14.06.2021
Seit 2018 steht der Norden Burkina Fasos im Zentrum eines wachsenden bewaffneten Konflikts. Gewalt und die Folgen des Klimawandels haben dazu geführt, dass Menschen kaum Zugang zu Wasser haben und einem hohen Krankheitsrisiko ausgesetzt sind.

Die Wüstenregion im Norden von Burkina Faso ist die trockenste und heißeste Teil des Landes. Seit 2018 steht sie im Zentrum eines wachsenden bewaffneten Konflikts, der sich über einen Großteil der auch die Nachbarländer umfassenden afrikanischen Sahelzone erstreckt. Zusätzlich zur Gewalt haben die Folgen des Klimawandels dazu geführt, dass die Menschen kaum Zugang zu Wasser haben und einem hohen Krankheitsrisiko ausgesetzt sind.  Viele Gemeinden dort sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 

Aïssé Ouedraogo kam um vier Uhr morgens an der Wasserstelle an, die nur wenige Kilometer von ihrem Zuhause entfernt ist. Sechs Stunden später hat sie gerade einmal zehn Kanister mit sauberem Wasser gefüllt, jeder von ihnen fasst rund 20 Liter. "Mehr kann ich nicht mitnehmen. Es gibt nicht genug Wasser in dieser Region, und wenn ich mehr nehme, haben die anderen nicht genug Wasser", sagt Aïssé.

Conflict in Burkina Faso: when the whole day is devoted to fetching water
Noelie Sawadogo/MSF
Wasserstelle in Gorom Gorom

An dieser Wasserstelle im Bezirk Gorom Gorom warten jeden Tag Dutzende von Frauen wie Aïssé darauf, dass sie an die Reihe kommen und ihre Kanister mit sauberem Wasser füllen können. Aïssé ist wegen der Gewalt in ihrem Dorf Boulékessi nach Gorom Gorom geflohen, rund 85 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Es ist die einzige Wasserquelle, die es den Vertriebenen ermöglicht, ihre täglichen Bedürfnissen, wie Kochen und Hausarbeit zu erfüllen.

Die langen Warteschlangen bei der Wasserstelle sowie der weite Weg dorthin gehören zu den größten Schwierigkeiten für viele Vertriebene. "Wenn wir kein Wasser finden, müssen wir es kaufen und ein Kanister kostet 100 FCFA (0,15 €)", sagt Aïssé. "Manchmal haben wir keine Wahl, es ist sehr schwierig für uns." Die Vertriebenen haben keinen regelmäßigen Zugang zu Arbeit. Wenn doch, dann arbeiten sie als Tagelöhner:innen und verdienen nur sehr wenig Geld.

Eine Krise ohne Ende in Sicht

Seit 2018 beherrschen anhaltende Gewalt zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen und den burkinischen Streitkräften sowie zwischen den bewaffneten Gruppen selbst die Sahelzone. Dies hat zu einer massiven humanitären Krise geführt und viele Menschen zur Flucht gezwungen. Viele Geflohene sind auch aus den Nachbarländern Niger und Mali nach Burkina Faso gekommen.

Mehr als 350.000 Menschen¹ sind derzeit in der Sahelzone auf der Flucht, etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Region, 628.000 Menschen haben keinen Zugang zu Wasser und leben unter schlechten Hygienebedingungen. Es mangelt zudem an sanitären Einrichtungen. Die Grundversorgung ist schlecht und die Gesundheitsrisiken sind enorm. Schon vor dem Konflikt gab es in der Region starke saisonale Klimaschwankungen, die die ohnedies schon begrenzten Wasserressourcen knapp werden ließen. Nach Angaben des UN-Sektor² für Wasser, Hygiene und Sanitärversorgung sind rund 92.000 Menschen im Bezirk Gorom Gorom auf Hilfe angewiesen.

Die 49-jährige Guènèba Hamidou ist am frühen Morgen ebenfalls an der Wasserstelle angekommen. Sie stammt auch aus Boulékéssi und floh 2019 nach tödlichen Angriffen aus ihrem Dorf.

An Tagen, an denen ich mit leeren Kanistern nach Hause gehe, habe ich nichts zum Essen.

