Nord-Kaukasus/Tschetschenien: Ärzte ohne Grenzen behandelt kardiale Notfälle

15.12.2011
Programm von Ärzte ohne Grenzen in Grosny
Russische Föderation/Tschetschenien 2011
MSF
Grosny, Russische Föderation / Nord-Kaukasus, 10.11.2011: In den ersten Monaten arbeitete das Team von Ärzte ohne Grenzen vor allem an der Entwicklung der Ausrüstung, des Materials und der Medikamente, sowie an der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Angesichts der Unzulänglichkeit des Gesundheitssystems in der Betreuung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Grosny, Tschetschenien, startete Ärzte ohne Grenzen Ende 2010 ein Programm zur Behandlung kardialer Notfälle. Schon in den ersten Monaten nach Start des Programmes behandelten die Teams fast 700 Patientinnen und Patienten.

Anfang Juli 2011 fand die erste sogenannte Fibrinolyse statt und die Teams haben seither 15 davon durchgeführt. Fibrinolyse ist ein Prozess, um ein Blutgerinnsel aufzulösen, bevor es das Herz erreicht. Ohne Behandlung würde dies tödlich sein. „Bevor Ärzte ohne Grenzen hier angekommen ist, ist dieses Verfahren noch nie durchgeführt worden. Wir hatten weder die richtige Ausrüstung noch die Medikamente“, sagt Dr. Madina Saidarkhanova, Leiterin der kardiologischen Intensivstation.

Eine Bevölkerung in Gefahr

Rauchen, schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung, Bluthochdruck, Diabetes und vor allem die Belastung der Jahre des Krieges haben viele Menschen in Tschetschenien anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gemacht. Eine von sechs Personen ist betroffen. Weil auch die Ausrüstung und spezialisiertes medizinische Personal fehlten, sind diese Krankheiten verantwortlich für mehr als 62 Prozent der Todesfälle in der Republik. Der nationale Durchschnitt ist niedriger, nämlich bei 56 Prozent.

2009 registrierte das Republican Emergency Hospital (REH) in Grosny 1.555 Patientinnen und Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, 33 Prozent der Fälle verliefen tödlich. Damals hatten weder Kardiologie noch Intensivstation einen entsprechenden Defibrillator, ein EKG-Gerät oder einen Holter-Monitor. Es gab keine Möglichkeit zur Durchführung spezialisierter biologischer Untersuchungen oder fibrinolytischer Behandlungen. Die einzige Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen gab es in Moskau. Für die meisten der dringenden Fälle eine viele zu weite Reise. 

700 Aufnahmen in ein paar Monaten

Ende des Jahres 2010 eröffnete Ärzte ohne Grenzen ein kardiologisches und intensivmedizinisches Programm in der chirurgischen und Herz-Kreislauf-Intensivstation der Unfallklinik in Grosny. Angesichts der Schwächen des Gesundheitssystems und der Wissenslücken auf dem Gebiet der Kardiologie, war es das Ziel von Ärzte ohne Grenzen, die tschetschenischen Kardiologinnen und Kardiologen im Bereich der Diagnose und Behandlung von Notfällen zu schulen.

In den ersten Monaten arbeitete das Team von Ärzte ohne Grenzen an der Entwicklung der Ausrüstung, des Materials und der Medikamente, sowie an der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dann folgten die Gespräche mit den Patienten. Seit Februar 2011 verzeichnete die Notaufnahme in der kardiologischen Abteilung fast 700 Aufnahmen, mehr als hundert Menschen konnten erfolgreich mithilfe der Defibrillatoren reanimiert werden.

Erstes Projekt dieser Art

Neben den medizinischen Fragen, gab es auch einige andere Herausforderungen. „Dies ist das erste Mal, dass Ärzte ohne Grenzen ein Projekt für kardiale Notfälle durchführt. Dieser Bereich ist eine hoch spezialisierte ärztliche Tätigkeit. Trotzdem ist es, basierend auf den vorläufigen Ergebnissen, ein Erfolg“, erzählt Vladimir Najman, Ärzte ohne Grenzen-Einsatzleiter in der Russischen Föderation. Mit Ende des Jahres 2011 ist die Sterblichkeitsrate auf 7,82 Prozent gesunken.