Hunderte Bootsflüchtlinge in überfüllte Internierungslager zurückgebracht

23.01.2019
In den vergangenen beiden Tagen wurden 250 Bootsflüchtlinge nach Libyen zurückgebracht. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen überwies am Montag in Khoms zehn Überlebende wegen schwerer Gesundheitsprobleme in ein Krankenhaus. Trotz der Soforthilfe starb ein 15 Jahre alter Junge in der Klinik.

In den vergangenen beiden Tagen wurden 250 Bootsflüchtlinge völkerrechtswidrig nach Libyen zurückgebracht und in überfüllte Internierungslager in den Städten Misrata und Khoms gesperrt. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen überwies am Montag in Khoms zehn Überlebende nach ihrer Rückführung wegen schwerer Gesundheitsprobleme in ein Krankenhaus. Trotz der Soforthilfe starb ein 15 Jahre alter Junge in der Klinik. Die EU unterstützt mit der Finanzierung der libyschen Küstenwache und der Behinderung von Rettungsschiffen das systematische Zurückbringen von auf dem Mittelmeer aufgegriffenen Schutzsuchenden in das Konfliktgebiet nach Libyen.

Dutzende Menschen ertranken am Wochenende im Mittelmeer. Am Montag wurden 106 Überlebende von einem Handelsschiff in den Hafen von Khoms zurückgebracht. Nach ihren Berichten waren sechs Menschen dieser Gruppe ertrunken. „Als die Menschen an Land kamen, benötigten mehrere von ihnen dringend medizinische Hilfe, die wir geleistet haben“, sagt Julien Raickman, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Misrata, Khoms und Beni Walid. „Die Menschen sind verzweifelt. Sie brauchen Hilfe und Schutz, und dürfen nicht länger von einer Gefangenschaft in die nächste geschickt werden.“

Am Dienstag wurden 144 weitere Überlebende, die von einem anderen Handelsschiff gerettet worden waren, nach Misrata gebracht. Unter den insgesamt 250 zurückgebrachten Flüchtlingen, Migranten und Migrantinnen befinden sich schwangere Frauen, Babys und Kinder unter sieben Jahren. Seit Beginn des Jahres stieg die Zahl der willkürlich festgehaltenen Menschen in den Lagern der Region Misrata-Khoms von 650 auf 930.

Situation katastrophal

In den überfüllten Internierungslagern haben sich durch die zusätzlich eingesperrten Menschen die ohnehin schlechten Lebensbedingungen weiter verschärft. Die Gefangenen haben keine Möglichkeit, aus den Zellen heraus ans Tageslicht zu kommen. Sie erhalten kaum ausreichend sauberes Wasser und Nahrung. Das Essen reicht nicht aus und entspricht in keinster Weise dem Ernährungsbedarf von Kranken, Kindern und Schwangeren. Einige der kürzlich auf dem Meer aufgegriffenen Menschen leiden an Mangelernährung, Unterkühlung oder schwerem Durchfall. Einige von ihnen berichten, dass sie vor ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, bereits wochen- oder monatelang von Menschenhändlern gefangen gehalten und systematisch missbraucht und gefoltert worden sind.

Auch in den Internierungslagern in der Hauptstadt Tripolis steigt die Zahlen der festgehaltenen Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen. Fast alle Internierungslager sind nur schlecht gegen das Winterwetter geschützt. Durch die Kälte erkranken die Gefangenen vermehrt. In einem Lager hat Ärzte ohne Grenzen bei den Gefangenen einen starken Gewichtsverlust beobachtet, weil sie zu wenig zu essen bekommen.

Jüngste Kämpfe um Tripolis

Bei den jüngsten Kämpfen im Süden von Tripolis gerieten erneut Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen in einem offiziellen Internierungslager in die Schusslinie. Die Kämpfe haben nach Angaben von Vertretern der Weltgesundheitsorganisation 14 Tote und 58 Verletzte gefordert. Zivilisten waren zeitweise in der Kampfzone eingeschlossen, darunter etwa 228 Geflüchtete, Migranten und Migrantinnen, die willkürlich im Internierungslager Kasr Bin Gaschir festgehalten werden. Die Wasserversorgung des Internierungslagers wurde unterbrochen und die Gefangenen blieben ohne Zugang zu sauberem Wasser, bis Ärzte ohne Grenzen eine Notversorgung einrichten konnte. Ein Team der Organisation hat das Internierungslager in den letzten 48 Stunden zweimal besucht, um Patienten und Patientinnen zu behandeln und Medikamente für Tuberkulose-Kranke bereitzustellen.

Libyen ist kein sicherer Ort für Flüchtlinge, Migranten und Migrantinnen. Das Ausmaß an Gewalt, dem die Menschen dort ausgesetzt sind ist enorm. Sam Turner, der den Einsatz von Ärzte ohne Grenzen in Tripolis koordiniert: “Es ist ausgesprochen zynisch, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten Schutzsuchende willkürlich in Gefangenschaft nach Libyen zurückschicken. Gleichzeitig blockieren sie die Seenotreetung auf dem Mittelmeer, wo das Sterben weitergeht.”