Klimakrise und Flucht: Die Folgen für die Menschen im Südsudan und in Somalia

16.06.2023
Mehr Menschen als je zuvor sind derzeit gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Ein Grund dafür sind die Folgen der Klimakrise, die zu immer mehr und stärkeren Extremwetterereignissen führt.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen versorgen Schutzsuchende in ihren Herkunftsländern, entlang ihrer Fluchtrouten und in Vertriebenenlagern – beispielsweise im Südsudan, wo die Menschen vor Überschwemmungen fliehen, und in Kenia, wohin sich Somalier:innen vor der Dürre in ihrer Heimat retten.

In den drei Flüchtlingslagern des Dadaab-Komplexes im Nordosten Kenias leben über 300.000 Geflüchtete, die meisten von ihnen aus dem benachbarten Somalia. „Die Dürre, die am Horn von Afrika herrscht, führt zu einem Zustrom an Flüchtlingen aus Somalia nach Dadaab“, berichtet Nitya Udayraj, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Kenia. Es ist eine der schwersten Dürreperioden, die den Menschen in Somalia und Somaliland das fünfte Jahr in Folge zu schaffen macht. Wassermangel und ausgetrocknete Böden haben den Viehbestand – und somit die Lebensgrundlagen – der somalischen Hirtengemeinschaften stark verringert. Ernten fallen aus, Lebensmittelpreise steigen, ein Großteil der Bevölkerung leidet Hunger.

Aufgrund der anhaltenden Dürre in Somalia ist die Zahl der neu ankommenden Menschen in Dadaab in Kenia den letzten Monaten rapide angestiegen, was zu einer Überbelegung der dortigen Lager führt, die sich etwa in der weiteren Verschlechterung der Wasser- und Hygienesituation zeigt. Außerdem ist Cholera ausgebrochen.

Während die Menschen vor der Dürre in Somalia fliehen, waren die Geflüchtetenlager in Dadaab von heftigen Regenfällen betroffen. Nitya Udayraj: „Die beispiellosen Regenfälle verschärfen die ohnehin schlechten sanitären Bedingungen weiter: Einige Latrinen stürzten ein, verunreinigtes Wasser führt vermehrt zu Krankheiten – wie Cholera. Die Dürre und die widrigen Wetterbedingungen haben den Bedarf an humanitärer Hilfe verschärft.“

In Dagahaley, einem der drei Lager, aus denen Dadaab besteht, betreibt Ärzte ohne Grenzen ein Krankenhaus und zwei Gesundheitsposten. Die Teams haben zudem 150 Gemeinschaftslatrinen gebaut, sowohl innerhalb der Lager als auch in den Außenbezirken, wo rund 9.000 neu angekommene Geflüchtete in der umliegenden Wüste rudimentäre Unterkünfte errichtet haben. Dort stellt Ärzte ohne Grenzen täglich rund 50.000 Liter Trinkwasser zur Verfügung und hat rund 1.000 dieser Haushalte mit Plastikplanen, Matten und Flüssigseife versorgt.

Während die Menschen in vielen ostafrikanischen Ländern und am Horn von Afrika mit den schlimmsten Dürren der letzten 40 Jahre zu kämpfen haben, ist die Lage im Südsudan eine ganz andere: Das Land wurde bereits in vier aufeinanderfolgenden Jahren von starken Überschwemmungen heimgesucht.

Überflutungen halten ganzjährig an

Saisonale Überschwemmungen des Nils und seiner Nebenflüsse sind nichts Ungewöhnliches. Die der letzten Jahre sind jedoch beispiellos. So waren um den letzten Jahreswechsel mehr als eine Million Menschen betroffen, viele wurden aus ihren Häusern vertrieben. Etwa zwei Drittel des Landes standen zuletzt unter Wasser. Dadurch wurde Ackerland zerstört und ganze Vieherden -die wichtigste Lebensgrundlage für die Menschen im Südsudan-getötet sowie Häuser, Schulen und Gesundheitseinrichtungen zerstört.

„Die Gefahr, dass es im Südsudan das fünfte Jahr in Folge massive Überschwemmungen geben wird, ist real“, betont Mamman Mustapha, der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. „Dabei erleben wir in vielen Teilen des Landes, das ganze Regionen bereits jetzt dauerhaft unter Wasser stehen. Die Menschen sind daher gezwungen auf höher gelegene trockene Gebiete zu ziehen und dort auf engem Raum zu leben. Viele sitzen jetzt auf kleinen Inseln fest, die nur noch mit dem Boot erreichbar sind.“

Das Ausmaß der Überflutungen, der Wasserstand und auch die Auswirkungen auf die Bevölkerung haben im Laufe der Jahre zugenommen. „Für ein Land, das bereits von gewaltsamen Konflikten betroffen ist, das über ein fragiles Gesundheitssystem verfügt und in dem ein hohes Maß an Mangelernährung herrscht, bedeuten die Überschwemmungen die Verschärfung einer ohnehin schon schlimmen humanitären Situation.“

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen dokumentieren dies etwa in Twic County im Bundesstaat Warrap, wo rund 30.000 Menschen leben, die vor einem Jahr vor einem Gewaltausbruch in der nördlicheren Stadt Agok geflohen sind. Die Situation in den Vertriebenenlagern ist furchtbar: Es mangelt an Nahrungsmitteln, sauberem Trinkwasser, Gesundheitsversorgung. Die vertriebenen Familien leben seit über einem Jahr in behelfsmäßigen Behausungen aus Holzstöcken, Stoffstücken und Plastikplanen. Diese ohnehin schon katastrophale Lage wird durch die Überschwemmungen im Bezirk noch verschlimmert: Das Hochwasser hat die Ernte zerstört und auch die Bestellung der Felder unmöglich gemacht.

Ärzte ohne Grenzen unterstützt ein Krankenhaus in der Region mit 86 Betten in Mayen-Abun sowie zwei Gesundheitsposten und vier Standorte in Vertriebenenlagern, wo eine basismedizinische Betreuung durch ausgebildetes lokales Gesundheitspersonal angeboten wird. Die Teams behandeln vor allem Malaria und Mangelernährung aber auch Atemwegsinfektionen und Durchfallerkrankungen. Die wiederkehrenden Überschwemmungen in der Region machen nicht nur viele Gebiete unzugänglich, sondern führen auch zu einem hohen Aufkommen von durch Wasser übertragenen Krankheiten oder Malaria, da die Tümpel Brutstätten für Mosquitos sind.

Klimakrise ist Gesundheitskrise

Die Klimakrise wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Gesundheit aus. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist sie die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit.  Die Menschen in den Einsatzländern von Ärzte ohne Grenzen wie dem Südsudan leiden besonders stark unter den Konsequenzen. Die Teams der medizinischen Nothilfeorganisation sind vor Ort, um die Bevölkerung bestmöglich im Umgang mit den medizinischen Folgen zu unterstützen. Oft bleibt den Betroffenen allerdings nur die Flucht.