkrankt. Sie wurde erfolgreich im Cholera-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen behandelt.

Auch ein Jahr nach Ausbruch der Cholera-Epidemie stecken sich in Haiti Woche für Woche immer noch tausende Menschen neu mit dem Erreger an. Während die Gesundheitseinrichtungen und die Maßnahmen gegen eine Ausbreitung der Cholera landesweit noch immer ungenügend sind, wurden im Departement Nord in den letzten Monaten deutliche Verbesserungen verzeichnet. Es kommt zwar immer wieder zu Spitzen mit durchschnittlich 200 bis 500 Fällen pro Woche, doch mittlerweile hat das Gesundheitsministerium die Cholera-Behandlung übernommen und Ärzte ohne Grenzen konnte sich aus aus der direkten Arbeit in diesem Gebiet zurückziehen.

Bereits vor sechs Monaten begann Ärzte ohne Grenzen mit der schrittweisen Übergabe seiner Aktivitäten gegen die Cholera an die haitianischen Behörden und die Partnerorganisationen in Cap Haïtien, der zweitgrößten Stadt des Landes im Norden der Insel. Verglichen mit den anderen Regionen ist der Zugang zu einer medizinischen Behandlung im Departement Nord recht  gut. In allen größeren Gesundheitszentren, die nun vom Gesundheitsministerium und seinen Partnern betrieben werden, gibt es eine Cholera-Station und entsprechend ausgebildetes Personal. Vor allem in den von Ärzte ohne Grenzen als kritisch eingestuften Gebieten wird die Arbeit auch durch andere Organisationen unterstützt.

Fortschreitender Rückzug: Nachschub, Beratung, Aufsicht und Ausbildung

Ärzte ohne Grenzen hat die Gesundheitsbehörden im Norden schon beim Ausbruch der Epidemie im vergangenen Jahr darauf vorbereitet, die Cholera-Behandlung eines Tages selbst zu übernehmen: „Seit drei Monaten arbeiten wir nicht mehr direkt mit den Patienten in den Gesundheitseinrichtungen, sondern sind nur noch unterstützend für die Gesundheitsdirektion Nord tätig. Und es klappt!“, erzählt Laurence Desvignes, Ärzte ohne Grenzen-Koordinatorin in Cap Haïtien. Diese Unterstützung umfasst Beratung, Aufsicht und Ausbildung, damit die haitianischen Ärzte und das medizinische Personal in den Zentren eine angemessene Behandlung anbieten können. Und wenn die Lagerbestände nicht mehr ausreichen, werden Medikamente und Material nachgeliefert.

Das Gesundheitsministerium führt auch die Informationskampagne gegen Cholera weiter, die Ärzte ohne Grenzen letztes Jahr begonnen hat: Im ganzen Departement wurden über 800 „Botschafter“ angeworben. Die „Botschafter“ orientieren die Bevölkerung über die Notwendigkeit von Hygienemaßnahmen, die Einrichtung und Betreuung von Gesundheitseinrichtungen in den ländlichen Gebieten, die Wasseraufbereitung und die Desinfektion der Wohnräume. Von den etwa 823.000 Einwohnern konnten so über 205.500 Menschen durch Kontakte an der Haustür, auf den Märkten, in den Schulen und Kirchen erreicht werden.

Bei der Übergabe der Tätigkeiten galt ein besonderes Augenmerk den abgelegenen Gebieten, wo der Zugang zu einer Behandlung oft schwierig ist. In diesen ländlichen Gebieten wurden kleine Rehydrierungsstellen (PRO, point de réhydration orale) aufgebaut, damit die Kranken zuerst oral rehydriert werden können, bevor sie den weiten Weg bis zu einem Behandlungszentrum auf sich nehmen. Die Botschafter betreiben im gesamten Departement annähernd 300 solcher Rehydrierungsstellen, und in einigen besonders schwer zugänglichen Gebieten werden sie durch von Ärzte ohne Grenzen ausgebildete Freiwillige unterstützt.

Stigmatisierung, schlechte Gewohnheiten und religiöser Hintergrund

Anfang Oktober hat die Regenzeit eingesetzt, und die Zahl der Fälle in der Region von Cap Haïtien, aber auch in den anderen Landesteilen, ist sprunghaft angestiegen. Die Abwässer und der Zugang zu sauberem Trinkwasser stellen nach wie vor große Probleme im Kampf gegen die Epidemie dar. Aber auch andere Faktoren, wie etwa das Verhalten der Menschen, können zu einem Wiederaufflammen der Krankheit führen.

Die Menschen in Haiti sind sehr gläubig, und Voodoo ist tief in der Kultur verankert. „Wie auch andere Krankheiten wird die Cholera manchmal als Schicksalsschlag gesehen und nicht als eine Folge der schlechten Hygienebedingungen. Auch werden die Kranken noch immer stark stigmatisiert, so dass sie sich oft nur außerhalb ihrer Gemeinschaft behandeln lassen, was die Behandlung weiter verzögert“, erklärt Laurence Desvignes. „Wir haben auch festgestellt, dass einige hygienische Grundregeln einfach nicht beachtet werden. Die Menschen haben Mühe, ihre alten Gewohnheiten abzulegen.“

Laut der Koordinatorin ist die Lage nicht optimal, aber die Behörden haben sie einigermaßen unter Kontrolle. „Beim letzten Aufflammen der Cholera wegen schlechter Hygienegewohnheiten in einem Quartier hat die Gesundheitsdirektion Nord sofort reagiert und den kontaminierten Wasserlauf desinfiziert. Zugleich wurden die Anwohner darüber informiert, wie wichtig es ist, die Gewässer sauber zu halten und die Latrinen zu benützen. Die Behörden haben schnell reagiert und das Notwendige getan. Das ist ermutigend.“

Ärzte ohne Grenzen wird das Gesundheitsministerium weiter mit regelmäßigen Besuchen und der technischen Beratung beim Bau eines neuen Behandlungszentrums in Cap Haïtien unterstützen. Die Hilfsorganisation hat auch ein Medikamenten-Notlager angelegt, mit dem bei einem plötzlichen Wiederaufflammen 5.000 Erkrankte behandelt werden können, und es ist auch das nötige Material vor Ort, damit im Notfall sofort reagiert werden kann.

Vor bald einem Jahr, am 5. November 2010, wurde ein Notfallteam von Ärzte ohne Grenzen nach Cap Haïtien gesandt, um die eben ausgebrochene Cholera-Epidemie zu bekämpfen. Als die ersten Fälle festgestellt wurden, hatten die öffentlichen Spitäler weder das nötige Material noch genügend ausgebildetes Personal, um auf eine Epidemie von diesem Ausmaß reagieren zu können. Innerhalb von wenigen Wochen eröffnete Ärzte ohne Grenzen 19 Cholera-Behandlungszentren und richtete in den abgelegenen Gebieten 90 Rehydrierungsstellen ein. Zwischen November 2010 und September 2011 konnten so im Departement Nord über 31.750 Cholera-Patienten und –patientinnen behandelt werden.