Tausende fliehen vor Gewalt – Kliniken von Ärzte ohne Grenzen geplündert

03.01.2012
Medizinische Nothilfe muss ausgesetzt werden
Südsudan 2011
Liang Zi
Pibor, Südsudan, 30.04.2011: Das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Pibor.

Juba/Wien, 3. Januar 2012. Im Bundesstaat Jonglei im Südsudan sind tausende Familien vor einem Gewaltausbruch zwischen ethnischen Gruppen in den Busch geflohen. Zwei Kliniken von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in der Region wurden geplündert und beschädigt. Die Organisation musste deshalb ihre lebensrettende medizinische Hilfe im Gebiet um die Stadt Pibor aussetzen.

„Die Menschen haben Angst um ihr Leben“, erklärt Parthesarathy Rajendran, der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. „Sie sind in größter Eile geflohen und haben weder Lebensmittel noch Wasser bei sich. Einige sind sicherlich verletzt. Jetzt sind sie ganz ohne Hilfe auf sich allein gestellt.“

Medizinische Versorgung

Das Dorf Lekongole wurde vollständig niedergebrannt. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen fand dort in der vergangenen Woche eine Geisterstadt vor, alle Bewohner waren geflohen. Solange sie sich versteckt halten, ist eine medizinische Versorgung unmöglich. Aber es ist dringend notwendig, dass ihre Wunden gereinigt und verbunden und Krankheiten behandelt werden. Je länger sie sich verstecken müssen, desto schlimmer wird die Lage für die Verletzten und Kranken.

Während des Angriffs wurden zwei medizinische Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen ausgeraubt und beschädigt: die Klinik im Dorf Lekongole am 27. Dezember und das kleine Krankenhaus in der Stadt Pibor am 31. Dezember 2011. Eine dritte Klinik von Ärzte ohne Grenzen in dem nahe gelegenen Dorf Gumruk ist nach derzeitigen Informationen nicht betroffen. Diese drei Gesundheitseinrichtungen sind die einzigen für die rund 160.000 Menschen im Bezirk Pibor. Das nächste Krankenhaus ist mehr als 100 Kilometer weit entfernt.

Bereit für Rückkehr

Zehn internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen waren schon am 23. Dezember nach Juba verlegt worden. Den 156 südsudanesischen Kolleginnen und Kollegen wurde dringend empfohlen, das Gebiet zu verlassen. Ärzte ohne Grenzen konnte nur mit einigen von ihnen einen Kontakt herstellen, der genaue Aufenthaltsort der übrigen geflohenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nicht bekannt. Ärzte ohne Grenzen ist um ihre Sicherheit sehr besorgt. Die Organisation hat ihre Aktivitäten ausgesetzt, hält sich aber bereit, so bald wie möglich zurückzukehren.

Ärzte ohne Grenzen verurteilt die Angriffe auf neutrale und unparteiische medizinische Einrichtungen aufs Schärfste. Die Teams behandeln jeden, der medizinische Hilfe benötigt, unabhängig von seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion oder politischen Überzeugung. Bereits im August des vergangenen Jahres wurden medizinische Einrichtungen der Organisation in Pieri im Norden des Bundesstaates Jonglei angegriffen und ausgeraubt.

Humanitäre Maßnahmen haben Priorität

„Zurzeit entstehen gleich mehrere Krisensituationen in verschiedenen Teilen des Südsudans”, fügt Rajendran hinzu. „Unsere medizinischen Teams kümmern sich ebenfalls um Menschen, die vor dem Konflikt im benachbarten Sudan flüchten. Diese Vorkommnisse erinnern uns immer wieder daran, dass im Südsudan trotz der gewonnenen Unabhängigkeit akute Notlagen leider nur zu oft vorkommen und dass humanitäre Maßnahmen nach wie vor absolute Priorität haben.“

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1978 im Sudan und begann 1983 mit Einsätzen auf dem Gebiet des heutigen Südsudans. Heute führt die Organisation insgesamt 15 Projekte in acht von zehn Bundesstaaten des Südsudans durch und stellt mit ungefähr 2.500 südsudanesischen und 200 internationalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die medizinische Versorgung sicher. Im Jahr 2010 hat Ärzte ohne Grenzen im Südsudan fast 600.000 ambulante und 18.000 stationäre Behandlungen durchgeführt, 37.000 Malariapatienten und 26.000 mangelernährte Kinder behandelt.

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