Schutz statt Grenzkontrolle in den Mittelpunkt stellen

25.08.2020
Statement anlässlich des Besuchs von Innenminister Karl Nehammer in Griechenland.
Mental Health in Moria, Lesbos
Enri CANAJ/Magnum Photos for MSF
MSF mental heatlh team in Moria pediatric clinic provides individual and group mental health sessions for parents and/or children.

Marcus Bachmann, Berater für humanitäre Angelegenheiten von Ärzte ohne Grenzen Österreich betont anlässlich des Besuches von Innenminister Karl Nehammer in Griechenland, dass der Schutz von Menschen ins Zentrum der Politik gestellt werden muss, statt sich nur über Grenzkontrollen auszutauschen.

„Immer wieder stolpern wir im Diskurs über Migration und Flucht in Europa über eine schreiende Leerstelle: Die Hilfe für schutzbedürftige Menschen wird nicht thematisiert, dabei muss gerade diese im Mittelpunkt stehen. Die Lage in den griechischen Lagern ist katastrophal. Die Gesundheit der Menschen wird systematisch vernachlässigt. Nun ist die Notlage akut: Zu lange wurde nichts unternommen, COVID-19 verschärft die Gefahrenlage zusätzlich. Europa darf nicht länger wegschauen, sondern muss jetzt handeln.  

Es besteht dringend Handlungsbedarf

Wir fordern Innenminister Karl Nehammer im Rahmen seiner aktuellen Griechenlandreise auf, sich nicht über Grenzkontrolle und das Abweisen von Menschen, sondern über humanitäre Hilfe sowie die dringend notwendige Evakuierung von Kindern, Kranken und Alten aus den überfüllten und unhygienischen Flüchtlingslagern mit seinem griechischen Kollegen auszutauschen. Als Innenminister verantwortet er – ebenso wie sein Counterpart in Griechenland – den Schutz von Flüchtenden. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Es gab zuletzt Berichte mit schweren Vorwürfen, dass die griechische Küstenwache Schutzsuchende auf offenem Meer aussetzt. Innenminister Nehammer muss seinen Besuch nutzen, um dies zu thematisieren und Aufklärung zu fordern.

Verstoß gegen Menschenrechte

Unsere Teams haben hunderte Patientinnen und Patienten dokumentiert, die umgehend medizinische Hilfe brauchen und vor Ort nicht versorgt werden können. Wir werden Zeuge, wie Männer, Frauen und Kinder aufgrund der Situation in den Lagern körperlich und psychisch krank werden. Bereits junge Kinder werden wegen ihrer aussichtslosen Lage depressiv und verletzen sich selbst. Aufgrund des EU-Türkei-Abkommens werden Menschen auf den griechischen Inseln de facto in Geiselhaft gehalten, darunter unzählige Kranke, Kinder und Alte. Dass sie keine adäquate medizinische Hilfe erhalten verstößt jedoch klar gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, geltendes EU-Recht – gegen Menschenrechte. Europa ist verpflichtet, diesen Menschen zu helfen – zumal Griechenland offensichtlich überfordert ist und das seit viereinhalb Jahren nicht schafft.“