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Zwei Monate lang als einzige Ärztin in der Hölle von Bossangoa
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Seit dem Umsturz vom März 2013 müssen die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik inmitten von Gewalt und Chaos um ihr Überleben kämpfen. Die Rebellen-Koalition Séléka hat die Regierung des ehemaligen Präsidenten François Bozizé verdrängt und eine Übergangsregierung gegründet – die Konflikte in dem Land gehen aber nicht zurück. Rebellen greifen weiterhin die Dörfer an, es gibt brutale Vergeltungsschläge auf allen Seiten, die zunehmend auch religiös motiviert sind. Die Vereinten Nationen warnen davor, dass das Leid der Zivilbevölkerung ins unermessliche steigt. Die Ärztin Erna Rijnierse ist gerade von einem Hilfseinsatz in der Stadt Bossangoa zurückgekehrt. Dort ist die Gewalt im September stark eskaliert. Ärzte ohne Grenzen ist eine der wenigen Hilfsorganisationen vor Ort.
Wie geht es dir kurz nach der Rückkehr?
Ich habe schreckliche Dinge gesehen und grauenhafte Geschichten gehört. Aber vor allem bin ich sehr froh über das, was wir geschafft haben – obwohl die Möglichkeiten vor Ort begrenzt sind. Aber was zählt, ist nur, dass wir damit Leben retten konnten. Und dass wir geblieben sind, trotz der Gewalt, und für die Menschen da waren. Darauf können wir, denke ich, stolz sein. Und selbst wenn ich kaum geschlafen habe und extrem erschöpft bin: Ich würde sofort zurückgehen, wenn ich wieder gebraucht würde.
Welche Anzeichen der Gewalt hast du selbst erlebt?
Ich war kaum eine Woche vor Ort, da eskalierte die Lage. Plötzlich war die Hölle los: Dörfer gerieten unter Beschuss, die Menschen bekämpften sich, es gab Bombardierungen. Die Gewalt war extrem. Wir haben PatientInnenen behandelt, die angeschossen oder mit Macheten verletzt wurden oder beides. Ein Patient zum Beispiel hatte Machetenschnitte am Hals und zwei Schusswunden am Rücken. Alleine im September haben wir 60 Verwundete behandelt und 35 Operationen durchgeführt – rund 80 Prozent davon wegen schwerer Gewaltverletzungen.
Was bedeutet die Gewalt für die Bewohner von Bossangoa?
Sie müssen fliehen. Als die Gewalt ausbrach, strömten die Menschen regelrecht auf ein Kirchengelände, das durch eine Mauer geschützt ist. Es gibt dort neben der Kirche noch ein Pfarrhaus und einige kleine Schulgebäude. In unglaublicher Geschwindigkeit schlugen Zehntausende Menschen dort ihre Lager auf und suchten Zuflucht. Wir schätzen ihre Anzahl auf rund 35.000, das Gelände, auf dem sie leben, ist rund fünf Hektar groß. Dabei wären 160 Hektar angemessen, um so viele Menschen zu beherbergen!
Wie leben die Menschen, die dort Schutz suchen?
Stellen Sie sich vor, Sie müssen zusammengepfercht auf engstem Raum leben, inmitten von Matsch und Dreck. Als Unterkunft haben die Familien nur eine Plastikplane, nachts haben sie kaum Platz, um sich hinzulegen und müssen sich eine einzige Decke teilen. Überall liegen Exkremente herum, weil nicht genug Hilfsorganisationen vor Ort sind und es nicht genug Latrinen gibt. Die Menschen kochen auf offenen Feuerstellen, der Rauch brennt in den Augen. Dass die Familien diesen Zustand ihren eigenen Häusern vorziehen, zeigt, wie groß ihre Angst ist.
Zudem steht jetzt in der Regenzeit vielerorts das Wasser, das zieht die Mücken an. Malaria ist ohnehin ein riesiges Problem in der Zentralafrikanischen Republik. Unter den jetzigen Umständen sind die Menschen noch anfälliger für die Krankheit.
Seit wann ist Ärzte ohne Grenzen in Bossangoa im Einsatz?
Wir haben den Einsatz im Mai 2013 gestartet, nach dem Umsturz. Das Krankenhaus und die umliegenden Gesundheitszentren waren geplündert worden und wir wollten den Menschen beistehen, damit sie wieder medizinische Hilfe erhalten. Wir unterstützen die ambulante Versorgung im Krankenhaus sowie die Kinderstation und den Kreißsaal. Zudem haben wir einen Gesundheitsposten rund 35 Kilometer außerhalb von Bossangoa, in einer Gegend, in der die Menschen sonst überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Hilfe haben. Unser Team besteht aus internationalen und zentralafrikanischen MitarbeiterInnen: Hebammen, Krankenpfleger, Logistiker. Zwei Monate lang war ich die einzige Ärztin und wir waren die einzige Hilfsorganisation vor Ort.
Und wie habt ihr auf die akute Notsituation reagiert?
Wir haben unser Team erweitert und sofort damit begonnen, sauberes Trinkwasser und Latrinen für die Schutzsuchenden bereitzustellen. Zusammen mit den Gesundheitsbehörden haben wir die Kinder gegen Masern und Kinderlähmung geimpft.
Zudem haben wir unser Ernährungszentrum für mangelernährte Kinder erweitert. Insgesamt behandeln wir dort nun rund 230 Mädchen und Jungen, 30 von ihnen erhalten eine Intensivversorgung.
Hält die Gewalt weiterhin an?
Ja, es werden immer noch Menschen mit schlimmen Verletzungen zu uns gebracht, an manchen Tagen sehen wir bis zu 100 PatientInnen. Manche waren auf der Flucht, sie haben sich Wochen oder Monate lang im Busch versteckt und trauen sich erst jetzt, sich behandeln zu lassen und im Ort Schutz zu suchen. Neulich erst wurde ein zwei Monate altes Baby mit einer Schusswunde am Arm zu uns gebracht. Auch in diesem Fall waren wir zum Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Wir konnten das Kleine retten und entlassen, es geht ihm wieder gut. Wir haben wegen der anhaltenden Gewalt ein größeres Engagement von anderen Akteuren gefordert, und seit Kurzem beginnen mehr Hilfsorganisationen, den Menschen in der Region beizustehen. Aber die Hilfe reicht immer noch nicht aus.