Der Kampf gegen Ebola in den Slums von Freetown

29.04.2015
Epidemiologische Teams ermitteln und Kontaktpersonen von Ebola-Kranken in den Slums der Hauptstadt Freetown und unterstützen so die Eindämmung der Epidemie.

Themengebiete:

Sierra Leone - Health Promotion in Freetown
Alessandro Siclari/MSF
Freetown, Sierra Leone, 21.04.2015: Aminata hat fünf Kinder und erwartet momentan ihr Sechstes. Ihr Ehemann verstarb im Jänner im Prince of Wales Ebola-Behandlungszentrum.

Die riesigen Ebola-Behandlungszentren, die Ärzte ohne Grenzen auf dem Höhepunkt der Krise in u.a. Sierra Leone betrieben hat, sind nicht mehr voll. Doch unsere Teams sind immer noch im Einsatz. Sie stellen sicher, dass in den Dörfern vor Ort alle Spuren von Ebola nachverfolgt und Kontaktpersonen identifiziert werden.

Die Bewohner des Armenviertels „Moa Bay Wharf“ im Zentrum der Hauptstadt Freetown haben beinahe einen Rundum-Meerblick. Die engen und chaotischen Lebensbedingungen hier sind aber alles andere als idyllisch.

Inmitten von faulenzenden Schweinen sprechen der Epidemiologe Dr. Kieran O’Connor und sein Einsatzteam mit einer Familie, die kürzlich zwei Mitglieder durch Ebola verloren hat. Als Hauptkontaktpersonen von Ebola-Betroffenen sind die Hinterbliebenen ebenfalls gefährdet. Die Teammitglieder fragen nach Symptomen und machen Fiebermessungen mit dem Infrarot-Thermometer.

„Wir haben genug von Ebola“

„Wir fühlen uns gut, aber wir haben genug von Ebola“, sagt Ibrahim, dessen Mutter an der Krankheit gestorben ist. „Wir beten zu Gott, dass diese Epidemie ein Ende nimmt.“

Dieses epidemiologische Spezial-Team von Ärzte ohne Grenzen ist verantwortlich für die Ermittlung und Überwachung von Kontaktpersonen in neun Bezirken von Freetown. Sobald ein neuer Alarm bei der Ebola-Hotline der Regierung eingeht, besucht das Team den betroffenen Haushalt. So soll jede Person, die engen Kontakt mit einem vermuteten oder bestätigten Ebola-Kranken hatte, ausfindig gemacht werden und ermittelt werden, wie sich der Patient oder die Patientin infiziert hat.

„Wir versuchen, neue Fälle mit bereits existierenden Übertragungsketten in Verbindung zu bringen“, erklärt Dr. O’Connor. „Meistens gelingt uns das nun, was ein gutes Zeichen ist. Wir folgen jeder Kette sorgfältig, um jegliche Kontaktpersonen, die frühe Ebola-Symptome aufweisen, zu finden und sie zur weiteren Abklärung in ein Ebola-Behandlungszentrum zu schicken. Das reduziert das Risiko einer Kreuzinfektion. Eine Kette endet, wenn innerhalb von 21 Tagen der Folgekontrolle keine neue Kontaktperson die Krankheit entwickelt. Sobald das der Fall ist, sinkt das Ebola-Vorkommen schnell.“

Bis zur letzten Kontaktperson

Gesundheitspromoter Shekhu Jabbie unterstreicht, bei der Ermittlung von Kontaktpersonen gehe es nicht einfach nur darum, nach den Namen der Familienmitglieder zu fragen. „Wir fragen nach ihrem Beruf, ob sie Bauern, Händler oder traditionelle Heiler sind. Wir befragen sie zu ihrer Ehe, ihren Kindern, den Personen, mit denen sie leben und eine Latrine teilen.“

Viele Menschen in Moa Bay Wharf sind Händler auf dem lokalen Markt und kommen täglich mit Hunderten von Menschen in Kontakt. In den Slums von Freetown benutzen Hunderte die gleiche Latrine, was die Liste der Kontaktpersonen massiv verlängert. Das Einsatzteam fragt nach jeglicher Reiseaktivität der letzten Zeit, nach Beerdigungen oder Besuchen bei kranken Verwandten und Freunden. Oft sind mehrere Besuche nötig, um das Vertrauen aufzubauen und anfänglich verborgene Details zu Tage zu fördern. 

«Manchmal erinnern sich die Leute, ‚oh ja, sie hat letzte Woche ihre kranke Tante besucht‘. Am Ende sind es diese Antworten, die uns helfen, herauszufinden, wie sie sich infiziert haben», sagt Shekhu. 

Weiterhin medizinischer Bedarf – auch nach Ebola

Zusätzlich zur Prüfung auf Ebola-Symptome sucht das Team auch nach Personen mit anderen gesundheitlichen Beschwerden und überweist sie zu den erforderlichen Tests und Behandlungen. Den Menschen wird empfohlen, zwei Meter Abstand zu ihren Mitmenschen zu halten, aber in dieser belebten Umgebung ist das kaum praktisch umsetzbar.

„Klinische Diagnosen sind hier eine Herausforderung, da wir diesen Abstand einhalten müssen, aber wir machen unsere Untersuchungen, so gut wir können“, sagt Dr. O’Connor. „Wir arbeiten mit anderen Organisationen zusammen, um sicherzustellen, dass Kontaktpersonen auch die nötigte Gesundheitsversorgung bekommen, die über Ebola hinausgeht. Diese Epidemie hat viele nachgelagerte Effekte. Wir haben Menschen mit HIV und TB gesehen, die nicht mehr behandelt wurden.“

Trotz des Rückgangs der Ebola in Sierra Leone führen die Teams von Ärzte ohne Grenzen ihre Arbeit vor Ort fort, um den Gesundheitsbedarf der Menschen zu decken.