Syrien: Tausende Verwundete nach Bombardierungen auf belagertes Gebiet behandelt

11.09.2015
Heftige Bombardierungen an 20 aufeinanderfolgenden Tagen haben im belagerten Ost-Ghouta nördlich der syrischen Hauptstadt im August extrem viele Opfer gefordert.

Heftige Bombardierungen an 20 aufeinanderfolgenden Tagen haben im belagerten Ost-Ghouta nördlich der syrischen Hauptstadt im August extrem viele Opfer gefordert. Nach Angriffen auf Märkte und zivile Gebäude wurden in 13 provisorischen Krankenhäusern, die Ärzte ohne Grenzen in der Region unterstützt, vom 12. bis 31. August täglich mehr als 150 Menschen mit Kriegsverletzungen behandelt. Zeitgleich zu den Bombardierungen wurde die Belagerung rund um Damaskus verschärft und auf drei weitere Vorstädte nördlich der syrischen Hauptstadt ausgeweitet.
 
Allein in sechs der 13 unterstützten Kliniken wurden in den 20 Tagen 1.932 Verwundete behandelt. 377 Menschen musste das Klinikpersonal für tot erklären. 104 der Toten und 546 der Verletzten, also etwa jedes vierte Opfer, waren Kinder unter fünf Jahren. Da die Kommunikationswege durch die Angriffe unterbrochen wurden, liegen Ärzte ohne Grenzen aus den anderen Klinken bislang keine genauen Zahlen vor.

August einer der blutigsten Monate seit Beginn des Konflikts

„Der August 2015 war in Ost-Ghouta einer der blutigsten Monate seit den grausamen Angriffen mit neurotoxischen Stoffen im August 2013“, sagt Bart Janssens, der Leiter der Einsätze in der Brüsseler Einsatzzentrale von Ärzte ohne Grenzen. „Die Krankenhäuser, die wir unterstützen, sind provisorische Einrichtungen. Medikamente dorthin zu bekommen ist schwierig und gefährlich, und die syrischen Ärzte tun das Möglichste, um Leben zu retten. Angesichts der Umstände ist dies bei einer so massiven Zahl an Verwundeten aber besonders problematisch.“

Seit dem 22. Juli werden drei weitere Orte nördlich der syrischen Hauptstadt belagert, in denen mindestens 600.000 Menschen leben: at-Tall, al-Hameh und Qudsaya. Das bedeutet, dass weder Medikamente, noch Nahrung, Hilfsgüter oder Treibstoff in diese Gebiete gelassen werden; Personen werden angehalten und durchsucht. Die Belagerung von Vororten wie Muadamija wurde zusätzlich verschärft: Es werden nicht nur Lieferungen von medizinischem Material und Nahrung blockiert, auch darf niemand mehr in das Gebiet hinein oder hinaus. Die Evakuierung von Kranken aus den belagerten Orten ist derzeit nicht möglich, auch nicht für dringend benötigte lebensrettende Hilfe.

„Diese Gemeinden haben keinen Zugang mehr zu Gütern des täglichen Bedarfs, die die Bewohner zum Überleben brauchen“, so Janssens. „Wir wissen, dass im August in Ost-Ghouta rund 400 Amputationen durchgeführt wurden. Viele Gliedmaßen hätten wahrscheinlich gerettet werden können, wenn die medizinische Hilfe in den belagerten Gebieten nicht derart behindert würde. Über medizinische Netzwerke schaffen wir es weiterhin, medizinische Hilfslieferungen durch die Belagerungsringe zu bringen. Das wird aber immer schwieriger.“ Ärzte ohne Grenzen organisiert derzeit dringende Lieferungen von Arzneimitteln und medizinischen Materialien an Apotheken. Dazu zählen 5.000 Infusionsbeutel und 5.000 Blutkonserven.

Zwei Millionen Syrer in belagerten Gebieten

Rund zwei Millionen Syrer leben in belagerten Gebieten wie Ost-Ghouta. „Der August war aus medizinischer Sicht der schlimmste Monat, den wir bisher erlebt haben“, sagt der Leiter eines von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Krankenhauses. „Jeder, der nicht verwundet oder tot ist, muss sich glücklich schätzen. Genug Tod und Belagerung. Genug Blut und Elend. Genug.“

Vier Millionen Syrer sind ins Ausland geflohen und leben als Flüchtlinge in Nachbarländern. Tausende riskieren ihr Leben beim Versuch, Europa zu erreichen. Ärzte ohne Grenzen betreibt sechs medizinische Einrichtungen im Norden Syriens und unterstützt 100 Gesundheitsposten und Feldkliniken im ganzen Land, speziell in den belagerten Gebieten. Dabei handelt es sich meist um provisorische Kliniken, in denen keine Mitarbeiter der Hilfsorganisation anwesend sind, die Ärzte ohne Grenzen aber mit der Material und Schulungen unterstützt. Dieses Hilfs-Netzwerk wurde in den vergangenen vier Jahren aufgebaut.