15.10.2024
Unnötiges Sterben von Kindern an Tuberkulose lässt sich verhindern. Dafür müssen neue Diagnosemöglichkeiten bei ihnen angewandt werden und sie müssen Zugang zu kinderspezifischen Medikamenten bekommen.

Tuberkulose ist heilbar, auch bei Kindern. Allerdings werden viele von ihnen nach wie vor weder getestet, noch behandelt. Zahlreiche Länder scheitern bereits an der ersten Hürde: der Aktualisierung der nationalen Leitlinien gemäß Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ärzte ohne Grenzen fordert den Einsatz von Diagnosemöglichkeiten am aktuellen Stand der Wissenschaft und Zugang zu modernen, für Kinder geeigneten Behandlungen.

Ein neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen zeigt, dass Kinder in Ländern, in denen Tuberkulose weit verbreitet ist, unzureichend behandelt werden. Die Bemühung zur Ausrottung der Krankheit müssen verstärkt werden. In dem Bericht „TACTIC“ (Test, Avoid, Cure TB in Children) wurden die Richtlinien von 14 Ländern* mit hoher Tuberkulose-Belastung untersucht Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass viele Länder bei der Anpassung ihres Umgangs mit der Krankheit an die neuesten Empfehlungen der WHO im Rückstand sind. Ärzte ohne Grenzen fordert daher alle Länder auf, ihre nationalen Richtlinien anzupassen. Ein weiterer Appell geht an die internationalen Organisationen, die Länder mit ausreichenden Mitteln zu unterstützen, um die Umsetzung einer pädiatrischen Tuberkulose-Politik auf aktuellem Stand der Wissenschaft voranzutreiben. 

Die Hälfte der an Tuberkulose erkrankten Kinder wird nicht behandelt

Die WHO schätzt, dass jedes Jahr 1,25 Millionen Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre an Tuberkulose erkranken, dies aber nur bei der Hälfte diagnostiziert und behandelt wird. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse hat sie im Jahr 2022 die Leitlinien für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Tuberkulose überarbeitet. Nur ein Land hat seine Richtlinien vollständig an die WHO-Empfehlungen angepasst. In sieben Ländern beträgt die Angleichung mehr als 80 %, in vier weiteren liegt sie unter 50 %. Die größten Versäumnisse liegen bei Maßnahmen zur Diagnose der Krankheit bei Kindern. Nur 5 von 14 Ländern haben ihre Leitlinien so angepasst, dass bei Kindern eine Behandlung eingeleitet wird, wenn ihre Symptome stark auf eine Tuberkulose-Erkrankung hindeuten, auch wenn die bakteriologischen Tests negativ sind. Zudem verfügen nur 4 dieser 5 Länder über die notwendigen Ressourcen für eine wirksame Umsetzung dieser Leitlinien.

Neue Diagnosemöglichkeiten führen zu deutlichem Rückgang der Todesfälle

Unter anderem empfiehlt die WHO den Einsatz von Algorithmen für Behandlungsentscheidungen. Diese ermöglichen Diagnosen anhand von Symptomen, wenn keine Laborbestätigung vorliegt. Joseph Sesey, Clinical Officer bei Ärzte ohne Grenzen in Makeni, Sierra Leone berichtet über positive Ergebnisse bei deren Einsatz: „Die neuen Empfehlungen helfen uns, Fehldiagnosen zu vermeiden. Ärzt:innen, die bislang gezögert haben, bei Kindern ohne positive Testergebnisse mit einer Tuberkulose-Behandlung zu beginnen, fühlen sich jetzt sicherer. Sie setzen die WHO-Empfehlungen um und diagnostizieren Tuberkulose allein anhand klinischer Symptome. Ich stelle einen deutlichen Rückgang der Todesfälle bei Kindern mit Tuberkulose in vielen Gesundheitszentren fest.“ 

Zugang zu kinderspezifischen Tuberkulose-Medikamenten sicherstellen

Eine weitere Empfehlung der WHO ist der Einsatz kurzer oraler Therapien für die Behandlung von Tuberkulose bei Kindern. Diese kinderspezifischen Medikamente sind aufgrund bürokratischer Hürden und Finanzierungslücken in vielen Ländern immer noch nicht verfügbar.  Dr. Cathy Hewison, Leiterin der Tuberkulose-Arbeitsgruppe von Ärzte ohne Grenzen sagt dazu: „Das hat zur Folge, dass Kinder gezwungen sind, zerkleinerte und bittere Medikamente zu schlucken und die Dosierung nicht auf ihr Gewicht abgestimmt ist. Damit sind sie großen Risiken – etwa Nebenwirkungen oder Behandlungsversagen – ausgesetzt. Dies muss ein Ende haben!“ Ärzte ohne Grenzen fordert daher Regierungen, Geber:innen und internationale Gesundheitsorganisationen dringend zum Handeln auf.  Kein Kind soll an einer vermeidbaren und behandelbaren Krankheit wie Tuberkulose sterben oder leiden. „Untätigkeit können wir uns nicht länger leisten. Jede Verzögerung bedeutet, dass noch mehr Kinder unnötig sterben“, betont Stijn Deborggraeve, Diagnostik-Berater bei der Access Campaign von Ärzte ohne Grenzen.  
 

*Afghanistan, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Guinea, Indien, Mosambik, Niger, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Sierra Leone, Somalia, Republik Südsudan, Uganda.

Weitere Infos zum TACTIC Report

Werner Reiter | Ärzte ohne Grenzen

Werner Reiter

Press Officer