Ärzte ohne Grenzen legt Einspruch gegen Impfstoff-Patentantrag von Pfizer in Indien ein

11.03.2016
Ärzte ohne Grenzen hat in Indien Einspruch gegen einen Patentantrag von Pfizer für den Impfstoff gegen Lungenentzündung eingereicht.

Neu-Delhi/Wien, 11. März 2016. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) hat Einspruch gegen einen Patentantrag des US-amerikanischen Pharmakonzerns Pfizer für seinen wichtigen Impfstoff gegen Lungenentzündung in Indien eingereicht. Pfizer möchte damit sein Vakzin gegen Pneumokokken, die häufigsten Auslöser von Lungenentzündung, gegen Konkurrenz durch Generika-Hersteller in Indien schützen lassen. Der hohe Preis, den Pfizer verlangt, ist bislang für viele ärmere Länder unbezahlbar. Lungenentzündung ist mit mehr als 900.000 Todesfällen im vergangenen Jahr die Haupttodesursache bei Kindern unter fünf Jahren. Es ist das erste Mal, dass eine Hilfsorganisation in Indien gegen ein Impfstoff-Patent vorgeht.

Pfizer hat in Indien einen Patentantrag auf die Methode zur Kombinierung von 13 Serotypen des Bakteriums „streptococcus pneumoniae“ zu dem Konjugatimpfstoff PCV13 gestellt. „Die Herstellungsweise für den Impfstoff, die Pfizer zu patentieren versucht, ist zu naheliegend, um patentiert werden zu können“, sagt Leena Menghaney, Leiterin der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Indien. „Es geht Pfizer darum, ein jahrelanges Marktmonopol zu sichern. Der Antrag auf ein Patent für den Pneumokokken-Impfstoff sollte abgelehnt werden. Das würde den Weg für bezahlbarere Versionen des Impfstoffes ebnen. Indien muss Forderungen pharmazeutischer Unternehmen nach Änderungen seiner Patentvergabestandards entschieden zurückweisen, auch wenn diese Forderungen durch diplomatischen Druck der USA und anderer Länder unterstützt werden.“

Im indischen Patentverfahren können Bürger und zivilgesellschaftliche Organisationen dem Patentamt technische Gründe für eine Zurückweisung eines Antrags auf der Grundlage des indischen Patentrechts vortragen. Schon das Europäische Patentamt hat ein entsprechendes Patent von Pfizer für nichtig erklärt, in Südkorea wird das Patent derzeit angefochten.

Ärmere Länder können Impfstoff nicht finanzieren

Pfizer und GlaxoSmithKline (GSK) produzieren die beiden wichtigsten Pneumokokken-Impfstoffe für Kinder. Der gegenwärtig niedrigste Preis für den Impfstoff, der von Pfizer unter dem Namen Prevenar vermarktet wird, liegt bei 10 US-Dollar für die drei nötigen Dosen zur Immunisierung eines  Kindes. Er ist nur für eine begrenzte Zahl von ärmeren Ländern im Rahmen der Unterstützung durch die internationale Impfallianz Gavi zugänglich. Ein Impfstoffproduzent aus Indien hat angekündigt, dass er den Pneumokokken-Impfstoff für nationale Gesundheitssysteme und humanitäre Organisationen für fast die Hälfte des Preises (6 US-Dollar je Kind) anbieten könnte. Ein Markteintritt der Firma wäre bei Erteilung des Patents in Indien auf Jahre unmöglich.

„Der Impfstoff gegen Pneumokokken verkauft sich weltweit am besten. Allein Pfizer konnte im vergangenen Jahr damit einen Umsatz von mehr als 6 Milliarden US-Dollar erzielen“, sagt Manica Balasegaram, Leiter der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. „Gleichzeitig können viele ärmere Länder, in denen Millionen Kinder ungeschützt vor Pneumokokken sind, die Impfstoffe nicht finanzieren. Um sicherzustellen, dass Kinder überall auf der Welt vor tödlichen Lungenentzündungen geschützt sind, müssen weitere Unternehmen die Möglichkeit erhalten, in den Markt einzutreten und die Impfstoffe zu einem niedrigeren Preis zur Verfügung zu stellen.“

Ärzte ohne Grenzen hat eine Petition gestartet, die Pfizer und GSK auffordert, den Preis für den Pneumokokken-Impfstoff auf 5 US-Dollar pro Kind zu senken. Mehr als 167.000 Unterzeichner unterstützen die Forderung bisher.

Ärzte ohne Grenzen hat im vergangenen Jahr mit dem Bericht „The Right Shot: Bringing down Barriers to Affordable and Adapted Vaccines“ Impfstoffpreise weltweit erhoben. Demnach ist ein vollständiger Impfschutz für ein Kind mittlerweile 68 Mal so teuer wie im Jahr 2001. Die in der Zwischenzeit neu eingeführte Pneumokokken-Impfung macht dabei in den ärmsten Ländern der Welt fast die Hälfte der Kosten für die vollständige Immunisierung eines Kindes aus.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen impfen jedes Jahr Millionen Kinder. 2014 hat die Organisation mehr als 3,9 Millionen Impfstoffdosen verabreicht. Ärzte ohne Grenzen versucht, künftig noch mehr Kinder in humanitären Krisensituationen und bei Routineimpfungen durch den Pneumokokken-Impfstoff und andere Vakzine zu schützen.

Link zur Petition zur Preissenkung der Pneumokokken-Impfung: www.bezahlbarerimpfstoff.at