Raimund Alber
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Raimund Alber stammt aus St. Jakob am Arlberg in Tirol und ist klinischer Psychologe. Er studierte Psychologie an der Universität Salzburg und absolvierte im Anschluss die Ausbildung zum Klinischen und Gesundheitspsychologen. Daraufhin war er fünf Jahre lang als Klinischer Psychologe im Neurologischen Therapiezentrum Gmundnerberg tätig. Nach einem Jahr Arbeit in der Forschung an verschiedenen Universitäten bewarb er sich bei Ärzte ohne Grenzen.
Warum hast Du Dich für einen Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen entschieden?
Schon während meines Studiums hat mich die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen interessiert und fasziniert. Schlussendlich habe ich mich aber nach den Schießereien in Paris in 2015 dafür entschieden, meine Bewerbungsunterlagen zu Ärzte ohne Grenzen zu senden: Ich wollte einfach mit meinen Kenntnissen und Mitteln helfen, etwas gegen das Leid und die Frustration in vielen Regionen der Welt zu tun. Ich war dann ganz überrascht, dass Ärzte ohne Grenzen so viele Projekte im Bereich psychologischer Hilfe hat, freue mich aber um so mehr, dass die psychischen Belastungen der Menschen in Krisensituation einen immer höheren Stellenwert bei der Erstversorgung gewinnen.
Was schätzt Du an Ärzte ohne Grenzen am meisten?
Den Mut und das Selbstbewusstsein, die es braucht, um in die katastrophalsten Schauplätze der Welt zu gehen und zu helfen.
Worauf freust Du Dich am meisten, wenn Du an Deinen Einsatz denkst?
Ich freue mich auf die Herausforderungen und auf die Menschen, die ich kennen lernen werde.
Was begeistert dich persönlich?
Ich mag Geschichten. Egal ob erzählt, geschrieben oder in Bildern.
Wie hat das Umfeld auf deine Entscheidung, auf Einsatz zu gehen, reagiert?
Ganz unterschiedlich. Meine Familie war sehr stolz und sehr besorgt zugleich. Ansonsten hab ich von Bewunderung bis komplettem Unverständnis alles gehört. Eine der schönsten Bemerkungen kam aber von einem Freund, der meinte, dass ich durch meine Arbeit ganz nah an der Frontlinie der Zeitgeschichte sei. Was er nur aus den Medien kenne, würde ich ganz nah miterleben.
Was war deine Aufgabe im Einsatz?
Ich leitete in den laufenden Projekten in Jordanien in Ar Ramtha die Abteilung für psychische Gesundheit. Das beinhaltete u.a. Training und Supervision von psychosozialer Beratung und Psycholog:innen, Aufbau eines Partner:innennetzwerkes mit anderen Organisationen, um Patient:innen dorthin weitervermitteln zu können, und auch die Verwaltung und Analyse unsere Daten um entsprechende Berichte fertigen und Anpassungen der Strategie an die Koordination weitergeben zu können. Und natürlich die psychologische Behandlung der Patient:innen in den Kliniken.
Welches Ereignis hat dich am meisten bewegt?
Wir hatten ein routinemäßiges Screening zum psychischen Status aller Patient:innen eingeführt. Bei einer Patientin erhoben wir eine der Routinefragen zu „Selbstmordgedanken“, die die Patientin unter Tränen mit „Ja“ beantwortete. Sie wurde sofort zur Psychologin zur Behandlung gebracht. Ein paar Tage später erzählte der Krankenpfleger, der das Screening durchgeführt hatte, dass die Patientin nicht wüsste, ob sie noch leben würde, wäre sie nicht nach ihren Selbstmordgedanken gefragt worden.
Welche Herausforderungen hast du im Feld erlebt?
Warmes, chloriertes Wasser zum Trinken. Da braucht es viel Vorstellungskraft, um daraus Tiroler Quellwasser machen zu können.
Was war das Schwierigste, woran du dich gewöhnen musstest?
Da sind Momente, in denen man realisiert, wie wenige Ressourcen man manchmal hat. Aber dann krempelt man seine Ärmel hoch und fängt einfach an. Man kann zwar nicht jedem helfen. Aber Einem nach dem Anderen.
Was vermisst du, wenn du auf Einsatz bist?
Manchmal vermisse ich das „normale“ Leben. So etwas wie Routine. Ein 8-5 Job, einen Stammtisch, ein Hobby, eine Beziehung. Oder kaltes, trinkbares Leitungswasser.
Hattest du eine Lieblingsspeise im Einsatz?
In Jordanien wurden wir öfter von unserem Nachbarn zum Essen eingeladen. Wir aßen das beste „Mansaf“ - in Ziegenjoghurt gekochtes Lammfleisch, das mit Reis, Mandeln und Gewürzen serviert wird. Nicht nur eine bewusstseins-, sondern auch hüftumfangserweiternde Erfahrung.
Was nimmst du auf Einsatz mit?
Meine Kamera, Tiger-Balsam (hervorragend gegen Mückenstiche), mein violettes, Paisley-gemustertes Partyhemd, ein Fotobuch meiner Familie, Schokolade, die gesammelten Werke von Helge Schneider für schlechte Tage. Und natürlich ein Stück Tiroler Speck.
Als du über Weihnachten auf Einsatz warst, habt ihr gefeiert?
Ich war 2016/2017 über Weihnachten in Jordanien. Wir waren ein kleines Team, jeder hatte für das Weihnachtsessen etwas Leckeres von Zuhause mitgenommen und für diesen Moment aufbewahrt. Da der Strom ausgefallen war, mussten wir unsere Kerzen anzünden und saßen bei schwachem Licht, ohne Internet und mit Gas-Heizstrahlern im Rücken eng beisammen und erzählten uns bei spanischem Rotwein, Tiroler Schinkenspeck und jordanischen Oliven gegenseitig Geschichten.
Gibt es noch etwas, was du unsere Spender:innen wissen lassen möchtest?
Auch wenn ich selbst nicht viel für Geld übrig hab, bin ich froh, dass Sie so viel übrig haben, dass Sie es uns anvertrauen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Einsätze von Raimund Alber
- Kamerun, Juli 2020 - November 2020
- China, Februar 2020 - April 2020
- Irak, Juli 2019 - November 2019
- Kamerun, September 2018 - November 2018
- Südsudan, Februar 2018 – August 2018
- Bangladesch, November 2017 – Januar 2018
- Jordanien, November 2016 - September 2017