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Unterernährung im Sahel erfordert mehr als nur Nothilfe
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Wien, 18. Juli 2012 – In der Sahelzone hat die jährliche Ernährungskrise begonnen, die in gewissen Teilen der Region durch Epidemien, politische Instabilität und erhöhte Marktpreisen noch zusätzlich verschärft wird. Laut dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF sollen dieses Jahr eine Million schwer mangelernährte Kinder behandelt werden – mit Abstand die höchste Zahl in der Geschichte der humanitären Hilfe. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) ist dabei, seine Notfallhilfe aufzustocken, weist aber darauf hin, dass Mangelernährung in der Sahelzone ein Problem der öffentlichen Gesundheit ist, das langfristige Lösungen erfordert.
In den letzten 6 Monaten hat Ärzte ohne Grenzen rund 56.000 schwer mangelernährte Kinder in seine Ernährungsprogramme in sieben Ländern der Sahelzone aufgenommen. Die Zahl ist etwas höher verglichen mit der gleichen Zeitspanne im Vorjahr, bewegt sich jedoch in einem ähnlichen Rahmen.
Jährlich wiederkehrende Krisen
„In dieser Region sind Ernährungskrisen wiederkehrend und zyklisch", erklärt Michel-Olivier Lacharité, der MSF-Programmverantwortliche für Mali, den Niger und Tschad. „Aber dieses Jahr haben weitere Faktoren dafür gesorgt, dass die Mangelernährung in bestimmten Gebieten noch schlimmer ist als üblich. Dazu gehören höhere Marktpreise, die Instabilität im Norden von Mali und Nigeria, und eine Masern-Epidemie im Osten des Tschads."
Zusätzlich hat die besonders heftige Regenzeit im Süden des Nigers und in Teilen des östlichen Tschads zum erwarteten Anstieg von Malariafällen geführt. Für Kinder ist die Kombination aus Malaria und Mangelernährung tödlich. Ärzte ohne Grenzen setzt zusätzliche Mittel für die Soforthilfe ein, um so viele Kinder wie möglich zu behandeln, bevor der Regen die Strassen unpassierbar macht.
Notfallplan
Zum ersten Mal haben dieses Jahr all die Länder der Sahelzone, die am stärksten von Mangelernährung betroffen sind, schon früh Warnungen ausgesprochen und seit Herbst 2011 gemeinsam mit internationalen Hilfsorganisationen einen ehrgeizigen Notfallplan erarbeitet. Schätzungsweise eine Million schwer mangelernährter Kinder sollen behandelt werden, und die präventiven Lebensmittelverteilungen an Kleinkinder sollen neue Produkte auf Milchbasis enthalten, die speziell an die Nahrungsbedürfnisse von Kindern angepasst sind.
Es ist unbestritten, dass diese Aktion sowohl die Behörden wie auch die Hilfsorganisationen und Geldgeber erneut vor beträchtliche Herausforderungen stellen wird. Aber ein Nothilfe-Einsatz darf nicht die einzige Lösung sein.
Prävention und Behandlung nötig
„Mangelernährung ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit, und so sollte es auch angegangen werden“, erklärt Dr. Susan Shepherd, Kinderärztin und Ernährungsexpertin von Ärzte ohne Grenzen. „Präventionsmaßnahmen und die Behandlung von Mangelernährung ermöglichen es, viele Leben zu retten. Dies sollte Teil der Basis-Vorsorgemaßnahmen für kleine Kinder werden, so wie Impfungen. Länder, denen es gelungen ist, die Mangelernährung einzudämmen, haben den Menschen Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung und angemessener Ernährung für Kinder verschafft. Es ist entscheidend, nicht nur im Notfall zu handeln sondern zu längerfristigen Lösungen zu wechseln.“
Langfristige Maßnahmen
So führt Ärzte ohne Grenzen zwar jedes Jahr weiterhin Einsätze als Reaktion auf Ernährungskrisen durch, sucht aber gleichzeitig auch nach einfacheren und wirtschaftlicheren Methoden, um die Mangelernährung langfristig zu bekämpfen. Es gibt bereits mehrere vielversprechende Strategien: So werden die Behandlung und präventiven Maßnahmen dezentralisiert und neu von nichtmedizinischem Personal durchgeführt, es sind vermehrt lokal hergestellte Nahrungsmittel erhältlich, und ein neu entwickeltes System soll ermöglichen, dass Kinder einfacher und kostengünstiger Zugang zu ihrer benötigten Nahrung haben.
Die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in der Sahelzone
Ärzte ohne Grenzen betreibt derzeit 21 Ernährungsprogramme in der Sahelzone. Davon wurden neun dieses Jahr als Reaktion auf Ernährungskrisen im Tschad, in Mali, im Senegal und in Mauretanien gestartet. Die Teams führen weiterhin Evaluierungen durch, während in den kommenden Wochen mindestens drei weitere Projekte eröffnet werden sollen.Von den 56.000 schwer mangelernährten Kindern, die zwischen Jänner 2012 und Ende Juni von Ärzte ohne Grenzen in der Sahelzone versorgt wurden, wurden 36.000 allein in Niger behandelt. Auch im Norden von Mali, in Niger, in Burkina Faso und Mauretanien sind MSF-Teams im Einsatz, um den durch den Konflikt in Mali vertriebenen Menschen zu helfen.
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