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Zentralafrikanische Republik: Sie rennen um ihr Leben – In der Stadt Zémio suchen Menschen Schutz vor Rebellenangriffen
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Ende April haben in der Zentralafrikanischen Republik Angriffen durch die Rebellengruppe Lords Resistance Army (LRA) stark zugenommen. Tausende Menschen haben ihr Zuhause in Richtung der ländlichen Stadt Zémio im Südosten des Landes verlassen. Seit Mai versorgt Ärzte ohne Grenzen dort Vertriebene und die einheimische Bevölkerung medizinisch.
„Den ganzen April über unternahm die LRA mehrere heimtückische Angriffe auf Städte in der Region“, beschreibt Peter Heikamp, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Doch plötzlich waren es nicht mehr nur vereinzelte Attacken. Auf die kleinen Dörfer rund um Zémio, alle in 35 bis 40 Kilometer Entfernung, folgte ein Angriff auf den nächsten. Anfang Mai waren bereits mehrere Tausend Vertriebene in der Stadt und täglich kamen mehr. Uns wurde schnell klar, dass die Gesundheitsprobleme eskalieren könnten, deshalb beschloss unser Team, so schnell wie möglich zu intervenieren. Wir wollten ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate verhindern, anstatt später auf hohe Sterblichkeitsraten reagieren zu müssen.“
Als Anfang Mai ein Team von Ärzte ohne Grenzen in Zémio eintraf, hatten sich bereits fast 4000 Menschen, auf der Suche nach Schutz vor den Angriffen der LRA, in die Stadt geflüchtet. Die Behörden hatten drei Lager an den größten Zugangsstraßen der Stadt errichtet. In einem vierten Lager waren bereits 3.000 Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Kongo untergebracht, die im Oktober 2009 vor dortigen Angriffen der LRA geflüchtet waren.
Einfache Krankheiten können ernsthaftes Problem werden
Ärzte ohne Grenzen richtete eine Ambulanz ein, um das lokale staatliche Krankenhaus zu unterstützen. Gleichzeitig arbeiteten die Mitarbeiter an der Errichtung von Gesundheitsposten in den Lagern. „Die Lager sind ziemlich chaotisch errichtet, mit sehr nahe beieinanderstehenden Hütten. Um zu verhindern, dass einfache Krankheiten zu ernsthaften Problemen werden, war es wichtig, unmittelbar in den Lagern zu sein und im direkten Kontakt zu den Menschen zu stehen,“ sagt Orla Condren, Krankenschwester von Ärzte ohne Grenzen. „Wir konzentrieren uns auf Malaria, Durchfall- und Atemwegserkrankungen.“
Um eine Epidemie zu verhindern, impfte Ärzte ohne Grenzen im Juni 1600 Kinder gegen Masern. Derzeit wird nachgeimpft und ein Ernährungsprogramm aufgebaut. Vor allem unter den kongolesischen Flüchtlingen gibt es viele Mangelernährte. „Wie es scheint, sind sie noch anfälliger als die vertriebenen Zentralafrikaner“, sagt Heikamp. „Wahrscheinlich deshalb, weil sie schon länger unter Lagerbedingungen leben und von der lokalen Bevölkerung weniger Unterstützung erhalten.“
Malaria ist die Haupttodesursache
„Zurzeit sehen wir jede Woche etwa 450 Patienten. Die Zahl wächst kontinuierlich und hat sich seit unserer Ankunft vor zwei Monaten fast verdoppelt“, erzählt Krankenschwester Condren. „Malaria ist mit Abstand die Haupttodesursache. Seit wir mehr Patienten mit schwerer Malaria sehen, behandeln wir auch stationär im lokalen Krankenhaus. Auch die Zahl der Patienten mit schwerer Mangelernährung steigt. Es sind keine Fälle chronischer Mangelernährung - generell sind die Vertriebenen recht gut ernährt. Allerdings tendieren Kinder dazu, in Umbruchsituationen weniger zu essen, und da die stillenden Mütter auch weniger essen, werden die Kinder schlechter versorgt. Bekommen sie dann eine einfache Malaria, sind sie ganz, ganz schnell mangelernährt.“
Die größten Herausforderungen, denen sich das Projekt gegenüber sieht, sind logistischer Natur. Zémio ist eine ländliche Stadt ohne Elektrizitätsnetz oder Kanalisation, mit gerade mal einer Hauptstraße und einem kleinen Marktplatz. Von der Hauptstadt Bangui fährt man fünf Tage dorthin durch sehr unsicheres Gebiet. „Zum Glück gibt es eine Landebahn für Flugzeuge, die es uns erlaubt, Hilfsgüter einzufliegen“, sagt Condren. „Aber es gab Situationen, in denen ich extrem besorgt war. Etwa wenn Patienten kamen, für die wir einfach nicht die Medikamente oder die therapeutische Nahrung hatten, die sie benötigten.“ Die meisten Vertriebenen haben ihre Dörfer nur mit dem verlassen können, was sie in ihren Händen hielten oder was sie am Körper trugen. „Sie rannten um ihr Leben,“ beschreibt Heikamp. „Es kommen noch immer vereinzelt neue Vertrieben. Doch der Zustrom hat nachgelassen, da die Dörfer im Einzugsgebiet der Stadt bereits leer sind. Wir hören aber noch immer Berichte von Angriffen innerhalb eines Radius´ von 100 Kilometer. Die Situation ist also noch zu instabil, als dass die Menschen zurückkehren könnten.“
Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1997 in der Zentralafrikanischen Republik. Zurzeit betreut die Organisation vor allem Projekte im Nordosten des Landes: in Kabo, Batangafo, Boguila, Markounda, Paoua and Bocaranga.