Hunderte Zivilisten von Sprengkörpern und Minen getötet oder verletzt

03.04.2017
Der Bericht „Set to Explode“ von Ärzte ohne Grenzen basiert auf Aussagen von Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen, Patienten und deren Angehörigen. Ganze Landstriche in Nordsyrien sind übersät von Minen.
North Syria, Jan 2017
Jamal Bali
An MSF staff member walks by a building destroyed in the conflict, Kobane, January 23, 2017.

Sprengkörper und Minen töten und verstümmeln regelmäßig Zivilisten im Norden Syriens. Das zeigt der Bericht „Set to Explode“, den Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) heute anlässlich des UN-Landminentags am 4. April 2017 veröffentlicht hat. Der Bericht basiert auf Aussagen von Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen, Patienten und deren Angehörigen. Ganze Landstriche in Nordsyrien sind übersät von Minen, Sprengfallen und nicht detonierten Sprengkörpern, die auf Straßen, in Feldern oder Häusern ausgelegt wurden oder nach Bomben- und Raketenangriffen zurückgeblieben sind. Ärzte ohne Grenzen fordert, dass die Minenräumung in Nordsyrien verstärkt wird.

Die Menschen im Norden Syriens fliehen vor Kämpfen und vor sich verschiebenden Frontlinien oder sie kehren in Städte zurück, aus denen sich der sogenannte Islamische Staat (IS) zurückgezogen hat. „Es ist für die Menschen extrem gefährlich, nach Hause zurückzukehren”, beschreibt Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Überall wurden Sprengkörper versteckt – unter Teppichen, in Kühlschränken, selbst in Teddybären.“

In der Region Manbidsch haben Krankenhausangestellte im Sommer 2016 in einem Zeitraum von nur vier Wochen mehr als 190 Menschen behandelt, die bei Explosionen von Sprengkörpern verletzt worden waren. „Ganze Wagenladungen mit Verletzten kamen im Krankenhaus an”, sagt ein Arzt, der für Ärzte ohne Grenzen im Arin-Krankenhaus arbeitet. „Um den Kämpfen zu entgehen, nahmen die Menschen Straßen, die sie für sicher hielten und die sich dann als Minenfelder herausstellten.“

Einheimische übernehmen Minenräumung oft selbst

Derzeit werden in Nordsyrien nahezu keine Minen geräumt, weder von humanitären noch von militärischen Organisationen. Darum übernehmen die Einheimischen das selbst – oft mit tödlichen Konsequenzen. „Die Menschen riskieren ihr Leben, um ihre Dörfer sicher zu machen“, sagt Kleijer. „Wir haben von fünf Männern in Ajn Al Arab/Kobane gehört, die freiwillig Häuser von Minen befreit haben, um etwas Geld zu verdienen. Keiner dieser Männer lebt heute noch.“

Solange diese Gebiete mit Minen und nicht explodierten Kriegsresten verseucht bleiben, werden die Menschen nicht sicher aus Kriegsgebieten fliehen oder in ihre Häuser zurückkehren können. Gleichzeitig schränken sie die Möglichkeiten von Hilfsorganisationen ein, die Menschen in dieser Region zu unterstützen, deren Gesundheitssystem infolge des jahrelangen Krieges zerstört ist.

Schutz der Zivilbevölkerung muss gewährleistet werden

Ärzte ohne Grenzen fordert alle Kriegsparteien und ihre Verbündeten auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und Minenräumung in Nordsyrien zu ermöglichen. Außerdem muss die internationale Gemeinschaft internationale Organisationen für Minenräumung bei ihren Aktivitäten in Nordsyrien unterstützen, so dass die Sicherheit der Zivilbevölkerung und die Bereitstellung von humanitärer Hilfe gewährleistet sind.