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Hilfe gegen Ebola: Inmitten der Menschen
Spezielle Teams von Ärzte ohne Grenzen kümmern sich im Rahmen der Aktivitäten zur Eindämmung der Ebola-Epidemie in u.a. Sierra Leone um die Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung. Sie gehen in die Hochrisikogebiete der Hauptstadt Freetown, um die Menschen dabei zu unterstützen, das Virus rechtzeitig zu erkennen und vorzusorgen. Sie übernehmen auch die heikle Aufgabe, Überlebende und Familien von Ebola-Opfern zu betreuen.
Direkt vor der „Prince of Wales“-Schule rügt ein Wächter den siebenjährigen Mamadou, weil er an seinem ersten Tag zu spät kommt. Eine Standardszene, wie sie überall vorkommen könnte – doch in Freetown, Sierra Leone, hat sie eine zusätzliche Bedeutung. Der Schulbetrieb war aufgrund der Ebola-Epidemie für sechs Monate lang unterbrochen. Nun sind die Schulen seit Kurzem wieder in Betrieb und die Menge von Kindern in ihren bunten Uniformen erfüllt die Straßen der Stadt mit der selten gewordenen Atmosphäre einer chaotischen Heiterkeit.
Schule gehört wieder den Kindern
Die „Prince of Wales“-Schule war in den vergangenen fünf Monaten das Zentrum der Hilfsaktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in Freetown. Auf dem Gelände der Schule, wo das Ebola-Behandlungszentrum errichtet wurde, kämpften unsere Teams gegen die Krankheit und warteten auf genau diesen Moment: Prince of Wales gehört nun wieder den Kindern.
„Die Situation in Sierra Leone verbessert sich, aber es gibt nach wie vor fast täglich neue Fälle von Ebola“, sagt Landeskoordinator Fran Miller von Ärzte ohne Grenzen. „Deshalb fokussieren wir unsere Arbeit in den Dörfern darauf, neue Fälle rasch aufzudecken. Gleichzeitig weisen wir die Bevölkerung weiterhin darauf hin, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben.“
Die richtige Botschaft vermitteln
Für die Wirksamkeit dieser Arbeit sind die Beteiligung und das Verständnis der Bevölkerung eine wichtige Voraussetzung. Obwohl alle Radiostationen Nachrichten über Ebola senden und an jeder Straßenecke Plakate hängen, sind Ablehnung und Angst in der Bevölkerung immer noch verbreitet. Teams von Ärzte ohne Grenzen führen deshalb in den am dichtesten bewohnten Gebieten von Freetown Aufklärungsaktivitäten durch und informieren darüber, wie die Verbreitung der Krankheit am besten verhindert werden kann.
„Unsere Arbeit umfasst nicht nur das Informieren der Bevölkerung“, erklärt Kim Federici, Gesundheitspromoterin von Ärzte ohne Grenzen in Freetown. „Wir bauen auch Wissen und Vertrauen auf, stehen mit den Gemeinden im Dialog und setzen uns für ihre Anliegen ein.“
Ängste und Probleme der Menschen verstehen
„Um einer Gemeinde zu erklären, wie man in einem Verdachtsfall von Ebola reagieren soll, muss man sich in die Leute hineinversetzten, ihre Ängste und Probleme verstehen und die Botschaft an die Situation anzupassen“, fährt Kim fort. „Und genau hier sind unsere lokalen Gesundheitspromoter mit ihrer Kenntnis der lokalen Bevölkerung und ihrer großen Sozialkompetenz so wichtig.“
Musa Tary ist Teil des Aufklärungsteams von Ärzte ohne Grenzen in Freetown. Während er durch die Slums der Stadt streift, ist er sich darüber im Klaren, welch hohes Risiko er eingeht. „Wenn wir uns ins Zentrum einer Gemeinde begeben, haben wir keine persönliche Schutzausrüstung dabei“, sagt er. „Wir haben keine Ahnung, was wir antreffen werden. Wir sind in sehr engem Kontakt mit den Menschen, wir spielen mit Kindern, wir sprechen mit möglichen Hoch-Risiko-Kontakten, und in jeder Sekunde könnten uns jemand anfassen und sagen: ‚Ich bin krank, hilf mir‘.“
Die Wunden von Ebola heilen
Die Aufklärungsteams erklären den Menschen nicht nur, wie die Krankheit identifiziert, verhindert und behandelt werden kann. Sie arbeiten auch gemeinsam mit psychosozialen Teams gegen die Stigmatisierung von Betroffenen und bieten den Überlebenden und Familien von Ebola-Opfern psychologische Unterstützung an. „Manche Leute wurden stigmatisiert, weil sie überlebten, während andere Familienmitglieder gestorben sind“, sagt Patrick Sam, ein Lehrer, der nun als psychosozialer Betreuer für Ärzte ohne Grenzen arbeitet. „In anderen Fällen liegen soziale und wirtschaftliche Probleme vor. Ebola hat ganze Familien zerstört und hinterlässt Witwen, Waisen und Menschen ohne Einkommen, die nur von der Unterstützung ihrer Familien und Gemeinden leben.“
Patrick befindet sich mit Aissatou vor dem Haus ihrer Mutter. Aissatou wurde am 4. Februar gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Tochter Mabinta aus dem Prince of Wales-Behandlungszentrum entlassen. Im selben Zentrum verlor sie ihren Mann und vier ihrer Kinder. Patrick schildert seine Aufgabe: „Wir müssen ihnen Mut machen, sie motivieren, nochmals neu anzufangen. Manchmal wissen aber auch wir nicht, was wir sagen sollen – es gibt Situationen, die unsere Kapazitäten als Gesundheitspromoter weit übersteigen“, sagt er. «Wir können sie unterstützen, aber wir können ihre Probleme nicht lösen. Manchmal können sich nur die Gemeinden selbst helfen; manchmal braucht es einfach nur Zeit.»“
Ehe er aufbricht, fragt Patrick Aissatou, wo ihre Tochter sei und ob es ihr gut gehe.
„Sie ist wieder in der Schule“, antwortet sie.