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Ärzte ohne Grenzen unterstützt Verein HEMAYAT in Wien für drei Jahre
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Wien, am 13. Dezember 2016 – Viele Menschen, die in den vergangenen beiden Jahren nach Europa geflohen sind und in Österreich Schutz gefunden haben, sind traumatisiert und auf professionelle psychologische Hilfe angewiesen. Doch es fehlt an entsprechenden Angeboten. Ärzte ohne Grenzen Österreich unterstützt deshalb das Betreuungszentrum HEMAYAT, das auf die Behandlung von Folter- und Kriegsüberlebenden spezialisiert ist.
Bei einem gemeinsamen Pressegespräch gab Ärzte ohne Grenzen heute bekannt, HEMAYAT, das Wiener Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende, in den kommenden drei Jahren mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Ärzte ohne Grenzen wird auf diese Weise dazu beitragen, dass mehr Betroffene bei HEMAYAT behandelt werden können. Es sei wichtig, das Angebot psychologischer Hilfe für Geflüchtete zu stärken, vor allem in Wien müssten die Kapazitäten in diesem Bereich deutlich ausgeweitet werden, betont Margaretha Maleh, die Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen Österreich.
Traumatisierte Menschen brauchen professionelle Hilfe
„Ärzte ohne Grenzen leistet in den Herkunftsländern der Betroffenen und entlang der Fluchtrouten medizinische und psychologische Nothilfe. Wir wissen daher aus eigener Erfahrung, dass viele der Menschen, die in Europa Schutz suchen, traumatisiert sind. Oft haben sie in ihrer Heimat oder während der Flucht schreckliche Gewalt erlebt oder Angehörige verloren, mussten ihr Leben auf hoher See riskieren“, sagt Maleh, die selbst als Psychotherapeutin tätig ist. „Deshalb sind viele Betroffene dringend auf professionelle Hilfe angewiesen.“
"Wir arbeiten entlang der Fluchtrouten und wissen aus eigener Erfahrung, dass viele Menschen traumatisiert sind." #MSF Präsidentin Maleh pic.twitter.com/R15aTSOYjP
— Ärzte ohne Grenzen (@MSF_austria) 13. Dezember 2016
Eine Bedarfserhebung durch Ärzte ohne Grenzen hat aber gezeigt, dass es bei der psychologischen Betreuung traumatisierter Asylsuchender in Österreich große Lücken gibt, während der Bedarf weiter zunimmt. Es fehlt an öffentlichen Angeboten, nichtstaatliche Strukturen und Organisationen wie HEMAYAT sind überlastet. Derzeit warten Betroffene bis zu 18 Monate auf Hilfe. „Unsere Bedarfserhebung hat ergeben, dass es in mehreren Bundesländern Engpässe gibt. Besonders angespannt ist die Situation in Wien, wo die meisten Asylsuchenden leben“, sagt Maleh.
Enormer Andrang: 753 Menschen im Vorjahr betreut
Doch obwohl die Zahl der Schutzsuchenden sich im letzten Jahr verdreifacht hat, wurden die Subventionen nicht entsprechend erhöht. HEMAYAT-Geschäftsführerin Cecilia Heiss: „Es ist abzusehen, dass die Schere zwischen dem Bedarf nach qualifizierter Betreuung von traumatisierten Menschen und dem Angebot noch weiter aufgehen wird.“ Manche Menschen würden relativ rasch nach Ihrer Ankunft in Österreich Hilfe suchen, andere erst Jahre danach, wenn die Symptome unerträglich werden, so Heiss weiter. Aktuell ist der Andrang bei HEMAYAT enorm: Vergangene Woche gab es an einem einzigen Tag zehn Anmeldungen. 2015 behandelte HEMAYAT 753 Menschen aus 48 Herkunftsländern. In diesem Jahr werden es sogar an die 1000 Menschen sein – darunter 200 Minderjährige.
Ausbau der Kapazitäten und mehr Angebote
Durch die Unterstützung von Ärzte ohne Grenzen wird das Angebot nun weiter ausgebaut. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird jährlich 150.000 Euro zur Verfügung gestellt. Dadurch konnte HEMAYAT die Kapazitäten bereits erhöhen: Es wurden zwei weitere Therapieräume eingerichtet und zusätzliche Betreuungsplätze für traumatisierte Menschen geschaffen. Besonders erfreulich ist laut Cecilia Heiss, dass die Gruppenangebote weiter ausgebaut werden konnten. Große Erfolge beobachtet Heiss auch im neu eingerichteten Sport- und Bewegungsprojekt, sowie in den Kunsttherapiegruppen.
#Hemayat kann durch die Unterstützung das Angebot ausbauen: Mehr Therapieräume, Betreuungsplätze, Gruppenangebote - u.a. Kunst und Bewegung. pic.twitter.com/DX2PTNY79O
— Ärzte ohne Grenzen (@MSF_austria) 13. Dezember 2016
Dennoch stehen derzeit 415 Menschen auf der Warteliste von HEMAYAT, darunter 55 Minderjährige. Die Symptomatik ist ausgesprochen belastend und reicht von massiven Schlafstörungen, Albträumen, Flashbacks, bis hin zu Depressionen und psychosomatischen Schmerzattacken. Bleiben diese unbehandelt, ist ein normales Alltagsleben und somit die Integration der Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat Österreich nicht möglich. „Darüber hinaus wird die Behandlung immer schwieriger, je länger man damit wartet. Wenn wir den Menschen nicht rasch Unterstützung anbieten, dann wird die Erkrankung chronisch, das Trauma kann auch an die folgenden Generationen weitergegeben werden“, erläutert Heiss.
Grundlage für erfolgreiche Integration
Bei HEMAYAT arbeiten ausgebildete Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten und Dolmetscher daran, die Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und soziale Kompetenz der Klienten und Klientinnen wiederherzustellen und dadurch auch eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in Österreich zu schaffen. „Damit erfüllt HEMAYAT seit über 20 Jahren eine wichtige Aufgabe in der Gesundheitsversorgung und in der Gewaltprävention dieser Stadt“, so Cecilia Heiss weiter.
In den weltweiten Hilfsprogrammen von Ärzte ohne Grenzen spielt psychologische Hilfe eine wichtige Rolle. Allein im Jahr 2015 bot die Organisation psychosoziale Hilfe für mehr als 220.000 Menschen an. Ärzte ohne Grenzen plant derzeit nicht, selbst Hilfsprojekte in Österreich zu starten. Präsidentin Maleh: „Österreich verfügt über ein robustes Gesundheitssystem und hat ausreichend Ressourcen zur Versorgung der aufgenommenen Schutzsuchenden. Der psychosozialen Hilfe von Flüchtlingen wird jedoch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.“
Rückfragen und Vermittlung von Interviews:
Eva Hosp (Ärzte ohne Grenzen) [email protected] 01-409 72 76-29
Alexia Gerhardus (HEMAYAT) [email protected] 0664 212 22 66