Ärzte ohne Grenzen fordert großflächigen Rettungseinsatz im Mittelmeer

20.04.2015
„Im Mittelmeer entsteht ein Massengrab, für das die europäische Politik verantwortlich ist.“
Boats from migrants arrival at Pozzallo Italy
Luca Visone/MSF
Belongings are left behind at one of the boats. These boats were used to carry migrants, asylum seekers and refugees to reach Italy through the Mediterranean Sea and left at the landing port of Pozzallo in Sicily.

Rom/Wien, am 20. April 2015 – Nach der erneuten Tragödie im Mittelmeer müssen die EU-Staaten dringend großangelegte Such- und Rettungsaktionen starten um weitere Tote auf hoher See zu verhindern, fordert die internationale humanitäre Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF).

„Im Mittelmeer entsteht ein Massengrab, für das die europäische Politik verantwortlich ist“, sagt Loris De Filippi, der Präsident von Ärzte ohne Grenzen Italien. „Angesichts der tausenden verzweifelten Menschen, die vor Kriegen und Krisen fliehen, hat Europa seine Grenzen geschlossen. Das zwingt Personen, die Schutz suchen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Es bleibt nun keine Zeit mehr, um zu überlegen; das Leben dieser Menschen muss jetzt gerettet werden. Es war ein ernsthafter Fehler, den Rettungseinsatz Mare Nostrum zu beenden; europäische Staaten müssen unverzüglich einen großflächigen Such- und Rettungseinsatz beginnen, bei dem auch nahe an der libyschen Küste patrouilliert wird. Die derzeitigen Anstrengungen greifen ganz offensichtlich zu kurz. Diese Tragödie kann und muss gestoppt werden.“

700 Tote an einem Tag

Allein in der vergangenen Woche haben 11.000 Menschen ihr Leben riskiert, um das Mittelmeer zu überqueren. Mehr als tausend dürften gestorben sein. Es spielt keine Rolle, welche Hindernisse geschaffen werden und wie hoch die Zäune sind, die Europa errichtet; verheerende Konflikte und Krisen werden Menschen weiterhin dazu zwingen, ihre Länder zu verlassen, um ihr Leben zu retten.

„Siebenhundert Tote an einem Tag – das ist eine Zahl wie aus einem Kriegsgebiet. Diese humanitäre Tragödie findet unter unser aller Augen statt, doch Europa ist nicht gewillt, sich damit zu befassen. Deswegen werden wir nun Einsätze direkt auf dem Meer starten und versuchen, so viele Leben wie möglich zu retten”, sagt De Filippi. „Nur die Schaffung von sicheren und legalen Wegen zum Schutz in Europa wird tausende weitere Tote wirklich verhindern können. Aber als medizinisch-humanitäre Organisation können wir einfach nicht länger warten.”

Ärzte ohne Grenzen startet Such- und Rettungseinsatz

Ab Mai wird Ärzte ohne Grenzen in Partnerschaft mit MOAS (Migrant Offshore Aid Station) erstmals Such- und Rettungsfahrten auf dem Meer starten; ein Einsatz, der in den kommenden Wochen zusätzlich verstärkt wird. Diese außergewöhnliche Initiative ist eine Reaktion auf die starke Zunahme der Toten im Mittelmeer. Für Ärzte ohne Grenzen ist die aktuelle Situation eine humanitäre Krise, die von der europäischen Politik geschaffen wurde und die wir nicht ignorieren können.

Ärzte ohne Grenzen fordert die europäischen Regierungen auf, sichere und legale Routen auf den Kontinent zu gewährleisten, die Such- und Rettungsaktionen auf hoher See wieder aufzunehmen und Notfallpläne für die Grenzen zu entwickeln, um angemessene Aufnahmebedingungen für jene zu schaffen, die Schutz in Europa suchen.