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EU-Außengrenzen töten. Schaffen Sie sichere und legale Fluchtmöglichkeiten!
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Offener Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs: Kopien ergehen an Serbien, die Schweiz, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, sowie an den Präsidenten der Europäischen Kommission
Wir übersenden Ihnen heute diesen Brief gemeinsam mit einer Rettungsweste. Sie gehörte einem von 15.000 Menschen, die Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) seit Mai aus dem Meer gerettet hat. Für einen Mann, eine Frau oder ein Kind war diese qualitativ nicht besonders hochwertige Weste die einzige Sicherheit beim Versuch, Europa auf dem Seeweg zu erreichen. Auf diesen Schwimmwesten stehen oft handgeschriebene Gebete, die um eine sichere Überfahrt bitten, oder Telefonnummern von Verwandten und Freunden, die zu kontaktieren sind, falls der Träger nicht lebend ankommt. Die Menschen, die sich auf diese Reise begeben, sind sich der Risiken voll bewusst. Dass sie sich selbst und ihre Familien derart in Gefahr bringen, zeigt uns, wie verzweifelt sie sind.
Entlang der Route behandeln unsere Teams die gesundheitlichen Folgen der Reise. Wir versorgen Menschen, die unterkühlt oder dehydriert sind, aber auch Personen mit akuten Erkrankungen wie Blutvergiftungen und Lungenentzündungen, oder mit Verletzungen nach Missbrauch und Gewalt. Wir versuchen die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, die in Griechenland, Italien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Serbien festsitzen. Aber mit unserer Arbeit können wir nur die Lücken füllen, die entstehen, weil Staaten entweder unwillig oder unfähig sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen.
Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Unterdrückung und Folter. Viele weitere fliehen vor Armut, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Sie alle möchten ein besseres Leben in mehr Sicherheit. Doch es gibt immer weniger Fluchtmöglichkeiten: Länder, die viele Flüchtlinge aufnehmen, wie etwa der Libanon, die Türkei oder Jordanien, sind völlig überlastet. Die Welt ist mit der schlimmsten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Es gibt keine Anzeichen für eine Beruhigung des Konflikts in Syrien. Doch Europa macht die Grenzen dicht.
Kategorisierungen wie „Migranten“, „Flüchtlinge“ oder „Asylwerber“ werden der Realität nicht gerecht, die die Menschen auf die lange und gefährliche Reise treibt. Jede Person kann eine eigene Geschichte darüber erzählen, wieso sie ihr Leben riskiert, um Europa zu erreichen. Menschen, die medizinische Versorgung, Essen, Wasser und Unterkunft brauchen, sollten dies unabhängig von ihrem rechtlichen Status erhalten.
Wenn Ihre Minister am kommenden Montag zu einem weiteren Gipfeltreffen zur sogenannten Migrationskrise zusammenkommen, bedenken Sie bitte, dass Entscheidungen, die auf vergangenen Gipfeln getroffen wurden, nicht zur Verbesserung der Lage geführt haben. Einige Maßnahmen haben die Situation sogar verschärft: Zäune und erzwungene Fingerabdrücke zwingen die Menschen bloß auf noch gefährlichere Routen. Noch immer sterben Menschen im Mittelmeer, in den Laderäumen von Lastwägen und in provisorischen Lagern, in denen Menschen unter inakzeptablen Bedingungen im Herzen Europas leben.
Es ist an der Zeit, diese Abschreckungspolitik zu beenden. Sie hat dazu geführt, dass sich ein Flüchtlingszustrom, der vorhersehbar und auch handhabbar war, zu einer menschlichen Tragödie an Europas Stränden, Grenzen, Bahnhöfen und Autobahnen ausgeweitet hat. Sie hebelt das Recht, um Asyl anzusuchen, aus. Der derzeitige Ansatz führt zu Todesfällen, Verletzten und Chaos.
Europa steht vor einer wachsenden Zahl von Menschen, die Hilfe und Schutz suchen. Diese Menschen sind nur ein Bruchteil der Millionen, die vor unerträglichem Leid flüchten. Welche Hürden und Zäune es auch immer gibt, sie werden weiterhin kommen, denn sie haben keine andere Wahl. Angesichts dieser Situation ist die gegenwärtige Politik unhaltbar. Europa kann eine Verschlimmerung der Situation auf dem Kontinent nur vermeiden, indem Schlepper durch die Schaffung sicherer, legaler und freier Alternativen ersetzt werden.
Wir bitten Sie daher dringend, sichere Fluchtwege zu schaffen. Die legale Überquerung von Grenzen in die EU und innerhalb der EU muss ermöglicht werden – zu Wasser und zu Land; die Transportmöglichkeiten müssen verbessert werden. Die in Österreich und Deutschland als Notmaßnahmen eingeleiteten Entwicklungen der vergangenen Woche waren dazu ein wichtiger erster Schritt. Nun müssen verschiedene legale Wege nach Europa und effiziente Lösungen zur Umverteilung von Asylwerbern von einem EU-Land ins andere gefunden werden. An den Eintrittspunkten, innerhalb Europas und entlang der Migrationsrouten braucht es wirksamen Zugang zu einheitlichen Asylverfahren. Schnelle Registrierung und Zugang zu vorübergehendem Schutz sollten schon bei der Ankunft angeboten werden. Denn jeder, der ankommt, hat ein Recht auf würdevolle Aufnahmebedingungen.