Guènèba Hamidou

"Das Leben hier ist alles andere als einfach. Seit wir in Gorom Gorom angekommen sind, hat sich das Wasserproblem verschlimmert", sagt Guènèba. "Lebensmittel und Wasser sind nicht ausreichend vorhanden und schwierig zu bekommen. An Tagen, an denen ich mit leeren Kanistern nach Hause gehe, habe ich nichts zum Essen."

Mangel an sauberem Wasser: Quelle für Krankheiten 

Wenn im Juni die Regenzeit beginnt, wird der Zugang zu Wasser einfacher. Es ist aber kein sauberes Wasser und birgt Gesundheitsrisiken wenn es zum Kochen oder Trinken verwendet wird. Der Mangel an sauberem Wasser und das dichte Zusammenleben vieler Menschen sind Quelle für verschiedene parasitäre Infektionen, Hautkrankheiten und durch Wasser übertragene Krankheiten, wie z. B. Durchfallerkrankungen. Die Bereitstellung von sauberem Wasser und funktionierenden sanitären Anlagen ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in Burkina Faso.

Conflict in Burkina Faso: when the whole day is devoted to fetching water
Noelie Sawadogo/MSF
Eine von Ärzte ohne Grenzen errichtete Latrine im Spital von Gorom Gorom

"In den von uns unterstützten Gesundheitszentren werden jeden Monat Hunderte von Patient:innen wegen Krankheiten behandelt, die auf eine schlechte Wasserqualität zurückzuführen sind", sagt David Munganga, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen im Land. Zwischen Januar und März 2021 hat Ärzte ohne Grenzen  allein in Kliniken in Dori und Gorom Gorom mehr als 1.200 Kinder im Alter von fünf Jahren und jünger mit Durchfallerkrankungen behandelt. 

Im Bezirk Gorom Gorom haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen kürzlich ein neues Bohrloch eingerichtet, um den Zugang zu Wasser von rund 20.000 Vertriebenen zu verbessern. Dieses Bohrloch kann bis zu 1.100 Liter Wasser pro Stunde liefern und ergänzt sieben weitere Bohrlöcher, die die Teams in dem Gebiet schon repariert haben. 

Außerdem unterstützt Ärzte ohne Grenzen das Bezirkskrankenhaus Gorom Gorom und zwei weitere Gesundheitszentren. Teams von Ärzte ohne Grenzen verteilen zusätzlich Hygienesets an Vertriebe, darunter Seife, Kanister und Wasserdesinfektionstabletten für die Wasseraufbereitung im Haushalt. Mitarbeiter:innen besuchen regelmäßig Gemeinden, um über Gesundheits- und Hygienefragen aufzuklären und zu sensibilisieren.

Conflict in Burkina Faso: when the whole day is devoted to fetching water
Noelie Sawadogo/MSF
Eine Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen berät eine Frau in einem Gesundheitszentrum in der Sahelregion.

"Der Zugang zu Wasser und grundlegenden Dienstleistungen für Vertriebene und lokale Gemeinschaften in der Sahelzone und an vielen Orten in Burkina Faso ist eine echte Herausforderung", sagt Youssouf Aly Dembélé, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Burkina Faso.

Eine stärkere Präsenz von humanitären Organisationen ist notwendig, um den wachsenden medizinischen und humanitären Bedarf der massiv vom Konflikt betroffenen Bevölkerung zu decken.

Youssouf Aly Dembélé, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Burkina Faso

Sechs der 13 Regionen in Burkina Faso sind von der Wasserkrise betroffen, in vier davon arbeitet Ärzte ohne Grenzen, um sauberes Wasser zu den Menschen in Not zu bringen. Im Jahr 2020 verteilten die Teams von Ärzte ohne Grenzen rund 133.934.000 Liter Wasser, eine Menge, die 45 Schwimmbecken olympischer Größe entspricht. Ärzte ohne Grenzen leistet derzeit medizinische und humanitäre Hilfe für lokale Gemeinschaften und Vertriebene in Burkina Faso. Die Hilfe umfasst kostenlose medizinische Grund- und Spezialversorgung, Impfkampagnen und die Verteilung von Hilfsgütern. Im Jahr 2020 wurden mehr als 478.000 medizinische Konsultationen durchgeführt.