16.04.2025
Der Vorarlberger Martin Mühlbacher war ein halbes Jahr auf den Inseln von Kiribati im Einsatz. Er erzählt, wie der steigende Meeresspiegel die Bevölkerung bedroht und warum das Trinkwasser salziger wird. Als Logistiker hat er hautnah erlebt, wie die Abgeschiedenheit eine ausgewogene Ernährung erschwert und was das für die Gesundheit der Menschen bedeutet.

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Als ich im August in Kiribati ankomme, ist gerade Trockenzeit. Es regnet nur sehr selten und wenn, dann nur wenige Minuten lang. Schnell wird klar, dass Wasser eines der Hauptprobleme des Inselstaats ist. Sowohl der steigende Meeresspiegel als auch das fehlende Frischwasser, sind eine Herausforderung für die Menschen, die hier leben.

Der Inselstaat Kiribati liegt mitten im Pazifischen Ozean – nicht ohne Grund auch der „Rand der Welt“ genannt. Ringsum gibt es nur Meer. Die insgesamt 33 Inseln verteilen sich auf einer Fläche so groß wie ganz Europa. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt aber im Süden der Hauptinsel Tarawa. Der Rest verteilt sich auf die sogenannten „Äußeren Inseln“, die sehr schwierig zu erreichen sind.

Ein kleiner Funfact zu Beginn: In der Landessprache klingt „ti“ wie ein „s“. Kiribati wird also „Kiribas“ ausgesprochen. 

Weite Wege und warten auf Hilfsgüter

Wie weit abgeschieden wir in Kiribati sind, wird mir so richtig klar, als ich selbst mit Fieber und Schüttelfrost in einer kleinen Hütte auf Makin, einer der äußeren Inseln, liege. Der nächste Arzt ist auf der Hauptinsel Tarawa - über eine Stunde Flugzeit entfernt. Mein Fieber geht aber zum Glück bald zurück und ich kann mich wieder meinem Einsatz widmen.

Die weiten Wege zwischen den Inseln und zu anderen Staaten ist auch logistisch eine große Herausforderung. Bestellungen und Versorgung von lokalen Märkten und auch Hilfsgüter brauchen  Wochen bis Monate, um bei uns anzukommen. Auf einen Container mussten wir ganze vier Monate lang warten. Auch scheinbar alltägliche Dinge wie neue Akkus für Geräte oder Lebensmittel werden erst über weite Wege transportiert, bis sie bei uns per Luftfracht ankommen.

„Erst wenn ein Container ankommt, wissen wir, was überhaupt da ist und womit wir arbeiten können.“

Auch die Ernährung der Menschen in Kiribati leidet unter den logistischen Herausforderungen. Die meisten Lebensmittel müssen über weite Wege importiert werden. Eier kommen zum Beispiel aus Neuseeland, viele andere Lebensmittel sogar aus China. Eine ausgewogene Ernährung wird dadurch erschwert. Viele Menschen ernähren sich vor allem von Reis, was auf Dauer sehr einseitig ist.

Nicht nur Lebensmittel, auch das Trinkwasser ist für die Ernährung vor Ort ein Problem. Vor allem auf den Äußeren Inseln ist sauberes Wasser keine Selbstverständlichkeit. Auf der Insel Abaiang etwa haben nur 30% der Menschen Frischwasser zur Verfügung. Der Großteil hat keinen direkten Zugang zu Trinkwasser.

Wasser ist damit eine der größten Herausforderungen in Kiribati. Einerseits das fehlende Trinkwasser, andererseits der steigende Meeresspiegel durch den Klimawandel. Besonders oft fallen diese beiden Fälle zusammen. Der steigende Meeresspiegel sorgt nämlich für weniger Trinkwasser auf den Inseln. Das salzige Meerwasser liegt dann über den unterirdischen Süßwasserblasen und wird in die Brunnen gedrückt. Dadurch wird das wertvolle Brunnenwasser versalzen – mit drastischen Folgen.

Bluthochdruck und Diabetes

Um die Wasserqualität zu kontrollieren, werden von uns laufend Proben aus den lokalen Brunnen untersucht. In der Teststation wird das Wasser analysiert, um gezielt auf Veränderungen reagieren zu können. Besonders auffällig ist immer wieder der Salzgehalt in einigen Proben. Das versalzene Wasser ist sehr schlecht für die Gesundheit der Menschen in Kiribati. Vor allem Bluthochdruck wird häufiger. Aber nicht nur das. Um das salzige Wasser genießbar zu machen, wird oft Zucker zugesetzt. Der viele Zucker führt bei den Menschen aber zusätzlich zu mehr Diabeteserkrankungen. 

In meinem Einsatz unterstütze ich als Logistiker deshalb unsere Mediziner:innen. Sie helfen den lokalen Gesundheitseinrichtungen  bei Blutdruckmessungen und Bewusstseinsbildung zu den Gefahren von Salz- und Zuckerwasser. Wir schulen außerdem Gruppen vor Ort, die das Wissen in ihre Gemeinden weitergeben und versorgen sie mit Messgeräten. 

Wenn in einer Gemeinde besonders viele Fälle von Bluthochdruck oder Diabetes auftauchen, können wir auch gleich die Ergebnisse der Wasserproben aus den Brunnen kontrollieren. Dabei zeigt sich sehr deutlich der Zusammenhang zwischen dem salzigen Wasser und den gesundheitlichen Problemen der Menschen.

Weggespülte Dörfer

Aber nicht nur für das Trinkwasser ist der steigende Meeresspiegel ein Problem. Im Süden der Hautpinsel Tarawa liegt der höchste Punkt nur 3 Meter über dem Meeresspiegel. Jeder Meter, den das Wasser steigt, gefährdet die Inseln von Kiribati.

Besonders bewusst wird mir das beim Besuch von Tebunginako. Das Dorf wurde vom Meer komplett weggespült. Ein überfluteter Marktplatz und eine kleine Kirche sind die einzigen Überbleibsel. Bei Ebbe sind noch Walle erkennbar, mit denen versucht wurde das Wasser aufzuhalten. Es wurden außerdem Mangroven gepflanzt, um der kompletten Zerstörung des Dorfes entgegenzuwirken. Allerdings ohne Erfolg. Das komplette Dorf musste umgesiedelt werden. Mit dem steigenden Meeresspiegel müssen sich immer mehr Ort auf Wassermassen - und im Ernstfall sogar Umsiedlungen - vorbereiten.

Kein typischer Einsatz

Die Abgeschiedenheit des Inselstaats verlangsamt vieles und auch die Abläufe, wie wir sie bei Ärzte ohne Grenzen kennen, funktionieren manchmal nicht wie gewohnt. Gerade für erfahrene Einsatzkräfte, die sich auf bestimmte Prozesse verlassen, ist das eine Herausforderung. Auch die Tatsache, dass ringsum nur Wasser ist und man nicht so einfach weg kann, kann belastend sein. Zum Glück kam ich mit diesem sogenannten “Inselfieber” gut zurecht.

Mir wird mein Einsatz in Kiribati in sehr guter Erinnerung bleiben. Die Herausforderungen, mit denen der Inselstaat konfrontiert ist, sind groß. Trotzdem habe ich die Menschen von Kiribati als sehr glücklich erlebt. Das ist etwas, das mich sehr bewegt und motiviert, auf weitere Einsätze zu gehen.

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