Revolutionärer Fortschritt im Kampf gegen Malaria: Neue Behandlung könnte hunderttausende Kinder retten

19.04.2011
Neue WHO-Behandlungsrichtlinien: Von Chinin zu Artesunat
Mali 2011
Marianne Viot/MSF
Konseguela, Mali, 24.01.2011: Im Konseguela Gesundheitszentrum wurden 2010 15.000 Untersuchungen durchgeführt. Fast 50 Prozent davon im Zusammenhang mit Malariaerkrankungen.

Wien, 19. April 2011 – Nach der gestrigen Änderung der Behandlungsrichtlinien für Malaria durch die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert die medizinische Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) die sofortige Einführung eines neuen Medikaments. In dem heute vorgestellten Bericht „Making the Switch“ ruft die Organisation die Regierungen afrikanischer Staaten auf, die neuen Behandlungsrichtlinien umzusetzen und die Behandlung schwerer Malaria von Chinin auf Artesunat umzustellen. Diese Umstellung könnte jährlich bis zu 200.000 Malaria-Erkrankte retten. Vor allem die Zahl der Todesfälle bei Kindern kann nachweislich reduziert werden.

Eine richtungsweisende klinische Studie kam 2010 zu dem Ergebnis, dass die Verwendung von Artesunat die Sterberate bei Kindern mit schwerer Malaria um fast ein Viertel senkt: von 10.9 % auf 8.5 %. Ärzte ohne Grenzen hat die Studie, die in neun afrikanischen Ländern durchgeführt wurde, unterstützt. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse hat die Organisation die eigenen Behandlungsprotokolle geändert und plant in den nächsten Monaten die flächendeckende Anwendung von Artesunat in allen Hilfsprogrammen.

 

Abschied von Chinin nötig

 

„Wenn Kinder mit schwerer Malaria in unsere Kliniken kommen, leiden sie unter Krämpfen, müssen sich übergeben, und es besteht die Gefahr eines Schocks. In solch schweren Fällen will man ihnen einfach schnell eine wirklich effektive Behandlung zukommen lassen“, erklärt Veronique De Clerck, medizinische Koordinatorin für Ärzte ohne Grenzen in Uganda. „Seit Jahrzehnten wird Chinin bei schwerer Malaria eingesetzt. Chinin ist aber kompliziert einzunehmen und sogar gesundheitsgefährdend. Es ist an der Zeit, sich von diesem Wirkstoff zu verabschieden. Mit Artesunat steht uns nun endlich ein Medikament zur Verfügung, dass mehr Patienten mit schwerer Malaria retten kann. Außerdem ist es sicherer, einfacher anzuwenden und wirksamer als Chinin.“

Chinin muss dreimal täglich intravenös über einen langsam fließenden Tropf verabreicht werden. Diese vierstündige Prozedur ist sowohl für die Patienten als auch für das Krankenhauspersonal sehr belastend und aufwändig. Im Gegensatz dazu kann Artesunat in weniger als fünf Minuten als intravenöse oder intramuskuläre Injektion gegeben werden.

 

Eine Million Erkrankte behandelt

 

Zwar hat die WHO ihre Behandlungsprotokolle nun auf Artesunat umgestellt, aber der tatsächliche Einsatz wird nicht von selbst erfolgen. Für einfache Malaria etwa hat die WHO ihre Behandlungsempfehlung im Jahr 2001 geändert, bis heute verwenden einige Länder aber noch die deutlich schlechteren alten Medikamente. Artesunat ist dreimal so teuer wie Chinin, aber die anfallenden Kosten von 31 Millionen US-Dollar für eine globale Umstellung sind ein geringer Preis für die Rettung von 200.000 Menschenleben.

Ärzte ohne Grenzen behandelte 2010 weltweit ungefähr eine Million Malaria-Erkrankte. Rund 600.000 Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr an schwerer Malaria. Jedes Jahr entwickeln rund 8 Millionen Menschen, die an Malaria leiden, eine schwere Form der Krankheit und erleiden dabei schwere Organschäden, zum Beispiel an Gehirn, Lunge, Niere oder den Blutgefäßen.

„Making the Switch“, der neue Bericht von Ärzte ohne Grenzen fordert eine Änderung der Behandlungsprotokolle für schwere Malaria bei Kindern.