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Syrien: Unter der Last des Krieges
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Syrische Flüchtlinge in der benachbarten Türkei sind zwar Bomben und Raketen entkommen, nicht aber den durch den Konflikt in ihrer Heimat entstandenen physischen und psychischen Wunden.
Ahmed Beidun zeigt sein ärztliches Zeugnis, während sein Sohn neben ihm auf dem Fussboden spielt. Bei einem Luftangriff auf Aleppo verlor Ahmed seinen linken Fuß. Durch das ärztliche Dokument, das seine schweren Verletzungen bestätigt, konnte er von Syrien aus über die Grenze in die Türkei gelangen. Als er mit seiner Familie in die türkische Stadt Kilis kam, hatten sie keine Unterkunft und nur wenig Geld. Ein türkischer Einwohner hörte von Ahmeds schwieriger Situation und bot seine Garage als vorübergehende Unterbringung an. Ahmed sagt: "Die Türken sind uns gegenüber sehr großzügig."
Der Luftangriff auf Aleppo, die größte Stadt im Norden Syriens, veränderte Ahmeds Leben völlig. "Drei Raketen schlugen ein", erinnert er sich. "Meine Cousins brachten mich zuerst ins Zentralkrankenhaus von Aleppo, aber es war überfüllt. Ich hatte auch Angst, in einem öffentlichen Spital zu bleiben, weil ich aus einem Dorf stamme, das von den Rebellen kontrolliert wird. Dann wurde ich in ein privates Krankenhaus gebracht, wo sie meinen linken Fuß amputierten".
Kilis ist für viele Flüchtlinge in Richtung Norden die erste Station
Nach der Operation überzeugte Ahmed seine ausgedehnte Verwandtschaft, mit ihm nach Kilis zu flüchten, dem ersten Ankunftsort für viele Flüchtlinge, die in Richtung Norden aufbrechen.
Auf dem Boden der Garage türmen sich Matten, Decken und Geschirr. Wäsche hängt von einer Leine, die den Wohnbereich von einer improvisierten Küche mit tragbarem Herd und Plastikbehältern trennt. Ahmed hofft auf einen Platz in einem Flüchtlingslager, aber bis jetzt ist diese düstere Garage die einzige Unterkunft, die er finden konnte. Ahmed und seine Familie teilen sie mit seinen zwei Cousins und deren Frauen und Kindern - insgesamt leben 16 Personen auf nur 50 Quadratmetern zusammen.
Mehr als 380.000 Syrer haben in der Türkei Zuflucht gefunden. Die meisten - rund 350.000 - sind registriert und dadurch dazu berechtigt, in den Flüchtlingslagern zu leben, die vom Türkischen Roten Halbmond betrieben werden. Die übrigen 30.000 warten entweder noch auf ihre Registrierung oder haben sich gegen die Registrierung entschieden, um in andere Teile der Türkei weiterziehen zu können.
Viele reisen ohne Papiere ein
"Viele überqueren die Grenze illegal", sagt die Krankenschwester Alison Criado-Perez. "Sie haben kaum Geld, und außerhalb der Lager ist es für sie sehr schwierig, eine Unterkunft zu finden." Alison arbeitet in einer von Ärzte ohne Grenzen betriebenen Klinik in Kilis, wo die meisten Patienten Flüchtlinge sind, die außerhalb der Lager leben. "Es besteht ein großer Bedarf an medizinischer Betreuung", erklärt sie.
Viele der Patienten in der Klinik sind ohne Papiere in die Türkei eingereist, weil ihr Pass abgelaufen war oder im Chaos des Konflikts verloren ging. "Der Grenzübertritt ist sehr gefährlich", weiß ein junger Syrer, der schon mehrmals die Olivenhaine in der Grenzregion durchquert hat. "Es kann sein, dass auf einen geschossen wird."
Ungewisse Zukunft in der Fremde
Ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Situation und ihres Aufenthaltsorts haben Flüchtlinge in der Türkei gemeinsam, dass sie ihr früheres Leben verloren haben und einer ungewissen Zukunft entgegensehen.
"Meine Geschäfte gingen gut", erzählt ein Syrer, der sich an sein Möbelgeschäft und seine Besuche in Istanbul und Athen erinnert, wo er nach Inspirationen für die Gestaltung von Minibars und Schlafzimmerdekorationen suchte. Sein Laden wurde von einem Panzer zerstört, und er ist jetzt arbeitslos. "Wie schön war das Leben vor dem Krieg", seufzt er.
Die Ankunft in der Türkei war für die syrischen Flüchtlinge aber nicht das Ende ihrer Probleme, sondern der Beginn eines sehr schwierigen Bewältigungsprozesses. Für die Schwerverwundeten und diejenigen, die Verwandte in Syrien zurücklassen mussten, ist dieser Prozess noch schwieriger
Viele Familien wurden auseinandergerissen
Dass die Mehrzahl der Flüchtlinge Frauen und Kinder sind, zeigt deutlich, wie viele Familien durch den Krieg auseinandergerissen wurden.
Psychologische Betreuung ist ein zentraler Teil des Bewältigungsprozesses. Sonya Mounir leitet in Kilis die psychologischen Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen . Zusammen mit ihrem Psychologen-Team hilft sie den syrischen Flüchtlingen dabei, ihre Gegenwart zu bewältigen und in die Zukunft zu blicken. "Unser Hauptziel ist, ihnen bei der Anpassung an die neue Situation zu helfen", sagt Sonya, "sodass sie wieder leben können und etwas Hoffnung, einige neue Ideen und Träume entwickeln."
Ahmed hat all dies noch vor sich. Bald wird er die Garage verlassen und unter besseren Bedingungen in einem türkischen Flüchtlingslager leben können. Aber seine an die Wand gelehnten Krücken erinnern daran, dass er den Luftangriff in Aleppo wird überwinden müssen und einer Zukunft mit einer ernsthaften Behinderung entgegensieht. Auf die Frage, was er sich für seine Zukunft wünscht, weiß Ahmed zunächst keine Antwort. Dann sagt er: "Ich möchte einen neuen Fuß. Weil ich meinen Fuß verloren habe, kann ich nicht arbeiten. Jetzt kann ich nicht mehr mit meinem Sohn spielen wie früher."