18.11.2024
Röntgenbilder zeigen schwere Verletzungen bei Kindern: eine Kugel im Körper des 18 Monate alten Jungen und einen Granatsplitter im Kopf des 20 Monate alten Mädchens.

Eine von sechs kriegsverletzten Personen, die seit Jahresbeginn im Bashair-Krankenhaus im Süden von Khartum behandelt wurden, ist jünger als 15 Jahre. Dies zeigen aktuelle Zahlen von Ärzte ohne Grenzen. Viele der Patient:innen haben Schusswunden oder Verletzungen durch Explosionen und Granaten. Die medizinische Hilfsorganisation berichtet von einer weiteren besorgniserregenden Entwicklung: Immer mehr Kinder werden wegen akuter Mangelernährung ins Krankenhaus eingeliefert. 

Das Bashair-Krankenhaus ist eines der wenigen noch funktionierenden Krankenhäuser im Süden von Khartum. Dort bietet Ärzte ohne Grenzen gemeinsam mit dem lokalen Team Notfallmedizin, chirurgische Leistungen und eine Mutter-Kind-Versorgung an. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 4.214 Kriegsverletzte behandelt, darunter 314 Kinder. 

18 Monate alter Junge von Kugeln getroffen

„Riyad, ein 18 Monate altes Baby, wurde in die Notaufnahme gebracht, nachdem eine verirrte Kugel seine rechte Seite getroffen hatte, während er schlief“, berichtet Dr. Moeen*, Leiter des medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen. „Unser Team kämpfte vier Stunden lang um Riyads Leben. Aufgrund des massiven Blutverlustes lag die Überlebenschance bei nur 50 Prozent.“ Die Blutung konnte gestoppt werden, jedoch blieb die Kugel in der Brust des Kindes. Eine Operation ist derzeit nicht möglich, da dem Krankenhaus die notwendigen chirurgischen Kapazitäten fehlen.  

Seit Oktober 2023 werden Lieferungen mit chirurgischem Material systematisch blockiert. Auch die Überstellung von Patient:innen ist aufgrund zerstörter Straßen und gefährlicher Transportbedingungen nahezu unmöglich. 

Blockaden behindern medizinische Versorgung

Die Blockaden von medizinischen Hilfslieferungen und Medikamenten verhindern auch andere lebensrettende Behandlungen, wie etwa die Versorgung von schweren Brandwunden. Dies ist besonders alarmierend, da es in der Stadt kein voll funktionsfähiges Zentrum zur Behandlung von Verbrennungsopfern mehr gibt. Menschen, die bei Bombenangriffen verletzt werden, sind davon besonders betroffen. 

Ende Oktober wurden nach einer Explosion auf einem Markt mehr als 30 Verletzte ins Bashair-Krankenhaus eingeliefert, darunter zwölf Kinder unter 15 Jahren. Sie litten an schweren Verbrennungen und anderen Verletzungen. Ein 20 Monate altes Mädchen hatte einen Granatsplitter tief im Kopf stecken. „Als wir sie vorsichtig auf den Röntgentisch legten, fiel ein Teil der zerbrechlichen Schädeldecke auf den Tisch“, schildert Dr. Moeen*. „Zum Glück überlebte sie – aber vielen anderen können wir nicht mehr helfen.“ 

„Die Kampfhandlungen in Khartum nehmen weiter zu, was immer häufiger dazu führt, dass eine große Anzahl Verletzter innerhalb kürzester Zeit in die wenigen noch funktionierenden Krankenhäuser eingeliefert wird“, erklärt Dr. Moeen*. Das medizinische Personal arbeitet unter enormem Druck und kann die steigende Zahl der Patient:innen kaum bewältigen. 

Mangelernährung immer häufiger

Das Krankenhaus verzeichnet zudem einen starken Anstieg von Kindern und schwangeren Frauen, die an akuter Mangelernährung leiden. Ohne Behandlung ist dies lebensbedrohlich. Von den 4.186 Frauen und Kindern, die zwischen dem 19. Oktober und 8. November 2024 untersucht wurden, wurde bei mehr als 1.500 schwere akute Mangelernährung und bei weiteren 400 moderate Mangelernährung festgestellt. 

„Diese Zahlen zeigen das unvorstellbare Leid der Menschen in Khartum – insbesondere das der Kinder“, sagt Claire San Filippo, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Wir appellieren an die Konfliktparteien, die Zivilbevölkerung zu schützen und sicherzustellen, dass medizinische Hilfsgüter alle Krankenhäuser im Sudan erreichen.“ 

*Name zum Schutz der betroffenen Person anonymisiert. 

Mehr über unsere Hilfe im Sudan.

Werner Reiter | Ärzte ohne Grenzen

Werner Reiter

Press Officer