Jemen: Trotz Waffenruhe Hunderte schwerverletzte Zivilisten in Tais

14.06.2016
Trotz Waffenruhe fordert der Konflikt im Jemen noch immer zahlreiche zivile Opfer: Seit April wurden in Krankenhäusern von Ärzte ohne Grenzen in Tais über 1.600 Menschen mit Kriegsverletzungen behandelt.

Wien, 14. Juni 2016. Trotz Waffenruhe fordert der Konflikt im Jemen noch immer zahlreiche zivile Opfer. Seit April wurden in von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) betriebenen und unterstützten Krankenhäusern in Tais 1.624 Menschen mit Kriegsverletzungen durch Kampfhandlungen behandelt. Fast die Hälfte von ihnen waren Zivilisten.

In Tais wird derzeit so schwer gekämpft wie selten seit Ausbruch des bewaffneten Konfliktes vor 15 Monaten. Täglich kommt es zu Beschuss, Luftangriffen, Explosionen von Bomben oder Landminen und Heckenschützenfeuer. Gekämpft und geschossen wird in dichtbesiedelten Gebieten der Stadt. Keine der an den Kämpfen beteiligten Parteien scheint bemüht, zivile Opfer zu verhindern.

„Allein am 3. Juni nahmen wir in Tais 122 Verwundete in die von uns unterstützten Einrichtungen auf, die meisten waren bei einem Raketenangriff auf einen belebten Markt verletzt worden“, sagt Salah Dongu’du, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Zwölf weitere Menschen waren bei der Ankunft schon tot oder so schwer verletzt, dass sie kurze Zeit später in der Notaufnahme starben. Die große Mehrheit waren Zivilisten. Am nächsten Tag kamen weitere 135 Menschen mit Kriegsverletzungen. Die Gewalt lässt einfach nicht nach.“

Leben in ständiger Angst

Die Auswirkungen auf die Bewohner sind überall in der Stadt zu spüren: Viele verlieren Familienmitglieder, ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage. Sie leben in ständiger Angst. Die humanitäre Situation verschlechtert sich: Die Menschen haben kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung, es gibt keinen Strom, in den Straßen stapelt sich der Müll und Nahrungsmittel sowie andere Bedarfsartikel sind sehr teuer.

„Vor kurzem war ich in der Notaufnahme, in der unsere Teams arbeiten“, sagt Will Turner, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen. „Dort lagen zwei kleine Kinder nebeneinander in ihren Betten. Der Bub war von einer Kugel im Nacken getroffen worden, als er aus einer Moschee kam. Dem Mädchen wurde der Bauch von einer Kugel zerfetzt, als sie Wasser holte. Solche tragischen Geschichten passieren täglich in Tais. Das darf es einfach nicht geben.“

Ärzte ohne Grenzen ruft alle Kriegsparteien im Jemen dazu auf, die Zivilbevölkerung zu schützen und humanitären Organisationen in Tais jederzeit uneingeschränkten Zugang zu den Bedürftigen zu ermöglichen.

Als unparteiliche und neutrale medizinische Hilfsorganisation unterstützt bzw. betreibt Ärzte ohne Grenzen 30 Krankenhäuser in 8 Provinzen im ganzen Land und behandelt Menschen unabhängig von ihrer Religion und ihrer ethnischen, politischen oder militärischen Zugehörigkeit. Seit März 2015 wurden im Jemen mehr als 40.000 Kriegsverletzte in von Ärzte ohne Grenzen betriebenen und unterstützten Krankenhäusern behandelt.